Warum es wichtig ist, eine gute Verbindung zu den ersten Erziehern und Lehrern zu pflegen.
Mit dem Kronprinzen war ich neulich in unserem Stadtteil unterwegs, als wir Frau B., langjährige Sekretärin in seiner alten Grundschule trafen. Es gab ein großes „Hallo“, sie erinnerte sich noch an seinen Namen und wunderte sich naturgemäß über seine Größe und Schulterbreite.
Frau B. erinnerte sich auch deshalb so gut an den Kronprinzen, weil seine Mutter damals alle naselang im Schulbüro aufschlug. „Kann ich das Plakat zur Info-Veranstaltung gegen die Schulerweiterung im Pausengang aufhängen?“ – „Hier ist das Protestschreiben des Elternrates. Geben Sie das bitte der Schulleitung.“
Ich war engagiert. Schon die Erzieherinnen im Kindergarten wurden von mir mit Literaturtipps versorgt, den Elternsprechtag in der Schule nutzte ich gern zu allerlei Einwürfen über individuelles Lernen und reformpädagogische Ansätze. Wenn wir schon so ein träges System mit Kultusministerkonferenzen in allen Ländern haben, die sich nicht auf tiefgreifende Bildungsreformen einigen können, so wollte ich die Schulzeit meiner Kinder als Revolution von unten nutzen. Montessori, Steiner, Freinet, von Hentig …. ihr sollt nicht umsonst gelebt haben!
Meine Begeisterung für pädagogische Reformen ging leider damit einher, dass ich konventionell arbeitenden Lehrkräften mit Skepsis begegnete. „Frau M. macht nur Frontal-Unterricht? Was willst du von so jemanden erwarten!“ – „Herr L. hat wieder ein Diktat schreiben lassen? – Willkommen in der Steinzeit!“ – „Frau F. gibt Hausaufgaben in der Grundschule auf? – Ja, hat sie denn die Hattie-Studie nicht gelesen?!“ Die armen Lehrer, die die Kinder von Herzblut-Pädagogen vor sich sitzen haben!
Wenn mir heute Eltern begegnen, die der Schule oder der Klassenlehrerin ihres Kindes mit großer Skepsis gegenüber stehen, möchte ich ihnen ans Herz legen, diese Haltung dem Kind zuliebe zu überdenken.
Klar, wenn ich aus sehr handfesten Gründen mit der pädagogischen Arbeit nicht einverstanden bin oder mein Kind sogar gedemütigt wird, muss ich etwas unternehmen (wir haben Kronprinz wegen unmöglicher Zustände in der ersten Klasse wieder aus der Schule genommen). Aber wenn es solche Gründe nicht gibt, ist es für mein Kind leichter, wenn ich seiner Schule und seinen Lehrern gegenüber eine positive Grundeinstellung habe. Gerade für Kinder im Vorschul- und Grundschulalter ist es wichtig, wie Mama oder Papa zur Lehrerin stehen. Wenn sie eine positive Verbindung wahrnehmen, ist das für sie wie ein Segen für ihre Bindung an die Lehrerin. Und Bindung ist die wichtigste Voraussetzung für das Lernen.
Der kanadische Bindungsexperte Gordon Neufeld hat in einem Urlaub in Südfrankreich die Abläufe an einer Dorfschule beobachtet.
Die bindungsfreundlichen Gepflogenheiten in der Grundschule im Dorf müssen beeindruckend gewesen sein.
Die Kinder wurden von ihren Eltern oder Großeltern persönlich zur Schule begleitet. Das Schulgelände war eingezäunt und nur durch einen Eingang zugänglich. Am Tor standen die Lehrer und warteten, dass die Schüler ihnen übergeben wurden. Auch hier schrieb die Kultur (der Gemeinschaftspflege, die Neufeld schon in anderen Situationen im Dorf beobachtet hatte, Anmerk. d. Bloggerin) vor, dass zunächst, durch eine angemessene Begrüßung zwischen den erwachsenen Begleitpersonen und den Lehrern sowie den Lehrern und den Schülern, eine Verbindung hergestellt wurde. (Gordon Neufeld, Gabor Maté: Unsere Kinder brauchen uns! Bremen 2006, Seite 44)
Wenn Kinder sicher an ihre Eltern gebunden sind und diese in zugewandter Kommunikation zu Erzieherinnen und Lehrern erleben, haben auch sie es leichter, sich in neuen Gemeinschaften einzufügen. Auf diese Weise, so Gordon Neufeld (Seite 45), entstehe langsam „das Bindungsgeflecht, das ich als dorfähnliche Bindungsgemeinschaft bezeichne“.
Nun wird kaum jemand eine idyllische Dorfschule in der Nähe haben und wer den Lehrer seines Kindes per Handschlag begrüßen wollte, findet entweder keinen Parkplatz, der ihm ermöglichen würde, solch bindungsfreundlichen Rituale zu pflegen. Zum anderen sehen es die meisten Schulen gar nicht gerne, wenn Eltern ihre Kinder bis in den Klassenraum bringen, wo endlich auch die Lehrerin anzutreffen wäre.
Trotzdem gibt es ein paar Dinge, die man lassen sollte, und andere, die man tun könnte, damit Kinder sich über das Elternhaus hinaus sicher gebunden fühlen.
Könnte ich mich in die Grundschulzeit meiner Kinder zurück-beamen, würde ich …
- die reformpädagogischen Besserwissereien lassen und den Lehrern offener und unvoreingenommener begegnen,
- nicht vor meinem Kind schlecht über seine Lehrerin sprechen*. Weil die ersten Lehrer wichtige Bezugspersonen sind, stürze ich mein Kind sonst in einen Konflikt konkurrierender Bindungen = Stress pur.
- nicht herummäkeln an Lehrplänen oder anderen fachlichen Details („die Parallelklasse ist aber viel weiter im Mathe-Buch“)
- den Lehrern meines Kindes vertrauen (immer vorausgesetzt, dass mein Kind sich wohl fühlt in der Schule)
- durch Fragen an seine Lehrerin klären, warum es sich nicht wohl fühlt, ehe ich sie sofort mit Vorwürfen bombardiere,
- die Schule wechseln, wenn mein Kind längere Zeit ungern zur Schule geht und wir die Ursachen nicht ausräumen können,
- eine positive Grundhaltung der Schule gegenüber pflegen, an der wir uns eingerichtet haben,
- Konzerte und Feste besuchen und ein fröhlicher Teil der Schulgemeinschaft werden (so kann man ein wenig das „Dorf“ mit erschaffen, das wir uns für unsere Kinder wünschen)
- zeigen, was mich selbst an Bildung fasziniert, (vorlesen, vorlesen, vorlesen … in Ausstellungen gehen)
In den vielen Jahren, in denen wir Schule über unsere Kinder erlebt haben, war es häufig mehr ein Gegen- als ein Miteinander zwischen Lehrern und Eltern. In anderen Ländern – so hört und liest man – begegnen Eltern den Lehrern und der Schule mit mehr Respekt und Vertrauen, während man hier etwas auf sich hält, wenn man „kritisch“ ist.
Immer fröhlich die Bindung der Kinder an die ersten Bezugspersonen in Kita, Vorschule und Grundschule unterstützen!
Eure Uta
Nach den Erlebnissen mit meinen vier Schulkindern finde ich es auch
sehr wichtig, einen vertrauensvollen Umgang zwischen Kindern, Eltern
und Schule zu pflegen. Bei uns war die Lehrerin Müller nicht die Müller,
sondern Frau Müller. Das ist nicht entscheidend, trägt aber zum respekt-
vollen Umgang bei. M.
Liebe Uta,
wieder einmal danke für diesen warmherzigen Beitrag.
Mit zwei pubertierenden Jungs ist das Potential durchaus da, über Lehrer zu motzen, und ab und zu haben sie echt Recht. Aber: Auch wenn man nicht hunderprozentig einverstanden ist mit dem, was da didaktisch, methodisch und pädagogisch abläuft, gehört es zur Lebensbildung auch dazu, unperfekte Situationen und Beziehungen auszuhalten und sich trotzdem höflich und respektvoll zu verhalten. Kritik ja, Pöbeln nein. Das gilt für die Jungen wie für ihre Eltern.
Ich freue mich, wenn meine Jungs es schaffen, eine angemessene Haltung und passendes Verhalten zu Lehrern zu finden, deren Unterricht und/oder Umgang mit ihren Schülern ich mir auch anders wünschen würde. Da lernen sie vielleicht mehr „fürs Leben“ als mit lauter tollen Lehrern.
Und was ist schon ein „guter“ Lehrer? Je nach spezieller Chemie zwischen Schüler und Lehrer kann das sehr unterschiedlich sein.
Eingreifen würde ich, wenn mein Kind die Situation alleine nicht schafft und leidet.
Liebe Grüße,
Inra
hach, schön! und auch als lehrperson hilft es, sich mit „mäkelnden“ eltern auseinanderzusetzen. meine ersten zwei berufsjahre waren die hölle, dennoch bin ich immer in kontakt mit den eltern geblieben. zur entlassung der klasse meinten dann einige: wir haben sie unterschätzt, sie sind eine von den guten. geht runter wie öl und hat für alles entschädigt- hach!
bei katrin rönicke las ich neulich einen coolen standpunkt, warum es hilfreich ist, ein bisschen helikoptereltern zu sein. da ging es mehr um die verbündung von lehrenden und eltern. hat mich von vielem geheilt.
liebe grüße,
jule*
Liebe Uta,
genau darüber habe ich neulich mit einer ganz wunderbaren Stimm- und Sprachtherapeutin geredet. Bzw hat sie mir auch diese Tipps gegeben und mir erzählt, dass Lehrer in einigen Ländern richtige Vorbilder sind. Im Gegensatz zu hier, wo meist über die Lehrer geschimpft wird …
Toll, dass bei dir auch zu lesen!
Liebe Grüße,
Dorthe