Mir ging es ja richtig gut in der neuen Freiheit.
Ihr hättet hören können, wie ich „Living in an easy way“ summe und mit einem Stapel frischer Wäsche die Treppe hinauf gehe.
Ihr hättet sehen können, wie ich Prinzessin (12) begegne und wieder spontan geküsst werde.
Ihr hättet hören können, wie sie die Schultasche greift und mir zuruft: „Ich mach dann mal Geo.“ Und ich nur singe: „Ja, wie du meinst.“ Und lächend meiner Wege ziehe.
Die Stimmung zwischen Prinzessin und mir war wie ausgewechselt.
Spontan-Umarmungen, längere Berichte aus der Schule, sogar Instagram-Fotos ihrer Freundinnen wurden mir gezeigt.
Ich merke: Wenn die Beziehung zum Kind gut ist, habe ich es leichter, Dinge durchzusetzen, die mir wichtig sind.
Als ich am Freitagnachmittag nach Hause kam, guckte Prinzessin fern.
„Das kann ich jetzt echt nicht haben. Mach bitte den Fernseher aus“, bat ich. Ich musste zwar noch einmal bitten, aber dann tat sie es ohne Murren.
Mir gefällt gut, wie Tanja Haeusler in dem Buch „Netzgemüse“ die Auseinandersetzungen mit ihren Söhnen beschreibt. Da spielt der Jüngere ein Video-Spiel und braucht noch fünf Minuten, ehe er zum Abendbrot kommen kann.
Mutter kennt das Spiel und weiß, dass er alle erarbeiteten Punkte wieder verliert, wenn sie ihm nicht noch fünf Minuten gibt, um das Level zu schaffen. Sie hat einen guten Tag und statt zu brüllen: „Du kommst sofort oder du darfst morgen gar nicht an den Rechner!“, setzt sie sich dazu und feuert ihn bei der finalen Monsterjagd an.
Man kann davon ausgehen, dass Haeuslers danach ein nettes Abendbrot hatten.
Im Alltag mit mehreren Kindern ist das kaum umzusetzen.
Aber ab und an kann man ein Signal setzen und zeigen, ich verstehe deine Bedürfnisse und verteufele nicht alles, was du zum Beispiel am Bildschirm machst.
Bei vielen Eltern spüre ich ein graues Grundmisstrauen gegen alles, was ihre Kindern begeistert – wenn es nicht zufällig die Viola da Gamba ist.
Apropos Misstrauen.
Euch ist sicher nicht entgangen, dass ich am Anfang die Vergangenheitsform gewählt habe.
Was ist passiert?
Gestern beim Frühstück erwähnte Prinzessin, dass die Klasse eine Abschiedsparty geben möchte für einen Mitschüler, der mit seiner Familie für drei Jahre ins Ausland zieht. Sie dürften in dem alten Haus von Simon feiern. Das stünde jetzt leer, weil die Familie umgezogen sei.
Party in einem leerstehenden Haus?
Uta assoziiert Drogendealer, Vandalismus, betrunkene Jugendliche, die nicht eingeladen waren.
„Simons Eltern werden dabei sein“, versichert Prinzessin.
„Sie hocken sich in das verlassene Haus?“ – „Ja, hat Simon gesagt.“
Ich runzele die Stirn, sie fährt ohne Winken zur Schule.
Prinzessin, wieder abgetaucht. |
Am Nachmittag telefoniere ich mit meiner Freundin. Ja, sagt sie, eine Weile ist man gut unterwegs mit den Kindern und vertraut ihnen und dann springt einen wieder irgendein Teufelchen an und man bekommt es mit der Angst zu tun.
Ich muss an Max von der Grüns Buch „Vorstadtkrokodile“ denken, wo Kinder in einer verlassenen Fabrik die tollsten Abenteuer erleben. Nach genau solchen Abenteuern sehnen wir uns für unsere Kinder, rufen aber schon auf ihrem Handy an, wenn sie mal eine halbe Stunde später aus der Schule kommen.
Am Abend erkundige ich mich bei Prinzessin vorsichtig nach der Party. Die ganze Klasse ist beteiligt, die Kinder haben Einkaufslisten geschrieben und aufgeteilt, wer welche Besorgungen macht. Es war als Überraschungsparty für Tim gedacht, der unter einem Vorwand in das Haus gelockt werden sollte. Nur leider hat sich Leon verplappert. Prinzessin ist enttäuscht.
Gut, dass ich die Kurve gekriegt, noch einmal mit ihr gesprochen und diesmal auch zugehört habe.
Zwar ist mir immer noch mulmig beim Gedanken an diese Party und ich weiß noch nicht, wie wir damit umgehen werden. Aber zumindest sind wir wieder im Gespräch. Prinzessin taucht wieder langsam auf.
In einem meiner schlauen Bücher habe ich gelesen, dass Menschen entweder gesteuert werden von Angst oder von Liebe.
Mit Liebe läuft es besser.
Immer schön die Angst-Teufelchen in die Flucht schlagen, klar denken und lieben
Uta
Danke, dass Du mit uns teilst, was Ihr gerade erlebt. Meine Tochter ist nur ein bisschen jünger als Deine, viele Dinge erlebe ich also zeitgleich.
Hast Du Deiner Tochter schon erzählt, welche Sorgen Dich so quälen und warum es Dir so schwer fällt, einfach „ja“ zu der Party zu sagen? Vielleicht wäre das ein Weg, miteinander eine Lösung zu finden. Also eine, mit der Ihr alle zufrieden seid, das Töchterchen zur Party darf und Du sie einigermaßen sorglos ziehen lassen kannst.
Meistens sind Eltern und Kinder doch gar nicht so weit auseinander, man muss nur die Kleinigkeiten klären.
Liebe Grüße
Jorin
Ich glaube, ich brauche das Netzgemüsebuch…. ; )
Liebe Grüsse!
Wenn Simons Eltern dabei sind (das lässt sich ja sicher leicht nachfragen), dann wäre es ja geklärt. Wenn nicht, bzw. wenn sie nicht die ganze Zeit da sein wollen: zwei andere Elternteile könnten mitmachen und es sich in einem Nebenraum mit Kaffee und Strickzeug (oder so) gemütlich machen (na ja, soweit möglich bei lauter Musik etc.). Nicht als Spaßbremse für die Kinder, nur zur Sicherheit.
Ich war selber bei einer Abi-Party meines Sohnes in dieser Funktion dabei, weil viele in der Klasse noch nicht 18 waren und um Mitternacht nach Hause geschickt worden wären. Es war vielleicht nicht der erholsamste Abend meines Lebens, aber dank netter Elterngesellschaft durchaus erträglich.
Achja, kenne ich irgendwie – kein Wunder bei 2 erwachsenen Kindern, einer pupertierenden 14jährigen und meiner 9jährigen Enkelin, alles nicht so einfach, aber man muss Vertrauen haben. Du schreibst so wunderbar herzerfrischend – bitte mehr davon;)