Mit dem Wissen, was Vertrauen wirklich bedeutet, läuft es besser zwischen Eltern und Kindern.
Wenn du ältere Kinder hast, dann sind sie abends und nachts immer häufiger unterwegs. Du weißt häufig nicht so genau, wen sie treffen, wo sie sind und was sie machen. Du fragst das alles vorher. Bist interessiert. Mit vielem einverstanden, mit manchem nicht. Stellst Bedingungen, gibst Taxigeld mit. Fragst dich, ob du mehr tun kannst. Willst sie beschützen, aber nicht kontrollieren. Sie müssen doch auch Geheimnisse haben dürfen. „Hier noch ein Traubenzucker. Eukalyptus-Bonbon? Du darfst meinen blauen Schal leihen ….Ja, den Guten.“ Und denkst: „Hauptsache warm.“
Die Kerze in der Laterne vor der Haustür brennt. Das ist der Eltern-Leuchtturm. Hier geht es lang, ihr Kadetten da draußen! Hier ist zu Hause. Hier ist immer alles gut.
Vertrauen – das schreibe ich oft als Schlagwort für meine Beiträge.
Aber was hat es auf sich mit dem Vertrauen?
Müssen sich Kinder das Vertrauen ihrer Eltern erst verdienen? Also erst eine Weile erwünschtes Verhalten zeigen, dann wächst das Vertrauen wie das Guthaben auf einem Sparkonto?
Und ist bei Fehlverhalten auf einen Schlag das ganze Guthaben weg? Einfach futsch.
Liebe ist immer da. Aber Vertrauen, muss das erarbeitet werden?
Gordon Neufeld, der kanadische Kinder- und Jugendtherapeut, schreibt:
„Nach dem Empfinden mancher Eltern ist Vertrauen nicht von der Grundmotivation abhängig, sondern vom Endergebnis. Sie sehen Vertrauen als etwas, das verdient werden muss, nicht als zu tätigende Investition. „Wie kann ich dir vertrauen“, fragen sie vielleicht, „wenn du dich nicht an deine Versprechen hältst oder mich angelogen hast?“ (Gordon Neufeld, Gabor Matz: Unsere Kinder brauchen uns. Bremen 2006, Seite 79)
Neufeld dagegen sieht Vertrauen als eine Investition, die Eltern in ihre Kinder tätigen.
Vertrauen als Investition oder sogar als Geschenk. Nicht etwas, das vorher verdient werden muss. Zumindest bei den Menschen, die man liebt.
Wenn etwas nicht so gelaufen ist, wie ich mir das vorgestellt habe, entziehe ich dann mein Vertrauen? Jetzt hat es ja keine Grundlage mehr, könnte man denken.
Nein. Ich investiere es neu.
Ich sage ja auch nicht zu meiner Fahrradkette. „Du quietscht, obwohl ich dich eingeölt habe. Du verdienst mein Öl nicht, es gibt jetzt keines mehr.“ (Nicht, dass ich mit meiner Fahrradkette reden würde. Nur mal so als Vergleich.)
Mit dem Vertrauen ist es wie mit dem Glauben: Wenn ich Beweise brauche, um etwas zu glauben, ist es kein Glaube, sondern Wissen oder Wissenschaft. Und wenn mein Vertrauen enttäuscht wurde, dann vertraue ich wieder neu. Das ist eine Entscheidung, eine Wahl.
Ich fasse mal zusammen, was ich in jüngster Zeit an Erkenntnissen über Vertrauen hatte:
- Vertrauen = Investition oder sogar ein Geschenk
- Allen Menschen zu vertrauen, wäre naiv. Die engsten Beziehungen aber funktionieren nur mit Vertrauen.
- 98 Prozent Vertrauen = Misstrauen. Vertrauen geht nur mit 100 Prozent. (Maria Craemer, CoachingAcademie)
- Manchmal muss man eine Situation klären, um wieder neu vertrauen zu können. Also: Fakten auf den Tisch, Missverständnisse ausräumen.
- Für Vertrauen kann man sich – auch nach Enttäuschungen – wieder neu entscheiden. Zu vertrauen ist eine Wahl, die ich treffe.
Wenn meine Kinder am Wochenende losziehen, hilft mir dieses Wissen über Vertrauen. Ich überlege erst: Welche Bedingungen stelle ich für ihre Unternehmungen (Handy muss aufgeladen dabei sein; bei Prinzessin vereinbaren wir eine Uhrzeit, zu der sie zurück sein muss; und wir müssen sicher wissen, dass sie nicht allein unterwegs ist …)? Sind diese Punkte (oder ähnliche) vereinbart, schalte ich in den Vertrauens-Modus. „Viel Spaß heute Abend!“
Das Leben läuft so viel besser, wenn man in das Vertrauen vertraut.
Immer fröhlich sich dafür entscheiden!
Eure Uta
Das Titelbild ist von Elijah O'Donnell von Pexels. Vielen Dank!
Oh Vertrauen… ich vertraue meinen Kindern, auch wenn sie das Gegenteil behaupten würden, aber wem ich nicht vertraue, sind die Menschen, um meine Kinder herum. Diese Menschen sind aber der Grund, warum es so einige strikte Regeln gibt bei uns (feste Ausgehzeiten, nicht alleine nach Hause kommen, keine öffentlichen Verkehrsmittel zu bestimmten Zeiten und Ortswechsel mitteilen, wenn nicht abgesprochen bzw sehr späte Ortswechsel erfolgen).
Das ist meine Blase, mein Wattebausch gegen den die Damen rebellieren und aufbegehren, weil ich ihnen ja nicht vertraue… dass mich jedoch Berichte von einer Freundin bei der Polzei beunruhigen und es mir dabei um eine gewisse Sicherheit geht, die meine Kinder selber gar nicht beeinflussen können, das verstehen sie nicht.
Ich hadere häufig mit mir, ob ich zu überbehütend bin… ich kann da allerdings nur sehr schlecht aus meiner Haut… – gibt es dafür Regeln, wie man sich selber mehr vertraut?
Liebe Grüße
Jeder hat so seine eigenen Maßstäbe, was er oder sie erlaubt und was nicht. Da vertraue ich meiner eigenen Intuition. Was andere Eltern harmlos finden, finde ich gefährlich und umgekehrt.
Ob es Regeln gibt, wie man sich selber mehr vertraut?
Regeln nicht. Ich kann mich in jeder Situation neu dafür entscheiden zu vertrauen. Mir oder jemand anderen, das spielt eigentlich keine Rolle.
Liebe Grüße, Uta
Als Mutter von vier Töchtern erinnere mich noch gut an die Zeiten als
unsere vier in entsprechendem Alter waren. Ich habe darum
Verständnis für den Beitrag der „Vorschreiberin“. So schade es ist, daß
unsere Kinder mit ihren Familien weit weg wohnen, so froh bin ich, abends nicht auf Spätheimkehrer warten zu müssen. M.
Liebe Uta,
unser Jüngster ist fast 18, steht kurz vor dem Abi, und seine ganze Oberstufe hat dementsprechend Oberwasser…(Kommt Oberwasser von Oberstufe?) Es ist ein tolles Alter, das Leben kann sich in alle Richtungen entwickeln, er hat sich prima entwickelt, und wir vertrauen ihm voll und ganz. Das ist für mich hier aber gar nicht die Frage.
Bei all den Aktionen, die er in seiner Freizeit, wenn er abends weg geht, so macht, bleibt auch immer dieses Restchen an Angst. Und du weißt, wovon ich rede, denn auch bei dir brennt die Laterne vor der Haustüre, wie du schreibst. Die Geschichten von ausufernden Partys und Verkehrsunfällen, die auf den Heimwegen passierten, kennen wir alle. Jeder kennt jemanden, dessen Kind mit Alkoholkvergiftung im Krankenhaus aufwachte, oder der bei einem Partyspaß verunglückte. Das sind die Dämonen, die herumgeistern, wenn das große Kind am Samstag Abend gut gelaunt das Haus verlässt, und sagt: „Mach Dir keine Sorgen, kannst du mich/uns morgen Mittag dort abholen?“
Und das hat nichts mit fehlendem Vertrauen zu tun, sondern mit den Geschichten, die man schon gehört hat. Wie zum Beispiel die Nachricht vor kurzem, als in Arnstein die Jugendlichen tot aufgefunden wurden. Das war sogar ganz in unserer Nähe!
http://www.sueddeutsche.de/bayern/unterfranken-arnstein-trauert-um-die-sechs-toten-teenager-1.3355500
Das Thema ist für mich nicht Vertrauen ja oder nein, sondern eher Vertrauen (in die Situation), Angst und Loslassen. Und ja, es ist irgendwie irrational.
Und nein, er darf schon irgendwie alles, was er möchte.
Liebe Grüße!
Liebe Seifenfrau, danke für deinen Kommentar! Ja, die Ereignisse von Arnstein. Das ist natürlich der Horror. Und ich weiß nicht, ob der Tod der Jugendlichen durch Sorge oder Misstrauen zu verhindern gewesen wäre.
Ich weiß nur, dass ich nicht in ständiger Sorge, Angst und Misstrauen leben will, sondern in Liebe, Fülle und Vertrauen. Der eine fährt Motorrad und wird 90, der andere stolpert mit 50 über eine Bordsteinkante und stirbt. Entscheidend wäre für mich, wie der jeweilige Mensch vorher gelebt hat.
Ja, und klar kann man in manchen Situationen Vorsichtsmaßnahmen treffen oder das Risiko minimieren. Aber absolute Sicherheit wird es nie geben.
Herzliche Grüße
Uta
Ich las in den Kommentaren vom Misstrauen in die anderen Menschen, die um uns herum leben.
Ist nicht einer der Hauptaspekte des respektvollen Umgangs mit Kindern und Jugendlichen der, dass diese bei Versuchungen bewusster abwägen, Gefahren selbst einschätzen und bei schlechten Vorzeichen selbstbewusst nein sagen können?
Das hilft natürlich alles nicht, wenn die harmlose Grillfete ohne erkennbare Vorwarnung zu einer Katastrophe wird. Aber es hilft gegen Autofahrten mit betrunkenen Fahrern. Es hilft gegen Unglücke bei wahnwitzigen Mutproben. Es hilft gegen sehr viele Dinge, die Jugendliche in ihrem Gefühl von Unbesiegbarkeit anstellen, um sich und anderen zu beweisen, dass sie jetzt Erwachsene sind.
Daher hoffe ich in zehn bis fünfzehn Jahren trotz angsteinflößender Erfahrungen von außerhalb meinem Sohn voll vertrauen zu können. (Aber ich merke jetzt schon, bis man drinsteckt, kann man viel erzählen. :-))
Nicht mit der Fahrradkette*lol*?
Da bin ich aber beruhigt…
Euch ein fröhliches Wochenende!
Viele liebe Grüße-
Sabine