Wenn die Kinder irgendwann viel wichtiger sind als der Partner, wird es für die ganze Familie unsicher
Als bei uns zu Hause nur noch die Türen knallten, als mein kleiner Sohn vor Wut die Mülltonnen umwarf und nach mir trat, als ich mit meinen Kräften und meiner Weisheit absolut am Ende war, buchte ich ein Coaching-Seminar. Keine Therapie für unseren Sohn. Nein! Ein Seminar für mich. Ganz allein.
Da saß ich also im Tagungshotel inmitten anderer Frauen und Männer, ein Klemmbrett mit einem weißen Blatt Papier auf dem Schoß und drehte den Hotel-Kulli nervös in meiner Hand. „Schreibt bitte auf“, sagte die Trainerin, „wer oder was in eurem Leben das Wichtigste ist. Wer oder was steht bei euch auf Nummer Eins? Ist es der Beruf? Ist es der Partner? Sind es die Kinder? Die Katze?“
Ich musste nicht lange überlegen. Auf Platz eins landeten bei mir die Kinder, gefolgt von meinem Beruf und meiner Leidenschaft für Haus und Garten. Dann kam lange nichts, bis unten auf der Seite, weit abgeschlagen, mein Mann es noch auf das Papier schaffte. Ich war schockiert. Was war aus unserer Partnerschaft geworden? Die Liebe meines Lebens nur noch eine Randnotiz?
Vor lauter Kümmern um die Kinder, den Haushalt, den Job, die Katzen, hatten wir die Zweisamkeit aus dem Blick verloren. Und nicht nur das. Der Stress mit den Kindern führte auch zu Streit bei uns, weil wir uns nicht einig waren, wie wir damit umgehen sollten.
Warum ist die Partnerschaft so wichtig?
Manage ich als Frau nicht sowieso schon die ganze Familie? Dazu noch den Job, den Haushalt und alles Soziale? Und jetzt soll ich auch noch diejenige sein, die die Partnerschaft aufpäppelt? Aber der Reihe nach. Warum ist das so wichtig mit der Partnerschaft?
- Weil Erwachsene, die eine beglückende Intimität erleben, sich enger verbunden fühlen,
- weil diese Verbundenheit die Bereitschaft vergrößert, sich gegenseitig nach Kräften zu unterstützen,
- weil die Kinder es innerlich feiern, wenn ihre Eltern ein starkes Team sind,
- weil Eltern, für die ihr Partner jeweils auf Platz Eins steht, nicht in die Falle geraten, nur noch um ihr Kind zu kreisen,
- weil diese Struktur (für mich ist der Partner/die Partnerin der wichtigste Mensch, dann kommen die Kinder …) für Klarheit in der Familie sorgt und Streit und Machtkämpfe deutlich verringert,
- weil es das Kind aus dem Zentrum nimmt und ihm hilft, wichtige soziale Kompetenzen zu lernen,
- weil es für das Kind auf lange Sicht gesünder ist, nicht bei Mama (oder Papa) auf Platz Eins zu stehen. („Puh, welch eine Erleichterung! Endlich bin ich diese Verantwortung los!“)
Ein Beispiel:
Die Eltern von Fiona, drei Jahre alt, buchen ein Coaching-Gespräch bei mir, weil Fiona sich abends kaum noch ins Bett bringen lässt. Wenn das Mädchen mittags in der Kita geschlafen hat, ist sie bis abends 20 Uhr putzmunter. Und auch danach ist an Schlafen nicht zu denken. Erst hat sie Durst, dann Hunger, dann müssen nach dem Stück Banane nochmals die Zähne geputzt werden. Liegt Fiona endlich im Bett, hat sie Angst. Wahlweise vor Monstern, Einbrechern oder Gespenstern. Also bleibt ihre Mama noch auf der Bettkante sitzen, bis die Kleine eingeschlafen ist. Nun ist es aber schon bald 22 Uhr. Und beide Eltern sind so erschöpft, dass sie völlig ermattet zu ihrem Kind ins Familienbett kriechen. Wieder keine Zeit gehabt mit dem Liebsten, wieder keine Zeit für Erwachsenen-Gespräche, wieder keine Zeit gehabt, zusammen gekuschelt auf dem Sofa die Lieblings-Serie zu gucken.
Nun könnte man das Problem auf einer oberflächlichen Ebene angehen. Die Eltern könnten Fiona versichern, dass es keine Gespenster gibt (haben sie wiederholt gemacht). Sie könnten eine einschläfernde Musik spielen lassen, ein noch größeres Kuscheltier als Beschützer kaufen, ein Schlummerlicht aufstellen, die Schlafzimmertür offen stehen lassen oder dem Kind einen Woll-Faden in die Hand geben, mit dem Fiona vom Bett bis zum Wohnzimmer mit Mama verbunden bleibt.
Diese netten Tipps sind nicht verkehrt. Auch ich gebe sie Eltern manchmal zur Unterstützung. Aber ganz ehrlich! Das ist nur Kosmetik. Die Tipps werden für Linderung an ein oder zwei Abenden sorgen, aber sie lösen nicht das Problem.
Wie können wir das Problem in der Tiefe angehen?
Wir kommen den Ursachen auf dem Grund, indem wir die Frage stellen, wer oder was im Leben der Eltern auf Platz Eins steht. Bei Rebecca, der Mama von Fiona, ist der Fall klar. Das Kind steht bei ihr an erster Stelle. Dann folgt lange nichts. Dem vermeintlichen Wohl des Kindes wird alles untergeordnet. Erst wenn sämtliche Bedürfnisse oder - besser ausgedrückt - Wünsche der kleinen Tochter befriedigt sind, dann, ja dann irgendwann kann man sich auch Zeit mit dem Partner gönnen. So ist Rebeccas Einstellung. Und ihr Mann folgt ihr notgedrungen in dieser Strategie. Denn er weiß: „Sonst haben wir nur Stress miteinander.“
Diese Mama-oder Papa-Einstellung („Die Kinder immer zuerst!“) ist weit verbreitet. Es ist die Falle, in die die meisten Eltern tappen. Sie lassen unbewusst das Kind bestimmen, wie viel Raum ihnen für ihr Erwachsenenleben und ihre Partnerschaft bleibt. Damit vernachlässigen sie ihr eigenes Wohlergehen. Und zusätzlich überfordern sie ihr Kind, denn es bekommt für das System Familie eine Verantwortung aufgebürdet, die es in keiner Weise tragen kann. Das macht es unzufrieden, missmutig und es fordert immer mehr.
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Das ist die Falle, in die die meisten Eltern tappen. Sie lassen das Kind bestimmen, wie viel Raum ihnen für ihr Erwachsenenleben und ihre Partnerschaft bleibt.
Uta Allgaier - Familien-Coach und Buchautorin
Wir trafen neulich Bekannte, die zwei Söhne im Alter von fünf und drei Jahren haben. Sie stöhnten darüber, wie anstrengend die beiden seien. Da haben wir ihnen erzählt, dass wir früher als Erholung einmal im Jahr einen Wochenend-Trip als Paar gemacht haben. Unser Sohn und unsere Tochter blieben bei den Großeltern und wir genossen eine aufregende Städte-Reise. Unsere Bekannten antworteten darauf, das ginge bei ihnen nicht. Zwar gebe es auch Großeltern, die ihre beiden Jungs hüten würden. Aber sie hätten ihre Söhne gefragt. Und der Theo und der Oskar, die wollten das nicht.
Wie gelingt der Wandel zu mehr Balance in der Familie?
Dazu sehen wir uns den Fall aus meinem Coaching noch einmal genauer an. Wie können Fionas Eltern das Endlos-Abendritual abkürzen und mehr Zeit für sich gewinnen?Wir haben festgestellt, dass Gespräche über Gespenster, Schlummerlicht und Hörbuch Linderung verschaffen können, aber die Familie das Problem erst wird lösen können, wenn die Eltern ihre Prioritäten verändern. Das klingt einfach. Und ist es auch.
Im Coaching wurde Fionas Mama klar, dass in ihrer Welt das Kind einsam auf Platz Eins steht und dass das Folgen für ihr ganzes Familien-System hat: die Partnerschaft leidet, die Erwachsenen brennen aus und letztlich leidet das Kind unter diesen Folgen mehr, als dass es irgendeinen Gewinn durch seine „Pool-Position“ hätte. Fiona bekommt jede Menge Aufmerksamkeit, aber eine Aufmerksamkeit, die sich die Eltern abringen müssen, die weit über ihre Kräfte geht, die nicht mehr wirklich liebevoll ist. Mal ehrlich: Was in vielen Familien abends im Kinderzimmer stattfindet, hat mit echter Nähe, Liebe und Freude am Zusammensein nur noch wenig zu tun. Und am Ende des Tages pfeifen alle auf dem letzten Loch.
Drei Schritte, damit Eltern wieder mehr Zeit und Raum haben als das, was die Kinder ihnen übrig lassen
- Setzt euch als Eltern hin und notiert - wie ich damals im Coaching-Seminar -, wer oder was für jeden von euch auf Platz 1, 2, 3 und so weiter steht.
- Schaut euch eure Lebens-Rang-Liste in Ruhe an. Funktioniert das für euch? Ist jeder glücklich damit? Oder gibt es eine Schieflage?
- Wenn es eine konkrete Situation gibt, die euch stört, so wie bei Fionas Eltern, dass sie wegen des Endlos-Abend-Rituals kaum noch Zeit füreinander haben, malt euch aus, wie der ideale Abend aussehen würde. Was wäre für Fionas Mama der schönste Tages-Ausklang? Mit welchem Verlauf des Abends wäre ihr Mann so richtig glücklich? Wann sollte das Kind im Bett sein? Was braucht es wirklich abends? Wer übernimmt an welchen Tagen das Abendritual? Wie sähe ein richtig schöner Abend als Paar aus?
Was aber, wenn das Kind nicht mitspielt bei der familiären Zeiten-Wende?
Fionas Eltern haben sich nun in allen Details ausgemalt, wie das ideale Zubett-Bringen ihrer Tochter und wie ein entspannter Abend für sie als Paar aussehen könnte. Auf welche Weise aber können sie die Dreijährige dazu gewinnen, mit den Eltern zu kooperieren und mit einem kürzeren Abendritual zurecht zu kommen?
Wahrscheinlich habt ihr schon mal erlebt, dass ihr eine Regel oder eine Entscheidung, die euch wirklich wichtig war, in der Familie durchsetzen konntet. Bei mir war es die Regel, dass niemand mit Straßenschuhen nach oben in die Schlaf-Etage gehen darf. Das war mir wichtig. Sehr wichtig. Wer dagegen verstieß, dem drohte verlässlich ein Donnerwetter. Und was soll ich euch sagen? Bis heute halten sich alle daran und ziehen sich sogar die Schuhe aus, wenn sie eilig aus dem Haus müssen und oben in ihrem Zimmer etwas vergessen haben.
Auch Eltern, deren Kind täglich ein lebenswichtiges Medikament nehmen muss, haben keine Probleme damit, die Medizin zu verabreichen, einfach weil ihre starke Absicht wirkt. Weil niemand eine Frage dazu hat und weil diese Klarheit das Kind in jeder Pore erreicht.
Entscheidend ist eine starke Absicht der Eltern
Diese starke Absicht brauchen auch Rebecca und ihr Mann für das Abendritual mit Fiona. Sie haben sich klar gemacht, wie wichtig ihnen ihre Partnerschaft ist und wie sehr Fiona auf lange Sicht von der Stabilität ihrer Beziehung profitieren wird. Und ihnen ist bewusst geworden, dass ihre Tochter ideale Bedingungen hat, um friedlich einzuschlafen: Sie durfte eine schöne Einschlaf-Geschichte hören, Papa hat sie noch einmal in den Arm genommen und ihr „Gute-Nacht“ gesagt, er lässt die Schlafzimmer-Tür einen Spalt offen stehen, die Eltern sind nebenan, Fiona hört ihre Stimmen und weiß sogar, dass sie später noch zu ihr ins Bett schlüpfen werden. Besser geht es gar nicht. Was soll passieren?
Das neue Mind-Set der Eltern geht auf Sendung und kommt garantiert beim Kind an
Wer Zweifel daran hat, dass die eigene Absicht beim Kind Wirkung zeigt, lässt sich vielleicht vom umgekehrten Setting überzeugen. Kennt ihr nicht auch Situationen, in denen ihr euch unsicher seid und ihr euch immer wieder breitschlagen lasst? Kinder haben sehr feine Antennen dafür, wann ihr quasi eine „Öffnung“ dafür habt, ihnen doch nachzugeben. Und wer das Kind im eigenen Leben unangefochten auf Position 1 platziert hat, bei dem ist diese „Öffnung“ groß wie ein Scheunentor. Steht ein für eure Erwachsenen-Bedürfnisse, steht ein für eure Partnerschaft! Denn wenn die Eltern glücklich sind, sind ihre Kinder die ersten, die ihnen in dieses Glück folgen.
Das Wichtigste in Kürze
- Legt eine Rang-Liste an: Wer oder was ist das Wichtigste in eurem Leben und nehmt euch Zeit, mit dem Partner über eure Listen zu sprechen.
- Überlasst es nicht den Kindern zu bestimmen, wie viel Zeit euch übrig bleibt für euch selbst und für die Partnerschaft.
- Entlastet eure Kinder und übernehmt wieder Verantwortung für die Balance in der Familie. Kinder können auch schon kleine Sachen entscheiden, aber den Kurs des Familien-Schiffes, den bestimmt ihr.
Die Familie wieder ins richtige Lot zu bringen, gelingt nicht von heute auf morgen. Gerne komme ich als erfahrener Coach an eure Seite. Für den Einstieg empfehle ich mein Angebot „Die schnelle Hilfe“ (auch über Video-Telefonie möglich). Der Button führt euch zu meiner Coaching-Seite mit allen Informationen. Dort könnt ihr euch in meinem Kalender direkt für einen Termin eintragen.
Immer fröhlich das Familien-Schiff auf Kurs halten,
Eure Uta
Ganz ganz toll auf den Punkt gebracht, liebe Uta! Uns war es immer wichtig als Paar abends Zeit zusammen zu verbringen. Und das funktioniert! Auch mit vier Kindern 🤗