Wie ein junger Cockerspaniel das Leben und Lernen schöner macht.
Inzwischen habe ich Schulhund Oskar besucht. Der Cockerspaniel geht in die vierte Klasse einer Hamburger Grundschule. Während Lehrerin Katrin Lange an der Tafel steht und wissen will, wie die Vergangenheitsform von „Oskar frisst“ heißt, liegt der Spaniel zu ihren Füßen und lässt sich von zwei Jungen kraulen. Die Kinder sitzen locker im Kreis auf einem roten, runden Teppich. „Oskar fraß“, gibt ein Mädchen die richtige Antwort. „Und wie lautet die dritte Form?“ – „Oskar hat gefressen.“
Mittlerweile kraulen drei Schüler den Hund. Ganz beiläufig. Alle konjugieren. „bellt – bellte – hat gebellt“, „trinkt – trank – hat getrunken“. Katrin Lange merkt, dass der Hund inzwischen ganz umlagert ist, hebt den Zeigefinger und sagt: „Ein Kind, ein Hund!“ Zwei Kinder rücken wieder von dem Spaniel ab, eines krault weiter. „rennt – rannte – ist gerannt.“
Der Lehrerin löst den Kreis auf. Alle holen ihre Arbeitszettel und setzen sich an die Tische. Auch Oskar läuft umher, schnuppert hier an einem Ranzen, kriecht dort unter einem Stuhl hindurch. Wenn ein Kind aufsteht, weil es einen anderen Zettel braucht, kann man sich darauf verlassen, dass es im Vorbeigehen den Hund streichelt. Bald arbeiten alle. Die Kinder üben die Zeitformen, Oskar übt, bis zum Klingeln einen Kauknochen in maulgerechte Happen zu zerkleinern.
Der junge Cockerspaniel gehört Katrin Lange. Im vergangenen Sommer hat sie ihn als Welpen angeschafft und während der Ferien schon mal an das Schulgebäude ohne Kinder gewöhnt, denn Oskar war von Anfang an als Schulhund gedacht. Mit Genehmigung der Schulleiterin und in Absprache mit den Eltern wurde der Spaniel bald nach den Ferien eingeschult. Jeden Tag kommt der Hund für ein oder zwei Stunden mit in Katrin Langes vierte Klasse. In der Pause streift sie die College-Schuhe ab und schlüpft schnell in gefütterte Gummistiefel, denn Oskar darf auf die Hundewiese, die praktischerweise in einem Park direkt neben dem Schulgelände liegt. Jeden Tag sind jeweils zwei Kinder an der Reihe, Hund und Lehrerin auf die Wiese zu begleiten. Wer? – das regelt der Hundepause-Plan, der in der Klasse hängt. Wenn Oskar sich draußen ausgetobt hat und alle seine Geschäfte erledigt sind, bleibt er für die nächste Stunde allein in Katrin Langes Beratungslehrer-Büro. Denn ein ganzer Vormittag unter so vielen Kindern wäre einfach zu viel für ihn.
Katrin Langes Entscheidung für den zotteligen Kollegen hat mit den guten Erfahrungen zu tun, die eine Freundin von ihr – ebenfalls Lehrerin – in der Arbeit mit Hund und autistischen Schülern gemacht hat. In Begleitung des Tieres könnten die Kinder besser entspannen und würden mehr Empathie entwickeln. So entschied sich die Hamburger Lehrerin, ihren Wunsch nach einem Hund mit ihrer pädagogischen Arbeit zu verbinden. Dabei war es nicht damit getan, einen Züchter zu finden und Napf und Leine anzuschaffen. An mehreren Wochenenden im Jahr besucht Katrin Lange mit Oskar eine Schulhundeausbildung, die von „ColeCanido Nord“ angeboten wird. Das ist eine private Fortbildungsstätte „zur hundegestützten Pädagogik in der Schule“. Dort lernen beide Regeln und Verhaltensweisen für den Schulalltag. Bald werden Prüfer von „ColeCanido“ die Schule besuchen und gucken, wie sich der Hund in die Klasse einfügt. Dann bekommt Oskar sein erstes Zeugnis.
Bevor ich den Unterricht selbst erlebt hatte, war ich davon überzeugt, dass so ein junger Spaniel die ganze Klasse aufmischen würde und die Kinder sehr abgelenkt wären. Das Gegenteil aber war der Fall. Die Viertklässler arbeiteten konzentriert. Vielleicht akzeptieren sie Regeln schneller, weil sie erleben, dass auch der Hund sich an Regeln halten muss. Vielleicht werden sie sensibler für Bedürfnisse anderer Lebewesen, weil sie sich auf die Bedürfnisse eines Hunde-Babys einstellen mussten.
Hach, im nächsten Leben werde ich Lehrerin mit einem tapsigen Schulhund an meiner Seite!
Ich danke Katrin Lange und den Kindern der 4b der Schule Brehmweg, dass ich am Unterricht teilnehmen durfte!
Ein paar Kinder aus der Klasse haben den Satz „Seit Oskar in meiner Klasse ist, …“ vervollständigt und ich darf ihre Sätze hier veröffentlichen.
Seit Oskar in meiner Klasse ist, …
Tao:
… ist die Klasse ruhiger.
… ist Oskar immer ruhiger geworden.
… trinkt Oskar in unserer Klasse Wasser.
… tröstet er Kinder.
… sind seine Haare im Gesicht länger geworden.
Tommy:
… ist es nicht mehr so laut.
… gibt es eine Hundepause.
Marlene:
… ist es lustiger im Unterricht.
… heben wir Müll immer auf.
… haben wir weniger Tafelwasser, weil er davon trinkt.
Justin:
… tröstet er Kinder, wenn sie weinen.
Sultan:
… hat man einen kuscheligen, lustigen Partner bei sich.
… ist es nicht mehr langweilig.
… hat man Spaß und Lust, zur Schule zu gehen.
… muss man immer lachen, weil er einen richtig süßen Pony hat.
Almila:
… gibt es gute Stimmung.
Ole:
… stellt ihm Sultan immer einen Napf Wasser hin.
Nuno:
… hat er lange Haare gekriegt.
… macht die Schule mehr Spaß.
Malkiyah:
… kitzelt es an den Beinen, wenn er unter meinen Tisch kommt.
Naemi:
… habe ich das Gefühl, dass Oskar gute Stimmung verbreitet.
… chillt er auf unserem Teppich und kaut eine Kaustange.
Lukas:
… ist es leiser, ordentlicher geworden und alle gehen langsamer.
Immer fröhlich neue Ideen in die Schulen bringen!
Eure Uta
Liebe Uta, vielen herzlichen Dank für diesen wundervollen, herzerfrischenden Beitrag. Wie sehr hätte ich unserem Sohn einen solchen Kameraden in der 4. Klasse der Grundschule gewünscht. Eine tolle Idee, wie ich finde. Dies sollte „Schule“ machen….
Liebe Grüße aus dem Münsterland
Anja
(ansonsten immer stille, aber begeisterte Leserin Deines Blogs)
hach, wir wären begeistert gewesen von einem Schulhund, allesamt!
liebe Grüße aus Paris, wo es höchstens mal Schnecken als Schultiere gibt.
Wir hatten das Glück in der 4.Klassen einen Schulhund gehabt zu haben und das war echt großartig. auch Bertha war damals als Welpe neu dazu gekommen und hat sich prächtig in der Klasse entwickelt und die Klasse hat viel davon profitiert.
Liebe Grüße vom Deich
Claudia
Ein Cockerspaniel als Schulhund, unglaublich! Unser Hund,auch
ein Cocker, falls sie die Prüfungen bestanden hätte, hätte das
Sagen in der Klasse gehabt, und Frau Lange wäre ihren Job
los gewesen. Die Grammatik wäre zwar auf der Strecke geblieben,
die Kinder hätten aber auch ihren Spaß gehabt. Unser Hund war von sechs Personen mit viel Liebe und Gelassenheit
erzogen worden. Auch bei Hunden ist die antiautoritäre
Erziehung nicht das wahre. Ich hoffe, dass unser Cocker
trotzdem in den Tierhimmel gekommen ist!
Uta, vielleicht wäre Tier-Erziehung ein weiteres Thema!
War doch Spaß! M.
An unserem Gymnasium (also dort, wo ich unterrichte) gibt es auch einen Schulhund, der in Klassen eingesetzt wird, in denen es viele verhaltensorginelle Kinder mit Grenzsetzungsproblemen hat. Wer es nicht schafft, seine Mitschüler wie Menschen mit Gefühlen respektvoll zu behandeln,schafft das erstaunlicherweise beim Hund.
Ich kann Schulhunde nur empfehlen.
LG Coreli
http://www.schulhundweb.de/index.php?title=Hauptseite
Liebe Uta!
Vielen Dank für das schöne Portrait eines meiner Kollegen. Ich bin an der Stadtteilschule Meiendorf tätig und Nachhilfe gebe ich – wenn es jemand möchte – auch. Die meisten von uns sind in den Grundschulen integriert und dort herzlich willkommen. In der Sekundarstufe I oder gar II sind wir noch Exoten. Ich hoffe, dass sich dies bald ändert. Als ich Welpe war und mich an den Schuldienst langsam gewöhnen durfte, bin ich in der Oberstufe eingesetzt gewesen. Das war eine tolle Erfahrung. Auch Erwachsene brauchen Tiere!
Vielleicht interessant für Sie: In der aktuellen Ausgabe der „tiergestützten“ finden Sie einen Artikel über Vorlesekatzen.
Herzliche Grüße aus Hamburg!
Schulhund Jack
Liebe Uta,
herzlichen Dank für diesen liebevollen Artikel. Ich habe viel über Schulhunde recherchiert und beginne nun, auch dank dieses Artikels, mit meiner jungen Labradorhündin „Missy“ die Ausbildung bei ColeCanido. Missy wird, hoffentlich recht bald, ihren Einsatz in meiner 3. Klasse aufnehmen. Die Schule und auch einige Hortkinder hat sie in den letzten Sommerferien schon kennengelernt.
LG Claudia
Hallo Claudia,
dann lernen wir uns womöglich persönlich kennen? Machst du die Ausbildung in Artlenburg oder in Schwerte?
Viel Freude und Erfolg bei den Seminaren wünscht
Schulhund Käpt´n Jack