Die wichtigsten Tipps mit Kindern über 10 Jahren
Wir haben ja einen Hund und dieses Familienmitglied hat keinerlei Interesse an Medien. Ich kann euch gar nicht sagen, wie erleichternd das ist. Polly will nicht chatten, nicht gamen, nichts posten, sammelt keine „Flammen“ bei Snapchat und hat keine Probleme mit ihrem Körperbild, weil sie sich niemals fragt, ob Sally, Loki, Phoebe, Hermine, Resi, Hazel oder wie alle ihre Hundefreundinnen heißen, hübscher oder schlanker sind als sie und ob sie Filter nutzen oder nicht.
Wenn wir Polly sagen, dass sie zum Essen kommen soll, vergehen keine zwei Sekunden und sie sitzt sabbernd vor ihrem Napf. Sie verliert keinen Status, wenn sie ihr Spiel abbricht, niemand mobbt sie im Cyberspace, wenn sie analog im Wald unterwegs ist. Und wenn wir ihr liebstes Spielzeug, ein struppiges Faultier, am Abend aus dem Verkehr ziehen, ist sie am anderen Morgen trotzdem allzu bereit, uns überall hin zu küssen.
Ich möchte mich aber nicht nur mit dem Hund an der Elbe rumtreiben, sondern euch dabei unterstützen, euren Familienfrieden nicht im Streit um Bildschirmzeiten zu verlieren. Denn das ist immer mal wieder Thema in meinen Coachings.
Ich gehe dazu auf die wichtigsten Fragen ein:
Wie erreiche ich es, dass das Thema „digitale Medien“ in meiner Familie nicht ein ständiges Streitthema ist?
- Dafür ist es wichtig, sich als Familie zusammen zu setzen und Regeln für den Umgang mit Medien aufzustellen
- Dabei sollten die Eltern die Medien-Bedürfnisse der Kinder ernst nehmen und nicht alles für Teufelszeug halten
- Sie sollten wissen, wie die Medienwelt aussieht, in der sich ihre Kinder bewegen
- Wichtig ist, Interesse zu zeigen für die Spiele, die ihre Kinder am Computer spielen, und für die Apps, die sie nutzen
- Das Kind/der Jugendliche sollte selbst Familien-Regeln vorschlagen dürfen und dafür wirklich Gehör finden
- Die Erwachsenen sollten sich unbedingt auch an die Regeln halten und z.B. nicht selbst ständig am Handy hängen
Welche Altersbegrenzungen sind bei größeren Kindern sinnvoll?
- Keine unbegleitete Internet-Nutzung unter 12 Jahren.
- Jugendschutzeinstellungen am Tablet/Handy und in den Apps vornehmen
- Kein TikTok, Instagram, Snapchat unter 13 Jahren
- Bei der Anmeldung dort dabei sein und gemeinsam das richtige Alter eingeben
- Nur privates, kein öffentliches Konto für Kinder und Jugendliche in Social Media
- Nur Phantasie-Profil-Bilder (auch bei WhatsApp)
- Keine Klarnamen und keine Ortung in Social Media
- Für die WhatsApp-Gruppe in der Schule anregen, Regeln zu vereinbaren (Recht am eigenen Bild achten, keine Beleidigungen, keine Kettenbriefe ...)
Wie vermittle ich meinen Kindern Medienkompetenz?
- Es geht darum, dass Kinder oder Jugendliche für sich einen sinnvollen Umgang damit finden, dass sie merken, wann es zu viel wird, und sie lernen, die Online-Zeiten selbst gut zu managen
- Steuerprogramme, die eine bestimmte App oder die Bildschirmzeit zu einer eingestellten Zeit beenden, können praktisch sein
- Allerdings bleibt das Entscheidende dann auf der Strecke: selbst ein Ende zu finden und eigenverantwortlich auszuschalten
- Du könntest stattdessen deinem Kind vorschlagen, einen Wecker zu stellen. In dem Fall, dass es vielleicht kurz davor steht, in einem Spiel ein angestrebtes Level zu erreichen, kann es dann noch fünf Minuten weiterspielen, erreicht das angestrebte Ziel und der Familienfrieden wird nicht gestört
Manchmal bleibt Eltern keine andere Wahl, als die Geräte einzuziehen. Richtig?
- Es mag solche Situationen geben, aber es sollte das letzte Mittel der Wahl sein
- Wir wollen ja erreichen, dass sich die Kinder an uns wenden, wenn sie vor dem Bildschirm etwas Schlimmes erleben oder selbst etwas Verbotenes getan haben. Wenn sie Angst haben müssen, dass das Smartphone oder Tablet dann weg ist, werden sie das nicht tun
- Solche Verbote oder Verschluss-Aktionen belasten außerdem die Beziehung zwischen dir und deinem Kind. Und wie bei allen erzieherischen Maßnahmen gilt: Ich habe einen größeren Einfluss auf mein Kind, wenn wir eine gute Beziehung haben
- Viel besser ist, anzusprechen, was gerade nicht gut läuft und woran es liegen könnte, gemeinsam Vereinbarungen zu treffen und sich immer wieder auf diese zu verständigen.
Ist es denn wirklich schlimm, wenn sich Kinder und Jugendliche frei im Internet bewegen?
- Wir neigen zu viel Alarmismus in dieser Medien-Frage. Ich kann mich da nicht ausnehmen, denn ich sehe Jugendliche lieber mit den Pfadfindern tief im Wald, an der Töpferscheibe oder versunken in einem Buch
- Dass Kinder und Jugendliche wegen ihrer Bildschirmnutzung mehr Depressionen, Angststörungen und Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) entwickeln als ohne Social-Media, dafür gibt es bisher keine belastbaren Beweise
- Allerdings sind bei einer Erhebung des Meta-Konzerns Auswirkungen auf das Selbstbild von Mädchen und jungen Frauen festgestellt worden, die Instagram nutzen. Danach bekam etwa jedes dritte Mädchen unter den Nutzerinnen Probleme mit der Selbstwahrnehmung, die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper stieg und Depressionen nahmen zu. (Leonie Lutz, Anika Osthoff: Begleiten statt verbieten, Seite 117)
- In dem Online-Beitrag „Lasst sie spielen“ der Süddeutschen Zeitung heißt es, dass man Social Media nicht pauschal verdächtigen dürfe, schädlich für Jugendliche zu sein. Vielmehr seien es bestimmte digitale Praktiken wie Beauty-Filter auf Snapchat oder TikTok, die einen negativen Einfluss besonders auf Mädchen hätten (SZ-online: „Lasst sie spielen“, 4.12.2024)
Noch zwei wichtige Tipps:
- Schau dir den Gesamt-Kontext an. Wenn mich Eltern im Coaching fragen, ob ich finde, dass ihre Kinder zu viel vor den Bildschirmen hängen, erkundige ich mich nach der sonstigen Lebensgestaltung: Hat das Kind Freunde? Verbringt es mit diesen auch bildschirmfreie Zeit? Treibt das Kind oder der Jugendliche regelmäßig Sport? Wie läuft es in der Schule? Hat es sonst noch Interessen? Wenn sich alle Lebensbereiche einigermaßen die Waage halten und es in der Schule „seinen Job macht“, musst du dir keine Sorgen machen.
- Sei großzügig und erlaube von Zeit zu Zeit eine Heim-Kino-Party, eine Spiele-Nacht oder sonstige Regel-Überschreitungen. Es ist das gleiche Prinzip wie beim „Schweine-Essen“: Wenn zum Beispiel einmal im Monat in der Familie erlaubt ist, beim Essen jegliche Benimm-Regeln fallen zu lassen, hast du es bei allen anderen Mahlzeiten leichter, auf eure „Etikette“ zu achten. Und wenn zum Beispiel dein 15jähriger Sohn mal eine Nacht am Wochenende mit seinen Freunden „durchzocken“ darf, fühlt er sich mit seinen Bedürfnissen ernst genommen und du kannst im Alltag leichter erreichen, dass er sich an die Vereinbarungen hält.
Hast du eine Buch-Empfehlung zu dem Thema?
Sehr hilfreich finde ich „Begleiten statt verbieten. Als Familie kompetent und sicher in die digitale Welt“ von Leonie Lutz und Anika Osthoff.
Das Buch hält gut die Waage: Es spricht die Gefahren an, aber auch die Möglichkeiten (Spaß, leichter Lernen, Austausch in der Gruppe …) , die die Medien mit sich bringen. Außerdem beschreiben die Autorinnen konkret, welche Schutzeinstellungen bei den Geräten und einzelnen Apps möglich sind, unterbreiten Vorschläge für Familienregeln und im Klassen-Chat. Nicht zuletzt gibt es listenweise Links zu guten Kinderseiten, zu Rechtsfragen, zu empfehlenswerten Internetseiten und Accounts sowie Anleitungen für spezielle Sicherheitseinstellungen.
Puh, geschafft! Ich hoffe, ich konnte euch damit unterstützen.
Sich immer fröhlich interessieren für die Kinder und ihre Medienwelt,
Eure Uta
... und wenn du mich für euren speziellen Fall brauchst, vereinbare gerne ein Coaching mit mir.
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