Über die Chancen von E-Learning.
Mein Mann hat Prinzessin (15) und eine Freundin vom Fitnessboxen abgeholt. Auf der Heimfahrt sprachen sie über die Schule und mein Mann wunderte sich, wie ungern die Mädchen in die Schule gingen.
Gerade lese ich in einem Buch*, in dem die Autoren das Gymnasium heute als „Gesamtschule der Mittelschicht“ bezeichnen. Immer mehr Kinder besuchen diese Schulform. Hauptschule und Realschule sind weitgehend abgeschafft. In vielen Gegenden geht die Mehrheit eines Jahrgangs auf das Gymnasium, eine kleinere Zahl auf Stadtteilschulen.
Auf beiden Schulformen haben es die Lehrer mit einer nie da gewesenen Bandbreite an Wissen und Begabungen zu tun, eine Bandbreite, der sie kaum gerecht werden können. Die Leistungsstarken fühlen sich schnell unterfordert und langweilen sich. Dann ist Schule doof. Die Schwachen sind chronisch überfordert, fühlen sich auf allen Gebieten als Versager. Dann ist Schule auch doof. Richtig doof sogar, um nicht zu sagen: krank machend.
Wenn ich einer breiten Masse von Kindern und Jugendlichen eine gute Bildung zuteil lassen werden möchte, muss ich entweder Abstriche machen in der Qualität der Förderung oder ich muss so viele Lehrer einstellen, dass die Kosten für Bildung explodieren würden (und von Inklusion rede ich hier noch nicht einmal).
Eine Lösung sehen die Autoren Jörg Dräger und Ralph Müller-Eiselt in individuellen Computer-Lernprogrammen für Schüler. Als eines von vielen Beispielen nennen sie die Initiative „New Classrooms“ aus New York. Dort lernen die Kinder und Jugendlichen Mathe nach einem für jeden einzelnen zugeschnittenen Lernprogramm. Jeder hat einen eigenen Account, in dem verzeichnet ist, welche Fortschritte der Schüler gemacht hat und welche Themen er noch üben muss. Prompt erhält jedes Kind die Erklärungen und Aufgaben, mit denen es seine Schwachpunkte weiter bearbeiten kann. Braucht jemand Hilfe, gibt der Rechner den Lehrern im Raum ein Signal. „Unser Team hat erreicht“, so New-Classroom-Erfinder Joel Rose, „was vorher noch nie jemand geschafft hat: Wir liefern für tausende von Kindern einen individuellen Lehrplan – jeden Tag auf Neue.“
Zwar gibt es auch in Deutschland immer mehr Schulen, die mit Lernwerkstätten arbeiten. Hier können Schüler je nach Leistungsstand unterschiedliche Arbeitspapiere bearbeiten, manchmal auch schon am Computer. Der Zeitaufwand für die Lehrer ist jedoch ungleich größer, weil sie das Material größtenteils selbst zusammenstellen müssen und nicht per Lernsoftware zur Verfügung haben.
Nirgendwo aber ist die Skepsis gegenüber Computern in der Schule größer als hierzulande. „Deutsche Lehrer sind laut der internationalen Vergleichsstudie ICILS nicht nur schlechter ausgebildet im Umgang mit Computertechnologien, sondern auch deutlich medienskeptischer. Nirgendwo sonst werden die Risiken des digitalen Lernens – wie beispielsweise das Abkupfern von Internetquellen oder die Ablenkung durch die Geräte – so gefürchtet wie in Deutschlands Lehrerzimmern“, schreiben Dräger und Müller-Eiselt im Hamburger Abendblatt (Ausgabe 15.10.2015).
Uta setzt sich ein für das sogenannte „E-Learning“ in der Schule? Passt das zum kuscheligen Katzenklo-Blog?
Mich hat überzeugt, dass jedes Kind mit Hilfe von Software ein maßgeschneidertes Lernprogramm erhalten kann und den Lehrern mehr Zeit bleibt, sich tatsächlich ihren Schülern zuzuwenden. Wenn die Schüler darüber hinaus mehr Erfolgserlebnisse haben, was die Erfahrungen in der New Yorker Brennpunktschule zeigen, halte ich das für eine große Chance. O-Ton einer Lehrerin, die mit Lernvideos arbeitet: „Mein Unterricht ist wirklich besser geworden, denn statt Vermittlung standardisierten Wissens unterrichte ich jetzt Kinder.“ (Hamburger Abendblatt ebenda).
Der Kronprinz (18) nutzt schon seit längerem Lernvideos im Internet, wenn er etwas nacharbeiten möchte.
Ich habe mir mal einen kurzen Überblick über das Angebot verschafft. Zum Teil arbeiten die Thronfolger mit diesen Portalen. Meine Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Qualitätskontrolle. Die Reihenfolge ist willkürlich.
Sofatutor
- für Schule und Studium
- 13 verschiedene Fächer
- ab 19,95 € für das Monatsabo
- Gratismonat
- nur Mathe
- gegründet von zwei jungen Typen (Studenten?)
- kostenlose Videos
- Schwerpunkt Abi-Vorbereitung
- es gibt auch noch The simple physics, The simple biology, The simple chemics und zwar hier
- nur Mathe
- Klasse 5 bis zum Abi
- Lernvideos
- werbefrei, aber kostenpflichtig auf der Homepage
- kostenfrei bei YouTube
- Mathe, Deutsch, Englisch, Physik, Bio, Chemie und Kunst
- Klasse 1 – 7
- ein 12-Monats-Abo kostet z.B. mtl. 19,99 €
- nur Mathe
- Klasse 4 – 10
- Privatlizenz für 9,95 € mtl.
- etwa 400 Schulen in Deutschland verwenden es im Unterricht
- Sprachlernprogramm
- 14 Sprachen
- ein 3-Monats-Abo kostet z.B. mtl. 6,65 €
- Förderung kostenloser Bildung für Kinder und Jugendliche
- haben sich zur Aufgabe gemacht, Lernportal aus Kalifornien in den deutschsprachigen Raum zu bringen
- im Aufbau befindlich
- bisher – wenn ich das richtig sehe – nur Mathe, geplant aber auch Naturwissenschaften, Computerprogrammierung, Geschichte, Kunstgeschichte, Wirtschaft …
Vielleicht kann ich Prinzessin bewegen, sich online mehr Unterstützung für die Schule zu holen und so mehr Freude am Lernen zu gewinnen.
Mich haben diese Lernportale sehr beeindruckt und ich habe mir vorgenommen, mit einem Lernprogramm mein Französisch für den Sommerurlaub aufzupolieren.
Immer fröhlich aufgeschlossen sein für das E-Learning.
Eure Uta
* Jörg Dräger, Ralph Müller-Eiselt: Die digitale Bildungs-Revolution. Der radikale Wandel des Lernens und wie wir ihn gestalten können. München 2015, 2. Auflage.
Ich danke der Deutschen Verlags-Anstalt für das Besprechungsexemplar.
Ich halte solche digitalen Lernportale inzwischen für unersetzlich. Es ist einfach nur dumm zu ignorieren, dass Kinder sich heute – mehrheitlich zumindest – in der digitalisierten Welt zuhause fühlen, ob man das jetzt persönlich toll findet oder nicht. Natürlich kann ich meinen Sohn weiterhin motivieren, Steinchen zu zählen, Käfer zu beobachten und mit seinen Freunden im Wiesengrund Räuber und Gendarm zu spielen, aber ich werde ihn immer weniger erreichen, wenn ich ihn nicht in „seiner“ Welt erreiche – und da spielt man eben Räuber und Gendarm in Minecraft und League of Legends, baut kunstvolle Paläste aus digitalen Klötzchen und keine Baumhäuser im Wald und zählt Riot Points, Leben und Manas und keine Käfer – egal wie enervierend öde und unreal ich das finde. Sozialkompetenzen, Allianzen, Diskrepanzen, Teamwork und Taktik werden nachmittags mit den Freunden (die auch mal am anderen Ende Deutschlands leben) per Skype in Onlinegames trainiert und weniger auf dem Bolzplatz. Das zu akzeptieren kann man als Resignation ansehen, aber eben auch einfach als Abbild unserer Zeit, in der die Kinder nunmal aufwachsen und deren Technologien man sich auch zunutze machen kann. Rechen- und Grammatikfälle online zu trainieren fällt meinem Sohn auf jeden Fall leichter (und ist sehr viel konfliktärmer), als sie mit mir und meiner Geduldsspanne zu üben. Es tut meinen Nerven, seinen Nerven und unserem Kleinfamilienleben auf jeden Fall gut, wenn der Sohn zeitweise den Computer anmotzt und volljammert statt mich. 😉
Herzlich, Katja
Liebe Uta, das klingt für mich durchaus logisch. Ich selbst möchte gerne mit Babbel eine Fremdsprache lernen. Wer sich dem E-Learning verschließt, zieht auf Dauer den Kürzeren, das gilt besonders für unser Bildungssystem. Danke, dass du das Thema angesprochen hast! Liebe Grüße von Laura