Gegen den familiären Lagerkoller 

 13/04/2020

Wie ich moralinsauer inmitten meiner Lieben saß und wie es besser wurde

Entschuldigt, dass ich mich länger nicht gemeldet habe. Ich führe so ein entspanntes Leben mit zwei großen Kindern, die an ihrer Bachelor-Arbeit schreiben oder für ihr Abitur lernen, zwischendurch im Keller boxen oder Bauch-Beine-Po-Übungen mit ihrer Mutter zusammen machen, dazu einen Mann im Homeoffice, der gerne kocht, gegenüber einen Fischhändler als Nachbarn, der im Gegenzug zu selbst gemachten Franzbrötchen - oder auch ohne Gegenzug - Seelachs über den Zaun reicht, ganz zu schweigen von dem wunderbaren Zustand, dass die großen Kinder gerade nicht nächtens unterwegs sein können und dürfen, was mich sonst immer sehr ängstigt, wenn ich bis zum Morgengrauen wach liege und die Reeperbahn und für mich sonst sehr erschreckende Orte gedanklich auf und ab spaziere. Es geht mir also so gut, dass es mir unangemessen schien und scheint, anderen Menschen, die mehrere kleine, womöglich streitende Kinder bei Laune halten müssen, ab morgen wieder den Hauslehrer geben sollen und vielleicht auch noch um ihre Existenz fürchten, meine „Immer-schön-fröhlich-bleiben“-Texte um die Ohren zu hauen. 

Allerdings ist mir in diesen Tagen das Phänomen begegnet, dass selbst Menschen, die in jeder Faser ihres Herzens von Dankbarkeit durchdrungen sein könnten, locker in der Lage sind, sich selbst ein Problem zu erschaffen. Ich schreibe von Ostersamstag und ich schreibe von mir. Schlecht gelaunt erwacht fing ich an, darüber beleidigt zu sein, dass der Rest der Familie sich beharrlich weigert, meine für mich neu entdeckte ayurvedische Lebensweise (morgens Haferschleim, mittags Gemüseeintopf, abends keinen Aperol-Spritz) zu teilen. Moralinsauer saß ich inmitten meiner Lieben und beobachtete betroffen, welche Macht Muttern über die Stimmung einer ganzen Familie haben kann, ohne in dem Moment aus der Nummer raus zu kommen. Nach drei Wochen zu viert fühlte ich mich „nicht in meinen Bedürfnissen gesehen“, in meinem Freiraum eingeschränkt und vermeintlich zu Kompromissen „gezwungen“, die ich nicht eingehen wollte. Dabei hinderte mich niemand daran, meinen Haferschleim zu essen. Mein Mann kochte tapfer Mungobohnen, auch wenn ihm nach Gulasch war, und die Thronfolger hatten mir zum Geburtstag sogar ein Ayurvedisches Kochbuch geschenkt. Mein Ego aber entschied, an diesem strahlenden Ostersamstagmorgen beleidigt zu sein. Irgendwie diffus, aber beharrlich. Niemand konnte mir was Recht machen. Am wenigsten mein Mann, der am meisten zu leiden hat, wenn die kleine Furie in mir erwacht.

Aperol Spritz mitten am Tag auf unserer Terrasse - passt das zu meinen neuen ayurvedischen Grundsätzen?

Geholfen hat mir mal wieder Eckhart Tolle, der spirituelle Lehrer. Seine Stimme und seine Weisheit haben den selbst geschaffenen Dramen in meinem Leben schon oft ein Ende gesetzt. Kennt ihr diese kleinen Videos auf YouTube, in denen man den liebenswerten Tolle in schlecht sitzenden Jackets neben einem Gesteck mit Sonnenblumen auf irgendwelchen Bühnen von Mehrzweckhallen sitzen und manchmal darüber kichern sieht, worüber Menschen sich alles „einen Kopf machen“?

Ich dachte, wenn es mir mit einem ganz schwachen Lagerkoller hilft, braucht ihr es sicher noch nötiger mit kleineren Kindern, mit größeren Problemen, mit Decken, die vielleicht noch viel, viel mehr auf den Kopf zu fallen drohen als die über der Katzenklo-Familie.

Hier sind die Links zu den drei kleinen Videos, die besonders kurz und wohltuend sind:

* Eckhart Tolle über Selbstwert-Gefühl und den Dalai Lama (gut 3 Minuten)

* über Beziehungen (knapp 5 Minuten)

* darüber wie wir uns selbst Probleme erschaffen (5einhalb Minuten)

Immer fröhlich bleiben, Uta!

  • Schön von dir zu lesen und vielen Dank für die Videotipps. Hier geht es zum Glück noch mit dem Lagerkoller. Vorher war es meine schlimmste Befürchtung mit den drei Mädels zu Hause zu sein. Gerade die beiden Großen (bald 17 u 15)haben sich immer ganz furchtbar gestritten. Es war noch nie so harmonisch hier wie in den letzten 4 Wochen. Mir schmerzt nur manchmal die Seele, weil mir die Kinder so leid tun. Greta verpasst ihr letztes Kigajahr und damit die Vorschulzeit und auch den Großen fällt es nicht immer leicht. Geht es dir mit dem Abitur deiner Tochter nicht auch so? Kein Schulsturm, Mottowoche oder Abiball..das finde ich so schade.
    Herzliche Grüße
    Tanja
    P.S. Latte Igels Abenteuer kommen hier gut an

  • Es ist wirklich viel für alle… Die ganze Welt im riesengroßen Umbruch auf so unglaublich vielen Ebenen… So viel Not und Leid durchrüttelt jedes fühlende Wesen… Mir war es in der letzten Zeit auch oft zu heftig, all das zu begreifen und zu verarbeiten…
    So ganz langsam arrangiere ich mich mit meiner Ohnmacht in Bezug auf die großen Dinge und erlange Stück für Stück die Macht über meine Gedanken, Gefühle und Taten zurück.
    Aber es ist ein auf und ab…
    Ich habe selbst darüber geschrieben :
    http://bluebottles.net/2020/04/13/von-krieg-in-den-herzen-nebenschauplaetzen-und-dem-weg-zum-frieden/
    Tolle hilft mir auch beim Runterfahren und Charles Eisenstein, mich immer wieder zu erden und in der Herzenergie zu bleiben
    LG Jitka

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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