Friedlich essen dank gewaltfreier Kommunikation 

 07/07/2023

Wie Marshall B. Rosenberg unserer Familie geholfen hat 

Bei uns sorgt für Unmut, dass mein Mann schon den Tisch abräumt und die Spülmaschine bestückt, kurz nachdem alle fertig gegessen haben. Auch wenn Gäste da sind. Dabei ist es so gemütlich - finde ich - , nach dem Essen noch zusammen zu sitzen und zu klönen. Und wenn dann mit Tellern geklappert, mit Folien geknistert und mit Wasser geplätschert wird, fürchte ich, die Gäste fühlten sich zum Aufbruch aufgerufen. Manche stehen auch auf, weil sie ein Unbehagen empfinden, wenn sie meinem Mann bei der Arbeit nicht zur Seite springen. Sie werden zwar vom Küchenchef wortreich auf ihre Plätze zurück beordert, aber fühlen sich - so meine Wahrnehmung - in ihrer Hilfsbereitschaft düpiert. Zudem ging in dem Gerenne der Gesprächsfaden verloren. Und selbst wer in dieser Verlegenheit den Serviettenring in der Hand dreht und wendet und ihn nach einem neuen Thema befragt, kann selten an die vorherige Unterhaltung anknüpfen.

Auch wenn keine Freunde da sind, aber unsere Studenten mit am Tisch sitzen, entstehen mit etwas Glück die tiefsten Gespräche über den leeren Tellern. Mein Mann aber ist von klein auf mit höchster Effizienz in Küche, Haus und Garten aufgewachsen und ist der Meinung, er könnte auch zwischen dem Geschepper in unserer offenen Wohnküche gleichwertig am Gespräch teilnehmen. Der Rest der Familie ist anderer Meinung. 

Undankbar?

Mir erscheint mein Ärger über dieses Verhalten höchst undankbar. Ist es doch mein Mann, der in der Regel für all das leckere Essen sorgt, der Prinzessin noch eine Pfanne mit Gnocci und Gemüse zaubert, wenn sie abends vom Sport kommt, der seiner Frau am Wochenende mittags schnell eine warme Mahlzeit zubereitet, obwohl erst für abends ein warmes Essen für alle geplant ist. „Ich weiß doch, dass du das brauchst“, sagt er dann und hat schon die Messer gewetzt und Frühlingszwiebeln in feinste Ringe geschnitten. 

Wir haben die Vereinbarung, dass er kocht und es meine Aufgabe ist, hinterher die Küche aufzuräumen und sauber zu machen. Diese Abmachung hat sich bewährt. Ich liebe es, nach einem Abend mit Freunden das Geschirr abzutragen, die Pfanne auszuwischen und die schmutzigen Teller der beruhigenden Ordnung des unteren Spülmaschinen-Korbes zu überlassen. Allein in der Küche kann ich die Gespräche nachklingen lassen und der Abend bekommt lange nach dem Dessert noch sein Sahnehäubchen. Mein Mann aber kann kaum glauben, dass ich mitten in der Nacht vergnügt das Ceran-Feld poliere, und möchte mir jede klebrige, krümelige oder fettige Zumutung ersparen, indem er sein ordnendes Werk mitten in der schönsten Gesellschaft beginnt.

Das ist nicht unsere Küche, aber auch schön, finde ich. Foto von Polina Kovaleva von Pexels.

Wer von so viel Hilfe im Haushalt verwöhnt wird, sollte sein Unbehagen zeitnah formulieren oder für immer schweigen. Ich habe mich für ersteres entschieden. Und zwar ermutigt durch das Buch „Gewaltfreie Kommunikation“, dem Klassiker von Marshall B. Rosenberg, in einer überarbeiteten Neuauflage herausgebracht vom Junfermann-Verlag. Der 2015 verstorbene US-amerikanische Psychologe Rosenberg hat sich weltweit einen Namen gemacht, weil er Gesprächs-Werkzeuge entwickelt hat, die friedliches Kommunizieren begünstigen. Ich wollte immer schon mal wissen, was es damit auf sich hat. Und so habe ich das Buch, das es seit wenigen Jahren in zwölfter Neu-Auflage gibt, geordert.

Wichtige Erkenntnis

Ihr wisst, dass ich kein Buch in Gänze zusammenfasse oder würdige, sondern in meinem Blog nur von dem schreibe, was bei mir hängen geblieben ist, was in meinem Alltag einen Unterschied gemacht hat, auch wenn die Lektüre ein paar Tage oder Wochen her ist. Von Rosenberg ist bei mir die Empfehlung haften geblieben, dass sich Gesprächspartner in einem Konflikt gegenseitig sagen, was sie in der jeweiligen Situation brauchen. „Ich brauche es“, so würde es in meinem Fall heißen, „bei Essen mit Gästen oder bei entspannten Familienessen, dass das Geschirr erst abgeräumt wird, wenn wir es gemeinsam beschlossen haben.“

Mein Mann könnte dann formulieren: „Ich sitze unter der Woche den ganzen Tag am Schreibtisch und in Besprechungen. Ich brauche es, nach längerem Sitzen und Sprechen, mich zu bewegen und etwas mit den Händen zu tun.“ 

Wichtig ist, sein Bedürfnis positiv und konkret auszudrücken. Also nicht: "Ich brauche diese Unruhe nicht.", sondern "Ich brauche es, dass das Geschirr erst abgeräumt wird, wenn ..."

Familie Musterman-Katzenklo hat dieses Gespräch nicht so formvollendet geführt. Aber die Idee, dass jeder formuliert, was er in der Situation braucht, hat eine erste Entlastung gebracht. Aus Unmut wurde Mut, beim nächsten Mal eine gute Lösung zu finden. Wenn ich besser verstehe, welche Gründe meinen Mann von seinem Sitz hochschnellen lassen, bin ich weniger ärgerlich und kann das Gespräch gelassen weiter führen. Und mein Mann mag vielleicht den Gästen seine Gründe erklären, sich eine Weile aus der Runde zurückziehen und sich bewegen, ohne in der Küche zu klappern.

Zusammenfassung

  • Die beiden Wörter „ich brauche“ helfen mir, nicht vorwurfsvoll zu sprechen und beim anderen nur Abwehr auszulösen, sondern bei mir zu bleiben.
  • Dazu sollte ich mein Bedürfnis positiv und möglichst konkret formulieren.
  • „Ich brauche“ ist eine Ich-Botschaft und das „brauche“ schützt mich davor, vor einer Kritik einfach nur ein „ich“ zu klatschen.
  • „Ich brauche“ führt dazu, dass man in jeder Lebenslage seine Bedingungen formuliert und auch das Gegenüber ermutigt, seine Bedingungen zu nennen. Das ist ein ganz wichtiges Friedens-Tool.

Hier ein Beispiel mit Kind aus einem meiner Eltern-Coaching-Gesprächen: Sohn, 9 Jahre, sitzt im Wohnzimmer inmitten seiner Lego-Baustelle. Mama will staubsaugen. Sie: „Tom, ich möchte staubsaugen. Ich brauche es, dass du alle Teile jetzt auf das Sofa räumst, sonst kann ich dort nicht saugen.“ - Tom: „Ich will das aber noch zu Ende bauen.“ - Sie: „Das verstehe ich. Ich habe nur später keine Zeit mehr zu saugen, weil ich zur Arbeit muss. Was brauchst du, um direkt nach dem Saugen weiter bauen zu können? Würde dir das Tablett aus der Küche helfen? Dann könntest du alle Teile schnell darauf legen und ich könnte dir dabei helfen, die Sachen in dein Zimmer zu tragen. Was meinst du?“ … 

Rosenberg nennt einige weitere Gesprächs-Werkzeuge, die Frieden schaffen. Mich hat fürs Erste am meisten beeindruckt, dass alle Beteiligten in einem Konflikt sagen, was sie brauchen. Wahrscheinlich werde ich in weiteren Beiträgen nochmals auf Ideen aus der Gewaltfreien Kommunikation zurückkommen. 

Mögt ihr das ausprobieren und mir davon berichten? Das wäre großartig. 

Immer fröhlich sagen, was du gerade brauchst,

Eure Uta 

Vielen Dank an den Verlag Junfermann für das Rezensions-Exemplar. 

Danke an Pexels für das Titelfoto von Cottonbro Studio.

Dieser Beitrag gilt als Werbung ist aber unbezahlt.

  • Ich habe sie kennen gelernt, weil meine älteste Tochter die gewaltfreie Kommunikation in der Schule geübt hatte. Fand ich sehr spannend. Später warfen mir meine Töchter vor, man könne gar nicht so schön mit mir streiten, wie sie es vielleicht mal gewollt hätten. Hm, irgendwas ist ja immer. Mir ist Rosenberg jedenfalls allgegenwärtig. Sehr hilfreich, in allen Lebenslagen.

    • Liebe Susanne, wie großartig, dass deine Tochter das in der Schule geübt hat. Am liebsten hätte ich, es wäre Pflichtstoff in der Schule. Das wäre doch klasse, oder? LG Uta

  • So ähnlich habe ich es letzte Woche gemacht. Ich besuche am Do eine Freundin – Aber da bekomme ich doch immer von B Besuch, Mama! – Ja, ich weiß. Aber ich habe C schon zwei Monate nicht gesehen und es klappt nur heute. Es ist mir wichtig, mich auch zu verabreden.
    Und dann war es kein Problem. Ich besuchte C, das Kind besuchte B und holte mich sogar ab.

    • Wie schön! Es erspart einem wirklich viel Streit und Widerstand, wenn jeder auf diese Weise kundtut, was sie oder er braucht, dann ein bisschen verhandeln und alles ist wunderbar. Danke für deine Erfahrung! LG Uta

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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