Wie man das Lernen fördert und dabei als Eltern entspannen kann
Heute möchte ich euch von zwei wissenschaftlichen Experimenten erzählen, die mich sehr faszinieren. Sie stammen aus dem Buch „Geniale Kindsköpfe“ des Kölner Wirtschafts- und Sozialpsychologen Professor Sebastian Berger.
Das erste Experiment ging so:
18 Monate alte Babys wurden in einen Raum gesetzt, in dem sie beobachten konnten, wie Erwachsene das Licht einschalten. Den Personen hatte man die Hände festgebunden, so dass sie den Kopf benutzten, um den Schalter zu betätigen. Danach forderte man die Kleinkinder auf, die Lampe zum Leuchten zu bringen. Obwohl sie bei den Großen eine andere Technik gesehen hatten, nahmen sie ihre Hände.
In einem zweiten Durchlauf des Versuchs sahen die Babys Erwachsene, die das Licht mit dem Kopf einschalteten, obwohl ihre Hände frei waren. Als sie selbst dazu aufgefordert wurden, für Helligkeit zu sorgen, benutzten auch die Kinder ihren Kopf.
Was lässt sich schließen aus diesem Experiment des Entwicklungspsychologen Andrew Meltzoff?
Der erste Durchlauf zeigt, dass 18 Monate alte Babys nicht bloß imitieren, sondern die Gesamtsituation in ihre eigene Lösungsstrategie einbeziehen können.
Beim zweiten Durchlauf haben sie wohl gefolgert, dass an dem Lichtschalter etwas Besonderes sein muss, dass selbst Erwachsene mit freien Händen die Stirn bevorzugten, um es hell werden zu lassen.
Offenbar können schon Eineinhalbjährige die gesamte Situation erfassen und daraus ihre Schlüsse ziehen.
Die von Sebastian Berger zusammen getragenen Forschungen bestätigen den Eindruck, den der Professor zu Hause als Papa von zwei kleinen Söhnen gewonnen hatte. Ihm war aufgefallen, dass sie die Welt erkunden und erforschen wie kleine Wissenschaftler. In seinem Buch geht er der Frage nach: Ist die These haltbar, dass schon kleine Menschenkinder wissenschaftliche Prinzipien anwenden, um zu lernen?
Das obige Experiment und viele weitere, über die ich in Bergers Buch gelesen habe, untermauern diese These auf eindrucksvolle Weise. Babys wenden nicht nur wissenschaftliche Prinzipien an, sondern haben auch schon ein Verständnis von Logik, ehe sie sprechen können. Das ist eine Sensation, weil man lange davon ausging, Logik sei untrennbar an Sprache gebunden.
Fasziniert hat mich auch folgender Versuch: Forscher bauten ein Spielzeug, das blinken, leuchten, hupen und rasseln konnte. Eine Versuchsleiterin zeigte vier- bis sechsjährigen Kindern einzeln dieses Spielzeug. Dabei wurde das jeweilige Kind entweder mit dem Satz: „Schau mal, mein Spielzeug, huch, es kann leuchten.“ eingeladen, damit zu spielen, oder mit dem Satz „Schau mal, ein Spielzeug, huch, es kann ja leuchten.“
Bei der ersten Variante gingen die Kinder wohl davon aus, dass das Ding der Frau gehörte und diese sicher war, dass es leuchten kann. Sie nahmen das Spielzeug und ließen es nur leuchten. Durch die Vorgabe der Frau wurde ihr Forscherdrang nicht gekitzelt.
Hatten die Kinder dagegen den zweiten Satz ("ein Spielzeug, huch, es kann ja leuchten.“) vernommen , folgerten sie, dass die Frau das Spielzeug gerade erst entdeckt und nur eine Funktion davon erforscht hatte. Gleich fingen sie an, es eingehender zu untersuchen und fanden auch heraus, wie man es zum Blinken, Rasseln und Hupen bringt.
Ist das nicht spannend?
Sebastian Berger
„Diese Ergebnisse zeigen … sehr eindrucksvoll, wie sensibel kleine Kinder auf Situationen reagieren. Sie haben ein intensives Bedürfnis nach Forschung und freuen sich, den verschiedenen Funktionsweisen von Spielzeugen selbst auf den Grund zu gehen. Was aber vielleicht noch beeindruckender ist: Sie achten auf subtilste Hinweise aus dem sozialen Umfeld.“
Das Buch des Kölner Professors und Vaters ist kein Erziehungsratgeber. Vielmehr hat er in wissenschaftlicher Manier geforscht, Erkenntnisse zusammen getragen und für uns weitestgehend verständlich beschrieben, wie Babys und Kleinkinder für sich die Welt erschließen.
Was können Eltern für den Alltag daraus mitnehmen?
Kurz & knackig
Habt ihr noch Ideen für Eltern von Babys und Kleinkindern, welche Alltagsgegenstände und Spielzeuge den Forscherdrang fördern?
Es wäre schön, wenn möglichst viele Tipps zusammen kämen.
Vielen Dank!
Immer fröhlich kleine Menschen die Welt erkunden lassen,
Eure Uta
…. und wenn ihr mal keine Zeit habt, im Park zu warten, bis jeder Stein dreimal umgedreht wurde, ist das auch okay. Die Experimente zeigen, dass Kleinkinder besonders gute Sozialforscher sind und früh Verständnis dafür entwickeln können, wenn ihren Lieben die Kraft und Geduld ausgeht.
PS: Herzlichen Dank an den Kösel-Verlag für das Rezensions-Exemplar! Dieser Beitrag ist Werbung, weil ich zu dem Buch verlinke. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass ich immer wieder Bücher angeboten und geschickt bekomme, aber es nur wenige schaffen, hier erwähnt zu werden.
Liebe Uta,
unsere Kinder haben liebend gerne Büroklammern in eine Flasche mit weitem Hals gesteckt, immer und immer wieder. Wobei sie beide zu der Zeit nichts davon in irgendwelche Körperöffnungen gesteckt haben, deshalb konnten wir sie das auch spielen lassen.
Liebe Grüße
Dana
Liebe Dana, vielen Dank für das Beispiel! Das erinnert mich an Prinzessin. Als sie etwa ein Jahr alt war, blätterte sie wie besessen in Telefonbüchern (ja, die gab es damals noch). War es das dünne Papier? Das feine Rascheln? Die Ameisen-gleichen kleinen Ziffern und Buchstaben? Ich habe keine Ahnung. Auf jeden Fall war das eine richtige Phase über mehrere Tage und hörte dann schlagartig auf. Kleine Kinder – wenn man sie lässt – sind nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Achtsamkeitslehrer. Ist es nicht wunderbar, wie sie mit allen Sinnen und voller Hingabe, das Material erforschen, den Geräuschen lauschen und über alles drüberstreichen?! LG Uta
Liebe Uta, ich beobachte meiner Kinder immer sehr gerne und wenn es aus Erwachsenen Augen zu viel wird, hilft mir immer sehr zu analysieren, welche (Entwicklungs-) Themenbereiche sie gerade beackern. Und meine Regel war, sie dürfen so viel „Unsinn“ machen, wie ich es aushalte, es wieder aufzuräumen. Ich erinnere mich, wie die Große mit etwa einem Jahr mein ganzes Backpapier auf dem Boden akribisch ausgebreitet hat. Wichtige Raumerfahrung für sie. Ich hatte kurz den Impuls genervt zu sein, hab sie aber machen lassen und war erstaunt, wie lange sie sich damit beschäftigt hat.
Sie stand auch bis zu 1,5 Stunden mit Schürze am Waschbecken, gefüllt mit Wasser oder der Wasserhahn lief etwas und ich hab ihr dann nach und nach Sachen dazu gegeben. Ich war beeindruckt, wie sie in dem Alter so lange bei einer Sache bleiben konnte. Wir unterbrechen die Kinder viel zu schnell und lassen sie viel zu wenig ausprobieren, und dann beschweren wir uns, dass die Kinder sich nicht konzentrieren können. Ich denke auch, wenn wir als Eltern entspannter wären, den Kindern mehr ver-/zutrauen, nicht so viel kommentieren, reglementierten und (das schlimmste) moralisieren, dann wären auch viele Kinder entspannter, und könnten ihre intrinsische Forschernatur ausleben.
Eltern sind häufig das größte Entwicklungshemmnis (meistens mit bester Intention)….
Liebe Grüße, Mechelke
Liebe Mechi, wie schön, von dir zu hören, und was für eine toller Tipp, sich immer zu fragen, zu welcher Erkenntnis das – für Eltern vielleicht anstrengende – Experiment führen könnte. Wenn man sich das klar macht, ändert sich sofort die elterliche Absicht in der Situation und die Geduld wird größer.
Genial, die Raumerfahrung per Backpapier-Vermessung!
Ja, und bitte – wie du schreibst – weniger kommentieren, weniger reglementieren und weniger moralisieren. Danke und herzliche Grüße, Uta
Meine Tochter hatte mit ca. anderthalb Jahren eine Phase, in der sie liebend gern mit Tampons gespielt hat. Sie wurden ausgekippt, sortiert, wieder vermischt.
Auch ich hatte zuerst den Impuls, dieses „Chaos“ im Bad zu unterbinden. Aber dann hab ich es zum Glück geschehen lassen und war fasziniert, wie ausgiebig und hochkonzentriert meine Kleine bei der Sache war.
Liebe Claudia, wie schön, dass du sie hast machen lassen. Danke fürs Schreiben! LG Uta
Noch nicht für Babys, aber für etwas größere – Decken und Tücher sind bei uns seit Jahren ein bei allen 3 Jungs (mittlerweile 7,7 und 9) total beliebtes Spielzeug. Überall werden Höhlen und Burgen gebaut, es wird sich verkleidet usw. . Ich hab’s noch nicht verschenkt, aber eine schöne Decke finde ich ein tolles Geschenk zur Geburt, von dem das Kind ganz lange was hat.
lg, bianca
Liebe Bianca, ja, Tücher sind so vielseitig verwendbar. Bei uns haben sie draußen auch eine wichtige Rolle gespielt und haben im Rhododendron-Gestrüpp tolle Höhlen entstehen lassen.Danke fürs Erinnern! LG Uta
Hallo Uta, meine zwei Kids (2+5) und ich sind seit langem große getrocknete Linsen und Kichererbsen Fans. Sie fühlen sich angenehm an, können stundenlang sortiert, ein – und umgefüllt werden, es können Sachen drin versteckt und gesucht werden, sie klicken auf dem Laminat beim (daneben) fallen… und wenn sie an den Füßen kleben macht’s Geräusche beim laufen.
Und für mich: kein Wasser im Wohnzimmer, dank der Form rollen sie nicht weg und falls doch kommt mein Freund der Staubsauger zum Einsatz 😉
Liebe Grüße und mach bitte so weiter!!
Sandra
Liebe Sandra, das ist noch besser als Sand. Klasse Idee! Danke! Dass sie an den Füßen kleben und Geräusche beim Laufen machen, muss ich unbedingt ausprobieren. Wahrscheinlich klappt das aber besser bei weichen, baby-speckigen Klein-Kindfüßen ?. Danke für deinen Kommentar!. LG Uta
Wasser, Wasser und noch mehr Wasser. Sie durften matschen und mit dem elektrischen (batteriebetriebenen) Milchaufschäumer und Spüli Schaumburgen erzeugen, mit sämtlichen Töpfen und Schüsseln und Dippchen hantieren, wie sie lustig waren. Aber: nur in der Küche, im Bad oder draußen. Draußen auch immer Matsch, Kreide (die Straßenmalkreise wurde klein gerieben und zu Paste verarbeitet und Blumenblätter damit bemalt, oder sie selbst haben sich bemalt von Kopf bis Fuß. )
Stöcke! Immer wieder Stöcke. Kleine, große, lange und kurze. Unser Lichtschacht zum Keller ist von oben bis unten voll mit Stöcken aus acht Jahren Kinderzeit (seit wir dort wohnen).
Eicheln, Murmeln, leere Plastikflaschen.
Seit sie älter sind: das Taschenmesser.
Kokeln (ja, dürfen meine Kinder!) – in der Feuerschale und ohne Brandbeschleuniger (ja, wichtig zu erwähnen…) und wenn ein Gießkanne Wasser daneben steht.
Im Moment probiert meine Tochter (10) gefühlt täglich ein neues Rezept für Schleimi und Knete aus. Darf sie, solange sie hinterher alleine sauber macht (und ab und zu selber Leim und Speisestärke kauft).
Knete war immer beliebt. Und Fingerfarben. Da hab ich die Kinder ausgezogen, dann haben sie sich als Künstler betätigt. Oder von Kopf bis Fuß in Matschklamotten und unten drunter natürlich eine große Plastiktischdecke, damit der Boden nicht eingesaut wurde.
Eigentlich durften die Kinder fast alles, solange sich die Wutzerei in Grenzen hielt bzw. wir vorher alles abgedeckt hatten.
Seile – kann man für alles mögliche nutzen. Pferdchen spielen, jemanden fesseln, zum Klettern oder zum etwas befestigen. Wir haben viele Meter gutes Kletterseil seit vielen Jahren im Einsatz.
Als ganz Kleine waren Plastikflaschen mit Krimskrams drin interessant, Wimmelbücher, alles was Krach macht, Kastanien in einer großen Schüssel (gemischt mit Korken), Rasierschaum (kannten wir aus der Krippe und haben wir zu Hause dann auch gemacht, – ist wie mit Erde matschen, riecht nur anders 😉 Lampen an und aus machen (nicht allzu lang von mir geduldet…), Kullerbahn, Bälle, Autos und Tücher.
Jetzt haben sich die Interessen enorm verschoben und der Große (13)findet eigentlich hauptsächlich sein Handy spannend…
Liebste Grüße
DIe SteffiFee
Liebe SteffiFee, meine Güte, das ist ja bei euch ein richtiges Forscherparadies! Danke für die vielen Tipps! LG Uta
Hihi, wo ich gerade Steffifees Beitrag lese: mein Sohn liebt seine „Schnur“, ein ca. 3m langes Stück feste Kordel, das irgendwo übrig war und in seine Hände gelang. Stunden im Stunden wurden damit bereits die zusammen gebunden, Fährten gelegt, Mama/ Papa gesichert, Stofftiere aufs Hochbett und wieder runter transportiert… wirklich erstaunlich… ^^
Sandra
Liebe Sandra, so etwas Simples und so wirkungsvoll! Wie schön, dass ihr so klug seid, diese Kreativität nicht mit weiteren Angeboten zu erschlagen. Herzliche Grüße, Uta
In der Krippe gibt’s ne Kiste (so ne große flache Ikea-Kiste für unters Bett) mit Reis und roten Linsen. Dazu gibt’s dann verschiedene Trichter, Meßbecher, kleine Gefäße, Löffel und Kellen, aber es werden auch Autos im Reis vergraben. Die Kinder finden es alle höchst spannend:-) Mit nem großen Bettlaken drunter lässt sich der verschüttete Reis auch schnell wieder einfangen. Den Rest schafft der Staubsauger… Immer mal wieder futtert eins der kleineren Kinder auch mal ein paar Körnchen, hat aber anscheinend noch keinem geschadet.
Viele Grüße
Das ist ja eine schöne Idee, liebe Jutta! Auch das mit dem großen Bettlaken darunter. Danke fürs Schreiben! LG Uta