Warum es anstrengend ist, ich aber keinen Tag der Reise missen möchte
Zur Zeit sind wir eine Familie in Batterie-Haltung. Die Batterie ist immer ein Hotelzimmer mit zwei Doppelbetten, wobei die Betten höchstens eineinhalb als doppelt sind. Die wirklich geringe Freilauffläche wird noch reduziert durch unsere aufgeklappten Koffer. Bei Hühnern, die so gehalten werden, würden Tierschützer aufschreien. Dabei übernachten wir überwiegend in Batterien mit dem einen oder anderen Stern.
Gestern Abend waren wir im Hafen von Monterey (südlich von San Francisco) essen und haben danach auf einem der Möchtegern-Doppelbetten in unserem Zimmer das Kartenspiel „Phase 10“ gespielt. Als Prinzessin (11) eine Karte zum Auslegen fehlte, haute sie vor Wut auf die Bettdecke und fiel rücklings vom Bett. Plumps, Koffer zu, weg war sie. Dabei geht „Phase 10“ ohne Ausscheiden.
In einem anderen Hotel machte sie einen Vorwärtssalto über beide Betten und donnerte gegen einen Spiegel, was bei meinem Mann einen Wutanfall auslöste, was wiederum bei Prinzessin einen Heimwehanfall auslöste.
In so einer Batterie ist der einzige Rückzugsort die Toilette. Dort hockte sie heulend. „Mit Papa“, schluchzte sie, „das war …. (schnief) nicht so schlimm, aber …. (schnief, schnief) mir fehlt Gulliver so sehr.“
Unser Küken vermisst seinen Kater.
Mein Mann vermisst seine Ruhe, Kronprinz (14) vermisst ein Klo zum Abschließen, ich vermisse Ordnung und eine Bettdecke für mich allein.
Trotzdem möchte ich keinen Tag dieser Reise missen.
Wir zeigen unseren Kindern Amerika, zumindest einen Teil davon. Wir reisen von Hotel zu Hotel. Wir müssen fast täglich Koffer packen. Wir nerven uns an und haben Spaß. Wir könnten uns manchmal die Augen aushacken und manchmal vor Freude ein Ei legen.
Ist eine solche Reise zu empfehlen?
Die Antwort lautet „ja“. Und der Grund dafür, findet sich in einem Buch, das viele Tausend Kilometer von hier entfernt in meinem Regal steht. Es ist das Buch „Schülerjahre“ von Remo Largo. Darin ist eine Grafik abgebildet, die zeigt, wie stark sich Kinder in den ersten Jahren auf ihre Eltern beziehen und wie abrupt das aufhört, wenn sie ungefähr zwölf Jahre alt sind. Die Junghühner wollen dann mit den anderen Junghühnern auf der Stange sitzen und nicht mit ihren Eltern.
„Ich kann mich doch heute verabreden“, ruft Prinzessin zu Hause, kaum habe ich nach der Schule einen Zipfel meiner Tochter auf dem Fahrrad erspäht. Und Kronprinz (14) hat angefangen, sich auch abends mit seinen Freunden zu treffen. „Peergroup“ nennen Pädagogen die Gruppe Menschen, auf die sich Teenager immer stärker beziehen je älter sie werden.
Deshalb finde ich es schön, dass wir in dieser Phase einen Urlaub machen, in dem wir für 19 Tage unter uns sind. Vier Leute, die Familie sind, einmal ganz auf sich zurückgeworfen.
Wir haben auch schon Ferienhausurlaube gemacht und die Kinder durften jeder einen Freund oder Freundin mitnehmen. Das ist auch schön, aber anders.
Ganz abgesehen von dem, was man auf so einer Rundreise erlebt und entdeckt, ist es anders. Es kommen nicht die Gespräche auf, die wir hier führen. Gespräche über Lebensziele und Träume. Gespräche über Sehnsüchte und Berufswünsche.
Prinzessin möchte mal eine Nebenrolle in einem Film haben, als Sängerin im Duett mit Papa eine CD herausbringen und die beiden Keller des Doppelhauses, das wir uns mit unseren Nachbarn teilen, miteinander verbinden und dort ein großes Schwimmbad einbauen.
Kronprinz möchte nach der Schule ein Jahr in Filmstudios im neuseeländischen Wellington jobben und danach Independent-Filme drehen. Berühmtheit ist ihm nicht wichtig, aber eine Arbeit, die ihm Spaß macht und die gut Geld bringt.
Sie haben auch gefragt, ob wir Eltern unsere Ziele erreicht haben. Ich gebe zu, das ist nicht immer angenehm, weil sie das formulieren, als würden wir morgen ins Grab kippen. Und Prinzessin trieb auch noch eine andere Sache um: „Papa, welche Haarfarbe hattest du früher eigentlich mal?“ Da wäre mein lieber Hahn in seinem verletzten Stolz auch fast in den Koffer gekippt.
Immer schön fröhlich bleiben
Uta
Das Foto ist von picjumbo von Pexels. Vielen Dank!
Liebe Uta,
Wäre ich nicht so im Stress, hätte ich schon längst den nächsten Kommentar losgeschickt, mit der Anfrage, ob San Francisco Euch verschluckt hat.
Ich warte doch täglich auf die Fortsetzung meines „aus der Ferne Urlaubs“. Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt, einen Aufruf in Deinem Block zu starten: „Glückliche Familie vermisst in San Francisco“! Na, ich hoffe Ihr habt noch eine schöne Zeit, ganz liebe Grüße!
PS: Wunderschön geschrieben, am besten ist der Schluss, armer Gockel!
Rite
Liebe Uta, liebe Prinzessin,
die Sache mit dem Schwimmbad sollten wir auf jeden Fall noch einmal ansprechen, ich wäre auch sehr dafür 🙂
P.S: Der Schluss ist wirklich am besten 😀 😀
Liebe Grüße,
Toni
Liebe Uta, freut mich sehr von euch zu hören. Habt weiter viel Spaß und genießt die Zeit als Familie.
Lieben Gruß
Christiane
Vielen Dank für deinen tollen Blog. Ich lache hier seit einer Stunde Tränen. Gibt es auch ein Buch von Dir?
Lieber Gruß,
Katja