Wie hilfreich für alle ein persönliches „Nein“ sein kann.
Der Tag war stressig. Termine bis in den Abend hinein. Und am nächsten Morgen sollte der Kronprinz (17) zu seinem Schüleraustausch in den Kosovo aufbrechen. Er wollte dringend noch ein paar T-Shirts gewaschen haben und Prinzessin (14) brauchte nachmittags jemanden, der sie zum Reiten brachte. Kaum hatte ich für mich selber geklärt, wie wir das alles irgendwie auf die Reihe kriegen könnten, verkündigte Prinzessin, sie wolle abends auch noch zum Fitness-Boxen. Sie würde mit Freundinnen in der S-Bahn fahren, sie würde sich um alles kümmern und ich hätte ja gar nichts damit zu tun. Ich könnte also „Ja“ sagen.
Nach einigem inneren Ringen (ich finde ja prima, dass sie jetzt mehr Sport macht, auch, dass sie selbstständiger wird, freut mich sehr , und schließlich ist sie ja in einer Gruppe mit Mädels unterwegs…), merkte ich, dass mir an dem Tag alles zu viel war. Ich wollte mich auf den Vortrag konzentrieren können, zu dem ich mich am Abend an der Uni angemeldet hatte, und nicht auf erlösende „Mama-ich-bin-wieder-da“-Whatsapps warten müssen. Diese Klarheit in meinem Kopf erreichte ich beim Schrubben der Pfanne nach dem Essen. Hatte ich mich beim Cesar-Salat noch nebulös und grenz-genervt artikuliert („Muss das sein?“/“Jetzt kommst du mir auch noch damit!“/“Schau’n wir mal…“) erinnerte ich mich im neuen Glanz der Pfanne daran, wie viel Kraft in einem persönlichen „Nein“ steckt, trocknete meine Hände ab und stieg nach oben in Prinzessins Zimmer. „Ich weiß, dass äußerlich betrachtet nichts dagegen spräche, dass du zum Boxen fährst. Aber ich merke, dass ich mir dann Sorgen mache. Und ich möchte heute Abend den Kopf frei haben für den Vortrag, zu dem ich mich schon so lange angemeldet habe. Deshalb möchte ich, dass du heute Abend hier bleibst.“
Es kam ein leichtes Grummeln aus der hintersten Ecke. Ich verließ ihr Zimmer.* Und als wir später zum Reiten aufbrachen, murmelte Prinzessin beim Einsteigen ins Auto, sie würde den Box-Termin verschieben.
Wahrscheinlich fragt ihr euch jetzt, was daran besonders sei. Vielleicht sendet ihr täglich sehr klare „Neins“ und Ich-Botschaften von Feinsten ins Familienrund, während bei so Leuten wie mir immer noch die alte Angst hochkommt, das Kind könne sich durch mein „Nein“ als Person abgelehnt fühlen.
Klar und persönlich sagen, was ich möchte, statt am Kind herumzumeckern, ist so wirksam, dass ich das hier gar nicht oft genug schreiben kann. Es stärkt das Kind (am Vorbild lernt es gesunde Abgrenzung gegenüber anderen) und es stärkt einen selber.
Die Kunst, Nein zu sagen, basiert auf der Fähigkeit und dem Willen des Indiviuums, guten Gewissens zu sich selbst Ja zu sagen. (nach Jesper Juul: Nein aus Liebe. München 2008, Seite 113)
Und an anderer Stelle schreibt Juul:
„Es ist zweifellos eine Tatsache, dass viele Mütter (und ihre Kinder) davon profitieren würden, sich von Schuldbewusstsein und schlechtem Gewissen zu befreien, denn das schlechte Gewissen führt zu unklaren Formulierungen und zwingt die Kinder in ständige Konflikte hinein, weil sie keine klaren Botschaften erhalten.“ (ebenda, Seite 106/107)
Immer fröhlich klare Ich-Botschaften senden.
Eure Uta
* Wichtig ist, dass auch das Kind Zeit bekommt, in der es herausfinden kann, wie es sich zu der Bedürfnislage von Mama stellen will. Nicht die Pistole auf die Brust setzen!
Das Titelbild ist von Cottonbro von Pexels. Vielen Dank!
Liebe Uta,
Ja, es ist klar, der Umgang mit dem Jungvolk…..aber es geht im Alltag zu oft unter. Zu oft verbiegt man sich im Tagesrhythmus und auch im inneren für die Kinder….der Knoten ist spürbar und es fühlt sich gut an, wenn man ihn anpackt und löst. Danke fürs dran erinnern 🙂
LiebenGruß von Sandra
….mein Großer meinte heut, als unser Kater die gleiche Pose hatte “ Muss der sich immer den Sack …? “ …Was hab ich gelacht ! :)))
🙂
Hallo Uta,
wunderbar geschrieben, NEIN zu sagen musste ich auch erst lernen, besonders bei einem Einzelkind, aber es befreit.
Vielen Dank für Deinen netten Kommentar.
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende.
Maiga