Glückliche Familie Nr. 248: Gespenster der Kommunikation 

 26/10/2014

Zurück von der Reise türmt sich die Wäsche und das Laub im Garten. Überall liegt was herum. Zerknickte Reiseprospekte, Flugtickets, ungeöffnete Post und dazwischen Teenager mit einem Joystick oder Tablet, weil sie ja „seit Ewigkeiten“ nicht mehr spielen oder Videos gucken konnten.

Ein Koffer (ihrer!), aus dem die Schmutzwäsche quillt, steigert das Gefühl der Entspannung. Behende steigen sie darüber (selbst im Dunkeln) und begeben sich wenige Meter entfernt davon in Chill-Pose (also horizontal mit internetfähigem Medium). Sie ziehen vorher noch was Lockeres an. Und das, was sie ausziehen, sackt zusammen und übersät wie bunte Maulwurfshügel den Teppich.

Weil sie so gut vernetzt sind, wissen die Freunde von ihrer Heimkehr, noch bevor wir die Haustür aufschließen. Sätze wie „Kann ich bei Lea übernachten, wir haben uns ja soooooo lange nicht gesehen“ fallen, kaum dass die Katzen geherzt und wieder auf den Boden gestellt sind.

„Jetzt kommt doch erst mal wieder richtig an“ will dagegen niemand hören. Wenn die, die noch unter 20 sind, herumliegen mit ihren Freunden digitaler oder lebendiger Art, sind sie so sehr angekommen, dass jeder Schritt (zum Beispiel Richtung Wäschekorb) als Zumutung empfunden wird.

Die Reiseheimkehr ist die klassische Situation, in der ich sauer werde. Dann kommt sofort das „Bleibt-wieder-alles-an-mir-hängen“-Gefühl auf: Uta ist die einzige auf der Welt, die etwas arbeitet, neues Toilettenpapier einspannt, schmutzige Socken entknubbelt, was zu Essen auf den Tisch bringt.

Seht her, was die Jeanne d’Arc des Haushalts für Opfer bringt, um ihrer Familie mit rissigen Händen ein wohliges Heim zu schaffen!

Aus diesem selbstmitleidigen Kontext erwachsen die Eltern-Sätze, die gar nichts bringen.

„Könnt ihr vielleicht auch mal einen Schlag tun?“

„Hätten die Herrschaften vielleicht die Güte, die Spülmaschine auszuräumen?“

„Muss der Mülleimer erst überquellen, ehe jemand die volle Tüte herausbringt?“

„Sollen die Koffer hier noch bis Weihnachten stehen?“

Das sind die Momente, in denen ich merke, dass es mir gut tut, inne zu halten und mir über den Kontext klar zu werden, in dem ich gerade zu den Kindern spreche.

Das ist so etwas wie:

„So einen tollen Urlaub haben sie geboten bekommen und jetzt hängen sie faul auf ihren Zimmern.“
= Undankbarkeit
Dabei hatten wir die Idee zu diesem Urlaub und sie waren – bei genauer Betrachtung – überhaupt nicht undankbar.

Jugendliche heute sind so passiv. Ständig hängen sie vor irgendwelchen Medien und konsumieren Inhalte, statt aktiv zu werden und sich für irgendetwas zu engagieren.“
= Passivität
Dabei liest Prinzessin (13) auf ihrem Handy ein Buch nach dem anderen. So wie ich früher in Papierbücher versunken war, liest sie halt elektronisch; und der Kronprinz (17) ist am Computer engagiert und lernt gerade, wie er selber „eggs benedict“ machen kann.

Sie nehmen überhaupt nicht wahr, wie ich treppab und treppauf renne, um alles wieder schön zu machen?!“
= mangelndes soziales Verhalten
Dabei hatte Kronprinz erst zuvor am Flughafen einer alten Dame all ihre Koffer vom Gepäckband gehoben, während ich gar nichts schnallte und rief: „Das sind doch gar nicht unsere.“ Wie peinlich!



Kontexte – die Gespenster unserer Kommunikation.
Diese Gespenster gruselten uns als Halloween-Dekoration vor einem Haus in New Hampshire (USA), durch das unsere Reise führte.



Wenn ich das Chaos Chaos sein lasse, mir erst einmal eine Tasse Kaffee koche und mir darüber klar werde, was alles mitschwingt, wenn ich sage „Kannst du jetzt vielleicht auch mal ein Schlag tun, du alter Faulpelz!“ hilft dieser innere Abstand mir ungemein.

Denn für unsere unausgesprochenen Botschaften haben Kinder ein klares Gespür. Unsere abfälligen Meinungen über sie wittern sie wie der Polizeihund die Drogen im Koffer.

Nach dem Kaffee bin ich deutlich entspannter, stelle die Tasse in die Spülmaschine, kippe die Vorurteile in den Müll und kann ganz sachlich sagen:

„Du musst den Koffer nicht sofort auspacken, aber ich möchte, dass er leer ist, bevor du zu deiner Freundin gehst.“

„In einer halben Stunde fahre ich los und hole Getränke. Wer kann mir helfen, sie in den Keller zu tragen?“

„Wer am Montag in der Schule wieder eine saubere Jeans haben möchte, muss sie jetzt an die Treppe legen.“

Keine Ironie, keine unausgesprochenen Vorurteile, keine negativen Schwingungen und gleich ist die Atmosphäre ganz anders.

Immer fröhlich nicht nur auf das achten, was wir sagen, sondern auch auf das, was wir senden.

Eure Uta

PS: Schön war zu sehen: Als ich selbst die Jammerhaltung verließ, habe ich es richtig genossen, zu Hause alles wieder heimelig zu machen. Ja, ja, alles eine Frage der inneren Kontexte!

  • Liebe Uta,
    schön, dass du wieder da bist!
    Ich schließe mich Susanne an: ja, das könnte auch bei uns sein. Nur, dass ich nur ein Kind habe – dafür aber einen Mann, der nicht anders ist … ich könnte platzen ….
    Und melde mich gleich noch per Mail …
    LG Dorthe

  • Liebe Uta,

    willkommen zurück.
    Ich habe mich so sehr erkannt in diesem Beitrag. Mich stresst das Ankommen auch meistens sehr. Wobei ich ja nicht mal großartig auf die Hilfe der Herzbuben zählen kann. Sie können meist ja nicht mehr als das Sandspielzeug zur Sandkiste bringen und die Schuhe im Flur ausziehen. Und der Herzbubenpapa … der macht immer so viele (jaaa, nicht ganz unwesentliche Dinge, aber …) Sachen, die mich gerade gar nicht entlasten und für mein Empfinden noch Monate Zeit hätten. Ich habe auch immer das Gefühl, dass ich für die Wiederherstellung der Wohlfühl-Ordnung zuständig bin. Dazu gehört auch, dass nicht mehr als 3 Waschmaschinen-Ladungen auf mich lauern. Wobei meine Wohlfühlgrenze eine andere als die der männlichen Bewohner des Hauses ist.
    Da wir mit den Herzbuben meistens Urlaub in Ferienwohnungen am Meer und auf dem Bauernhof machen, haben wir neben normaler Wäsche noch die ganzen Matschklamotten, Nahrungsmittel, Spielsachen/Bücher, Fahrräder, gesammelten Steine, Muscheln, Stöcke.
    Im letzten Urlaub habe ich es geschafft, vor der Rückreise nach Geschossen und Wohnräumen zu packen. Klingt irgendwie zwanghaft, jetzt, wo ich es lese … Aber es hat echt geholfen. Geht aber nur, wenn man alleine packt. 🙂
    Ich würde es aber nicht schaffen, mich erstmal mit einem Kaffee hinzusetzen. Die Ruhe hätte ich dann doch nicht.
    Sehr lustig finde ich die Vorstellung der Szene am Gepäckband – großartig!
    Liebe Grüße,
    Frieda, die sich freut, wieder von dir zu lesen

    • „nach Geschossen und Wohnräumen zu packen“ – das ist ja eine tolle Idee. Da muss man aber sehr strukturiert sein. Ja, und wenn man auch noch Nahrungsmittel mitnehmen muss, schafft mich das immer sehr. „Wo war noch mal das Olivenöl? – Im Wanderstiefel?“ Uta, die sich über deinen Kommentar freut.

  • Liebe Uta,
    ein wunderbarer Artikel und so war! Eigentlich müsste ich ihn ausdrucken und jeden Tag lesen… Ich versuche momentan eigentlich auch erst zu denken, mir die Worte bewusst zu machen, die ich gerade loslassen wollte und sie dann nochmal zu überdenken, aber das ist gar nicht so einfach… Vor allem, wenn man eigentlich nur noch müde und sowieso gerade (mal wieder) völlig entnervt ist. Aber: sieht man es mit einem Lächeln, versucht die Motivation des Kindes zu sehen und bleibt gelassen, ist es plötzlich gar nicht mehr so schlimm.
    Du motivierst mich gerade dazu, das Thema mit in die Woche zu nehmen.
    Liebe Dank dafür und willkommen zurück!
    Liebe Grüße
    Sternie

  • Liebe Uta, danke für diesen wertvollen Worte. Für mich ist das Schlimmste, dass ich mein eigenes Gemeckere selbst gar nicht hören will 😉 Vieles von deinen Kontextgedanken kommt mir sehr bekannt vor. Mein Sohn macht bei solchen Tönen ganz dicht (worüber ich eeeigentlich froh bin – in dem Moment natürlich nicht) Und mit meinem Mann will ich ja auch nicht so reden. An das Durchatmen und ggf. Kaffeetrinken werde ich nächstes Mal denken.

    Liebe Grüße
    Constanze (eine bisher stille Leserin. Danke übrigens für deine GMG-Buchempfehlung weiter vorne im Blog, hat mir sehr geholfen die Lektüre)

    • Gespräche mit Gott hast du u. a. am 3. Mai 2013 empfohlen.

      Hab mich übrigens beim Kinder-ins-Bett bringen im Nachhinein dabei erwischt, dass mein Kontext „Meinem Mann ist es nur wichtig, wenn Fußball läuft, die Kinder pünktlich ins Bett zu bringen, ansonsten steh ich mit diesem Bemühen alleine da“ nicht grade hilfreich für einen kleinen Austausch zwischen uns beiden über ein weiteres Thema war …. Immerhin hab ich’s gemerkt …. .

  • Ups, jetzt habe ich gedacht du wärst bei uns zuhause gewesen…*lach … oja, wie sehr ich die ersten Zeilen doch aus dem eigenen Heim kenne (und froh bin, dass es bei anderen ähnlich ist). Wobei ich das mit dem „ersteinmal selber entspannen“ schon recht gut kann 😉 und mir auch darüber klar bin, dass klare Worte mehr ankommen, als wenn sie durch irgendwelche Emotionen aufgebauscht sind. Und dennoch tappt man immer mal wieder in die eigene Falle! Mein Töchterchen ist mittlerweile auf die Idee gekommen, dass sie die Waschmaschine auch alleine bedienen kann – somit hat sich das Problem verlagert 😉 ich muss die Maschine leeren um sie wieder benutzen zu können und manchmal staune ich, wie WENIG man da auch mit waschen kann … daran arbeiten wir jetzt! Und ich überprüfe gleich heute mal unsere Kommunikationsgespenster 😉
    Lieben Gruß, Lilli

  • Liebe Uta, ich muss immer lachen, wie gut du das beschreiben kannst. Also Humor hast du 🙂 auf jeden Fall. Wir haben nur ein Kind und ich mag das Auspacken sogar sehr gern. Das liegt aber an den vielen Urlaubsmitbringseln, die im Koffer warten. Wir leben im Ausland und kaufen dann in Europa immer unsere Vorraete ein. Ich mache dann immer Haufen fuer jeden Bewohner und derjenige muss das dann irgendwann wegraeumen.
    Schoen, dass du wieder zurueck bist!

  • Hallo unbekannterweise,
    sonst nicht „meine Art“ zu kommentieren ohne jemanden zu kennen…aber ich nehme das als Schicksalswink oder was-auch-immer, dass ich diesen Blog gefunden habe!…und freue mich darüber!
    Ja, etwas weniger emotio und mehr ratio gerade bei den brisanten Themen, wäre für mich auch hilfreicher,… wäre das Strickmuster (was man so mit-sich-bringt) nicht…unerfüllte Erwartungen…manchmal der Gedanke ich jammere am Ende vielleicht gerne um mich zu den „anderen Haushaltsgeplagten“ einreihen zu können und dazuzugehören?
    Das Unerwartete tun…das unerwartete Tun…einen Kaffee zu trinken anstatt „durchzudrehen“ habe ich auch schon als sehr positiv empfunden!
    Man muss gut für sich sorgen um im Gleichgewicht zu sein und zu bleiben – wie leicht schreibt sich das!
    Viele Grüße, Marion

  • Hm… ja… ich erkenne mich wieder. Manchmal gar nicht so einfach, vorwurfsfrei zu senden. Ich kann die Urlaubsrückkunft wunderbar nachvollziehen. 😉
    Sich selbst zur Ordnung zu rufen und klare Anweisungen zu geben anstatt rumzumaulen ist nicht immer einfach, aber sinnvoll – auch für den eigenen Seelenfrieden udn auch für das Ergebnis.

    Herzlich, Katja

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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