Glückliche Familie Nr. 238: Unechte Fragen 

 26/08/2014

Am Sonntag nach dem Essen fragte ich den Kronprinzen (16), ob er mir beim Abwasch helfen würde.
Er sagte: „Nein.“
Ich sagte: „Okay.“
Während ich die Arbeit allein machte, war ich ganz im Reinen mit uns beiden. Denn mir fiel ein, dass ich Kronprinz am Vortag gefragt hatte, ob er die Spülmaschine ausräumen könnte. Und er hat es gemacht.

„Wer eine Frage stellt, muss auch mit einem ’nein‘ leben können.“

Maria&Stephan Craemer, CoachingAcademie
Häufig stellen wir Fragen und es sind gar keine. Es sind keine, wenn der andere nicht wirklich die Wahl hat, was er darauf antwortet. Denn wenn die Antworten „keine Lust“, „keine Zeit“ oder „warum ich schon wieder?“ lauten, werden wir motzig. Dabei wollten wir doch wissen, wie die Befragten zu unserem Anliegen stehen. Und wenn sie ehrlich antworten, sind wir auch nicht zufrieden.

Spülen oder spielen?
Wenn ich den ganzen Tag frage: Räumst du den Tisch ab? Machst du endlich das Katzenklo sauber? Stellst du dein Fahrrad in den Schuppen? … , sind es versteckte Befehle. Die funktionieren schlecht.
Wenn ich will, dass meine Kinder den Müll herausbringen, dann muss ich es anordnen.
„Prinzessin, du bringst jetzt den Müll heraus. Danke.“
Ich merke, dass es besser läuft, wenn ich diese Klarheit habe: echte Frage oder klarer Befehl. Dann wissen sie, woran sie sind.Inzwischen habe ich ein deutliches Gefühl, wann ich etwas anordnen möchte, weil es höchste Zeit ist, dass die beiden etwas im Haushalt tun, und wann ich einfach nett frage möchte, ob mir jemand bei einer Arbeit helfen könnte, und es auch okay ist, wenn ich ein ’nein‘ zu hören bekomme. Umso mehr freue ich mich, wenn sie mir in einer Situation zur Seite springen, in der ich gar nicht damit gerechnet habe.
Das Entscheidende ist aber, dass wir alle kooperativer werden, wenn wir erleben, dass unser ’nein‘ respektiert wird. Wahrscheinlich sind das die Hauptgründe, warum es dann besser läuft: mehr Klarheit und mehr Respekt.

Das Schöne ist, dass ich es auch umgekehrt anwenden kann. Wenn Kronprinz mich fragt: „Kann ich heute dein Fahrrad nehmen?“ und ich sage „nein“ und dann der Welpenblick kommt, sage ich: „Du hast mich gefragt und heute lautet die Antwort ’nein‘.“ Das Ganze dauert keine zwei Minuten.

Und hier noch ein Satz aus dem Coaching-Seminar:

„Wer nicht ’nein‘ sagen darf, der handelt ’nein‘.“

Wenn Eltern von ihrem Kind erwarten, dass es zum Ballett (Tennis, Karate, Geigenunterricht, Treffen mit Tante Klara) geht und das Kind nicht ’nein‘ sagen kann, weil die Erwartung wie eine Wolke im Raum hängt, wird das ’nein‘ sich einen anderen Weg bahnen: das Kind wird bockig bei der Wahl der Socken, rastet bei irgend einer Kleinigkeit aus, bekommt Bauchschmerzen, Ohrenweh, mysteriösen Hautausschlag.
Deshalb ist es gut, sich bei wichtigen Angelegenheiten zu fragen, ob das Kind wirklich ’nein‘ sagen darf. Darf es das nicht, sollte man lieber anordnen:
„Heute fahren wir zu Tante Klara. Ich weiß, dass du dich dort immer langweilst, aber du musst trotzdem mitfahren. Ich könnte dir allerdings anbieten, dass deine Freundin Anna mitkommen darf/ wir im Auto das neue Hörbuch hören …..“
Warum sollen wir Wahlmöglichkeiten suggerieren, wenn es keine gibt?
Alle Eltern lieben ihre Kinder. Alle Kinder lieben ihre Eltern. Nur häufig schaffen es die Parteien nicht, diese Liebe zu kommunizieren. Da wird nicht zugehört, da werden Vorwürfe gemacht, da wird jemand öffentlich lächerlich gemacht, da gibt es zu wenig Anerkennung, da wird viel zu viel geschimpft.

Jesper Juul schreibt:

„Einer unserer dänischen Kinderspezialisten hat mal ein Projekt mit Kindern zwischen drei und sechs Jahren durchgeführt. Sie haben dabei erfahren, dass 90 Prozent der befragten Kinder es so empfinden, dass Eltern 80 Prozent der Zeit, die sie mit ihnen verbringen, schimpfen. Die befragten Erwachsenen hingegen meinten, sie würden nur 10 Prozent der Zeit schimpfen.“ (Jesper Juul: Wir sind für dich da. 10 Tipps für authentische Eltern, Freiburg im Breisgau 2014, Seite 102)

Also immer fröhlich unterscheiden zwischen echten Fragen und klaren Anordnungen und nicht so viel schimpfen.
Eure Uta

  • Liebe Uta,

    die versteckte Anordnung funktioniert (fast) immer. Das habe ich schon früh gelernt. Ich weiß nur nicht mehr, von wem. Wahrscheinlich habe ich es mir in der Kita von den Pädagoginnen abgeguckt.
    Und: ja! Immer wieder erlebe ich Kollegen, Freunde, Bekannte, die empört reagieren und sich endlos auslassen, wenn ihnen jemand ein „nein“ gegeben hat. Das ist mir unverständlich, das ist so viel verschwendete Energie.
    Schimpfen … ich würde sagen, bei mir sind es momentan leider deutlich mehr als 10%, vor allem mit dem großen Herzbuben. Bei dem kleinen bin ich irgendwie nachsichtiger. Also eine ungerechte Motzkuh quasi. 🙁
    Die Sonne scheint, dabei soll es bleiben,
    liebe Grüße,
    Frieda

  • Liebe Uta,
    sehr schön! Und es passt genau zu dem Thema, das wir nur mal kurz angeschnitten hatten: das Nein der Kinder akzeptieren. Zum Fragen (und Antworten) waren wir noch gar nicht gekommen. Dieser Post beantwortet schon eine Menge. 🙂
    Neulich beim Eltern-Kind-Turnen fragte ich eine Mutter, ob meine Tochter mal den Ball haben dürfte, den ihr Baby (das als Geschwisterkind mit war) gerade hatte. Diese Mutter meinte recht muffelig: „hm, den hat sie sich grad erst geholt … aber nimm ihn halt.“ Dann drehte sie sich weg und schob mir irgendwie den Ball rüber. Ich habe dann noch gesagt, dass ich extra gefragt habe, sie hätte also auch ’nein grad nicht, aber gleich‘ sagen können. Darauf hat sie aber nichts mehr gesagt…
    Andersherum gibt es bei uns aber auch. Meistens gibt es Theater, wenn ich zu der Lütten Nein sage. Manchmal sieht es aber so aus: Sie fragt zb, ob sie noch eine Serie gucken darf. Ich sage: ’nein, weil …‘ Dann sagt sie: „ich meinte gar nicht jetzt, ich meinte morgen.“ Oder sie sagt: „ach nee, möchte ich auch gar nicht.“ Als wenn es ihr unangenehm ist, dass sie etwas fragt und die Antwort nein heißt. Ihr erkläre ihr dann immer, dass sie ruhig alles wollen und fragen darf, aber dass der Gefragte auch nein sagen darf. Trotzdem darf man alles fragen … das tut mir immer echt leid.
    Danke für den Post und liebe Grüße,
    Dorthe

  • liebe uta,
    mit diesem post hast du meinen (aktuellen) nerv getroffen. mein sohn kam letzte Woche auf die weiterführende, seitdem läuft hier nix mehr rund… schön, dann die passenden zeilen zu lesen – vor allem das: klare Anweisungen – weniger schimpfen. wird ich mir merken.
    du hast mit deinem blog unser Familienleben schon oft bereichert.
    danke dafür!!!
    sagt koni

  • …du triffst doch imer wieder ins Schwarze, Uta!
    denn unser Sohn (15) hat noch Sommerferien,
    was ich ihm von Herzen gönne,
    aber ab und zu muss ich auch überlegen, welche Aufforderung ich am besten wie
    …äh…formuliere…
    …denn er hat ja immer so schlaue Antworten…

    Grins.

    Liebe Grüße!

  • Da spricht du mir aus der Seele. Zur Zeit, wir haben die Hochpubertät, ein ganz wichtiges Thema. Denn NEIN ist das Lieblingswort. Und mein Fehler ist dann, dass ich frage, mit dem geheimen oder offensichtlichen Wunsch, dass mir z.B. geholfen wir. Dumm von mir, künftig werde ich wohl die Frage in eine Aufforderung umformulieren. Dann kommt zwar auch ein plattes NEIN, aber ich kann mit mehr Nachdruck arbeiten. 😉 Und ich bin weniger beleidigt und schimpfe vielleicht weniger. Hoffen wir es …! 😉
    Liebe Grüße
    Claudia

  • Da hast du mich mal wieder voll erwischt, das passiert mir ständig. Anordnungen hören sich einfach nicht so „hart“ an wenn man sie als Frage formuliert aber du hast ja völlig recht, dass das so falsch ist und die Frage ad absurdum führt. Ich werde zukünftig mehr darauf achten!
    Liebe Grüße und vielen Dank,
    Dani

  • Liebe Uta,

    jetzt hat das Internet meinen Kommentar gefressen. Falls der doch doppelt auftaucht, bitte einen davon löschen.

    Ich predige meinem Mann seit Jahren, dass er nur Fragen stellen darf, wenn er ein Nein als Antwort akzeptieren kann. Leider hört er selten auf mich, was den Alltag nicht nur wegen des o.g. Themas anstrengend macht, sondern auch, weil die Kinder ihn nachahmen: Mama wird nicht respektiert, Befehle werden nicht ausgeführt, Fragen bleiben oft unbeantwortet. Was macht man da? Ich kann doch nicht an allen Fronten gleichzeitig kämpfen. Ich brauche einen Partner, der mit mir an einem Strang zieht, kein drittes Kind, das ich auch noch erziehen muss…
    Eheberatung haben wir schon gemacht, etwa ein Jahr lang. Wir streiten zwar weniger und auch nicht mehr so heftig, aber manche Probleme habe ich nach wie vor.

    Liebe Grüße,
    Henriette

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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