Kronprinz (fast 16) kam neulich mit einem Stempelaufdruck aus der Schule. „Held des Tages“ stand auf seinem Handrücken. Seine Chemie-Lehrerin hatte ihn und ein paar Mitschüler ausgezeichnet, weil sie über ein Experiment im Unterricht eine ausgefallene Geschichte geschrieben hatten.
Kronprinz zeigte mir den Stempel mit verhohlenem Stolz. Und mich berührte, wie unter der Coolness die Freude durchschimmerte.
Auch einer seiner Kumpel, ebenfalls ein „Tagesheld“, hatte zu Hause stolz von dem Titel berichtet. Das erfuhr ich von seinem Vater bei einem Gespräch auf dem Klassenfest.
15 sind sie, fast 16, überragen ihre Mütter und bald auch die Väter.
Tagsüber trinken sie Kaba und abends gelegentlich ein Pils.
Aufbrausend, aggressiv, abweisend können sie sein und dann so verletzlich, dass man sie auf den Schoß ziehen möchte.
Sie strotzen vor Kraft … und vor Empfindsamkeit.
Kein Wunder, dass sie den Video-Spielen verfallen, wo sie nicht nur Abenteuer erleben, sondern auch den Rausch der Anerkennung.
„Nach jeder Rennstrecke, jedem vollendeten Level, jedem gelösten Rätsel bekommt der Spieler Applaus, Lob und digitale Leckerlis, egal, wie gut oder auch schlecht er die Herausforderungen gemeistert hat.
Zugleich … wird er zu Höherem angetrieben. Dabei heißt es übrigens nie: ‚Das war nicht gut, du musst mehr üben!‘, sondern ‚Das war super! Leg’noch eins drauf, da geht noch was!'“
Das schreiben Tanja und Johnny Haeusler in „Netzgemüse“ (S. 180), wo sie auch der Frage nachgehen, welche psychologischen Erkenntnisse Game-Entwickler nutzen, um Spieler in ihren Bann zu ziehen.
„Den Spieler anerkennen und wertschätzen“ steht da ganz weit oben.
Warum peilen Eltern und Lehrer für Kinder nicht das nächste Level an?
Warum glauben wir nicht an sie, statt auf ihren Fehlern und Schwächen herumzureiten?
Wie nachhaltig ein wenig Wertschätzung sein kann, entdeckte ich, als ich Kronprinz neulich ein Päckchen Karteikarten in sein Zimmer legte. Vor Monaten hatte ich eine Besorgung für ihn mit dem Aufkleber versehen, den ihr auf dem Foto seht. Er muss ihn sorgfältig abgelöst und auf seine Schreibttisch-Unterlage geklebt haben. Das hat mich sehr gerührt.
Auch wenn das pubertierende Kind vielleicht gerade alle Stacheln ausgefahren hat, es immer fröhlich anerkennen und wertschätzen.
Uta
Hach, schön hast du das geschrieben!*seufz Wenns immer nur so leicht wäre – vor allem auch vor anderen Menschen von denen man sich bewertet fühlt als Mutter. Du hast Recht, das ist klar, aber leicht ist es nicht immer.
Ich weis es ja nicht und ich bin auch kein Soziologe oder wer sich sonst mit der Frage warum wir als Eltern/ Lehrer/ Erzieher so denken herumschlägt, aber ich denke manchmal, das ist eher ein historisch eingeschlepptes Problem, dem wir „modernen“ Eltern einfach kritisch entgegentreten müssen. Das beginnt ja schon mit dem Genörgel der vorherigen Generation, wann der Kleine denn endlich sauber sei, etc. Wie schwer ist es oft den Eltern oder Schwiegereltern zu erklären, dass man das jetzt anders sieht und dass es gut so ist. In der deutschen Kaiserzeit galt halt das Hinternversohlen und Unterdrücken als das Mittel der Wahl und unbedingter Gehorsam war das höchste Erziehungsziel. Das wurde dann immer weiter übertragen. Jede Generation hat dann etwas ein bisschen besser gemacht, aber immer gegen die vorherige argumentieren müssen und jeder ist ja selbst Produkt der Erziehung die er wiederum genossen hat – auch Lehrer. Da muss finde ich in der Lehrerausbildung noch viel mehr passieren, dass es nicht nur um die Theorie des Unterrichts, sondern um gut umgesetzte Pädagogik geht – die ja wiederum wie gesagt nicht jeder Lehrer selbst genossen hat.
Also, liebe Lehrer, Kopf hoch und los zum neuen Level, oder?*g (okay, manche Schüler machen es einem nicht leicht, aber einen Versuch ist es ja allemal Wert*hi)
Liebe Grüße LOLO
„Liebe mich am meisten, wenn ich es am wenigsten verdiene“ hatte ich irgendwann ganz am Anfang gelesen, als ich mit einem viel schlafenden Säuglich allein zuhause noch jede Menge Zeit dazu hatte. Seitdem ist es mein Mantra in Krisensituationen (solange ich nicht gerade selbst kurz vorm explodieren bin) auch wenn ich in der Öffentlichkeit dafür schon so manches Kopfschütteln geerntet habe. Sich wütend auf dem Boden wälzende Kinder (meine sind noch kleiner) umarmen, das irritiert viele. Aber (anfangs war ich selbst erstaunt) es funktioniert fast immer und auch ausgesprochen gut.
Ich lese Deinen Blog jetzt schon eine Weile mit und es ist so schön, die eigentlich logischen Erkenntnisse so schön auf den Alltag runtergebrochen aufbereitet zu bekommen, um mich selber auch immer wieder zu erinnern und einzunorden. Vielen Dank und ein wunderschönes Spätsommerwochenende.
Martina
Mir fällt gerade dazu ein Buch ein, dass ich en route gelesen habe (durch Tausch im Guesthouse) *Der Hunderjährige, der aus dem Fenster sprang und verschwand*. Die Lockerheit des Schreibstils, die mich am Anfang ansprach, ging mir ziemlich schnell auf die Nerven. Was mir aber wirklich, wirklich gut gefallen hatte, war eine Eigenschaft des Hauptprotagonisten, auf die immer wieder hingewiesen wurde: seine Großzügigkeit im anerkennenden Lob. Eine sehr angenehme Eigenart, wenn sie so gar nicht schleimend, sondern vorallem registrierend gemeint ist.
schönes Wochenende, Uta
Grins…
„Tagsüber trinken sie Kaba und abends gelegentlich ein Pils.“
Der Satz trifft es gut!
Süßer Kaba und bitteres Pils.
Jaja.
Mit dem Pils dauert es hier wohl noch ein wenig, obwohl Radler schon interessant für den hiesigen Prinzen ist…
Liebe Uta, das hast du wieder schön geschrieben…
Sonnige Grüße!
Das hast du wirklich wieder klasse geschrieben und mit jedem Wort hast du so recht! Ich merke auch immer wieder wie viel ich noch lernen muss als Mama und das jeden Tag aufs Neue!
Viele liebe Grüße von Jenny
Obwohl meine Jungs noch klein sind, erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich angstvoll Tipps für Mütter pubertierender Teenager lese, um mich gegen das Schlimmste zu wappnen. Wie schön, dabei auch mal auf ein so positives Beispiel zu stoßen, und auf eine Erinnerung, dass sie sich eben doch nicht über Nacht entfremden. 🙂
Schönen Restsonntag,
Lena