Bei uns hat die Schule wieder angefangen. Neue Stundenpläne hängen in der Küche mit Spalten, die weit über die Blattmitte ragen. Prinzessin (12) hat zweimal pro Woche bis spätnachmittags Schule, Kronprinz (15) dreimal. Donnerstags ist er wegen der Bigband-Probe sogar von 8 bis 18 Uhr in dem roten Backsteinbau stadtauswärts.
„Darf ich vor dem Computer essen?“
Das ist die erste Frage, wenn sie heimkehren.
Vielleicht seid ihr jetzt geschockt, aber ja, gestern habe ich erlaubt, dass sich jeder gleich ins Zimmer verschanzte.
Prinzessin thronte mit Laptop und einer Schale Johannisbeeren in ihrem Bett.
Nebenan saß der Bruder im abgedunkelten Zimmer, die Füße in einer Schüssel mit kaltem Wasser, im Mund Garnelen-Curry vorm Vortag, der Blick starr auf dem Bildschirm.
Wieder unten trat ich auf die Terrasse. Die Sonne fingerte durch den Apfelbaum und sprenkelte die Kissen in der Hängematte, die niemand nutzt. An der Turnstange kein Kind, nur eine fette Spinne beim Schweinebaumeln.
Da könnte man den Blues kriegen. Den klassischen Eltern-Blues.
Warum tun sie nichts Sinnvolles? Frische Luft, Freunde treffen, Dosen kicken? Meinetwegen Freibad. „Ich fahr euch schnell.“
Da fiel mir ein, was Tanja und Jonny Haeusler in ihrem Buch „Netzgemüse. Aufzucht und Pflege der Generation Internet.“ schreiben:
„Als unser jüngster Sohn einmal nach der Schule Minecraft spielen wollte, schlugen wir vor, er möge doch stattdessen … nach draußen gehen, um mit den anderen Kindern Fußball zu spielen. Doch er antwortete sehr bestimmt: ‚Ich komme gerade aus der Schule. Ich habe den ganzen Tag mit vielen anderen Kindern und mit vielen Lehrern zu tun gehabt. Ich will jetzt einfach mal meine Ruhe haben und etwas alleine tun‘.“
„Sinnvoll“ und „Bildschirm“ – für viele Eltern geht das nicht zusammen. Vor Cybermobbing wird gewarnt, Video-Spiele als Killergames diskreditiert.
Aber ist sinnvoll nur das Spiel mit der Waldorfpuppe unterm Hortensienbusch?
Ist immer sinnvoll, was ich in meiner Freizeit tue?
Meine Kinder könnten klagen: „Mama ist wieder draußen und schneidet Rosen. Dabei hat sie immer noch Lücken bei der Computer-Nutzung. Neulich wusste sie nicht einmal, was ein Browser ist. Wenn sie sich nur täglich eine halbe Stunde hinsetzen und sich mit den Programmen befassen würde, könnte sie in ihrer Altersklasse mithalten. Aber nein, dazu hat sie nicht die Disziplin. Vielleicht sollten wir einen ‚Nerd‘ von unserer Schule fragen, ob er ihr Nachhilfe geben kann.“
Sich immer fröhlich einen frischen Blick dafür bewahren, was unsere Kinder tun und wie wir es bewerten
Uta
PS: Liebe Seifenfrau, danke für den Netzgemüse-Buchtipp!
Und wenn ein Einundviermonate alter Junge sich das alte Ipad schnappt, andrückt und Ballballball schreit? Tatsächlich diese Wischbewegung schafft und fragmichnichtwie das richtige Spiel findet?
Ach… ich kämpfe noch mit dem frischen Blick. Und erlaube dem Fastsechsjährigen Neuschüler aufrichtig, nach Schule und Hort zu „zocken“.
Liebe Grüsse!
Also, sehr kleinen Kindern gehört wirklich etwas anderes in die Hand gedrückt, aber später sollen sie doch den Umgang lernen, vor allem auch das Ausmachen. Wobei auch hier die Neurobiologie (allen voran M. Spitzer) sehr deutlich dagegen ist (auch ohne Waldis zu sein). Ich habe drei Mädchen, die daddeln sehr wenig, die elektronischen Medien werden fast ausschließlich zur Kommunikation genutzt (die Große schreibt seit Jahren mit einem Sportreporter in Neuseeland, neuerdings skypt man auch und verbessert sein Englisch) und Wissen wird rund um die Uhr rausgezogen. Immer schön die Vorteile nutzen und die Nachteile klein halten.
Liebe Lesende,
ich sag nur: Männer sind anders, Frauen auch!!! und das fängt schon früh an. Das Gros der Teenie-Mädels in meinem Bekanntenkreis chattet, und so manche ohne Unterlass. Für die Jungs ist das völlig uninteressant, da reizt das Spiel ( kämpfen, sich messen, …).
Letztens kam ich bei Bekannten vorbei, die zwei Mädels im Alter von 16 Jahren haben. Haben diese noch vor ein, zwei Jahren sich hauptsächlich mit Freundinnen getroffen, sich in ihr Zimmer verdrückt, dort gelacht, gegibbelt was das Zeug hielt, ..etc., sitzt die gleiche Mädelsclique heute zusammen und chattet, scypt, sendet SMS und das jede für sich ( toten Stille im Raum). LG Rite
Liebe Rite, klar, aber man muss gucken, was noch passiert. Wenn das nach z.B. einem langen Schultag stattfindet, dann ist das vielleicht die Art Entspannung, die dann gut tut. Ich sitze z.B. auch mit meiner Familie zusammen und chatte mit Leuten, die über die halbe Welt verteilt sind. In dem Moment könnte man auch meinen, was für ne Rabenmutter ich sei. Allerdings ließe das die Momente vor und nach meinem Chatten außer Acht.
LG
Susanne
…Mama ist wieder draussen und schneidet Rosen….*kicher*
Du hast Recht! Man muss es nur einmal aus anderer Sicht sehen.
Manchmal brauche auch ICH Ruhe und erlaube es deshalb. In Sachen PC bin ich gsd immer noch fitter als meine Kinder – aber wie lange noch?
Verschliessen kann man sich vor dieser Generation nicht, ich finde auch nicht, dass wir Eltern mithalten müssen/können/sollen.
LG Carmen , sinnvollerweise am Blog’s lesen
Liebe Uta,
wie wahr, wie wahr! Wenn Sohnemann(14 J.) nach Hause kommt (nie vor 14.00 Uhr, zweimal nach 16.00Uhr) ist sein erstes Bedürfnis „eine Pause“, für sich allein. Gerne schaut er sich dann ein Video an von Spielehandlungen anderer Mitstreiter, die genauso gerne Minecraft spielen wie er. Ich hab dann stets ein mulmiges Gefühl im Bauch und sehe zu, schleunigst das Mittagessen auf den Tisch zu bekommen ( oder doch vor den Computer > auch das hat sich hier eingeschlichen). Dann bin ich schon sehr frustiert und hadere damit, dass ich beruflich bedingt nie vor ihm zu Hause bin, das Essen nicht schon fertig ist, wenn er nach Hause kommt und es zwangsläufig eine Pause gibt, denn wer will schon ein hungriges Kind an den Schreibtisch jagen. Aber mal ehrlich, wenn ich dann aus seinem Zimmer sein lautes herzhaftes und langanhaltendes Lachen höre, wie er es noch nie lesend bei einem Buch hat hören lassen, fühl ich mich schon besser. Ist Lachen nicht gesund?!
Zudem die Alternativen sind rar. Einen Garten haben wir nicht, die Freunde wohnen min.6 km entfernt und spielen auf der Straße ist in Hamburg-Mitte auszuschließen. Kinder in seinem Alter sind hier nicht unterwegs. Das, woran wir stets arbeiten ist einen definierten Zeitpunkt zu finden, wann die Pause zu Ende ist. Stress ist vorprogrammiert, wenn Mutter im Hintergrund sich meldet und kurzfristig das Ende einläuten will (Sohnemann würde es als meckern definieren). Bewährt hat sich eine mit ihm abgestimmte Uhrzeit (vermeintlich von ihm allein bestimmte Zeit)und den Wecker (ganz wichtig!!) das Ende einläuten lassen.
Übrigens hat er selbst beschlossen, dass er während der Woche nicht am PC spielt (gespielt wird ausschließlich am Wochende und zwar Minecraft gemeinsam per Scype mit Freunden, also durchaus kommunikativ, als hätt ich die Wohnung voller Teenies. Welch Schreck, als ich beim ersten Mal entdeckte, die können mich und das Chaos im mal wieder nicht aufgeräumten Zimmer alle sehen!!Medientechnisch gesehen leb ich manchmal schon hinter dem Mond.
Liebe Uta, schön zu hören, dass es anderen nicht besser geht, Danke!
Sorry, habe vergessen meinen Namen drunter zu schreiben!
Also: Liebe Grüße Rite
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Liebe Uta,
Ja, ich habe dieses Buch zwar gelesen, aber deine oben beschreibene Szene mit dem Jüngling am pc und dem ausgestorbenen Garten mit dem Trampolin und überhaupt, kenne ich nur zu gut. Und dieses Gefühl, dass der junge Mann sich bitte mehr „unterm Holunderbusch“ aufhalten soll.
Wir haben also auch hier so unsere …Spannungsmomente.
Aber andererseits verteidige ich dann wieder vor anderen (strengeren) Müttern den Umgang mit den Möglichkeiten im pc.
Ja, man ist schon hin- und hergerissen, habe das Gefühl, das Thema gibt noch viel her!
Der Sohn ist natürlich auch raffiniert, und versucht mir Dinge zu zeigen („Das musst du auch mal spielen, Mutter“, „Ich zeig dir mal was“ etc) und versucht es diplomatisch-charmant.
Ach, eigentlich habe ich schon das Gefühl, dass er ganz gut geraten ist, auch mit vielen pc-Spielen und Skype und so.
Es IST eine andere Generation.
Ich empfehle diese Buch wirklich!
…und immer schön im Gespräch bleiben, gell?
Liebe Grüße!
Hallo!
Puh, ein schweres Thema – schwer, weil immer viel reininterpretiert wird, von Leute, die keine Ahnung haben, aber auch, weil viele es zu locker nehmen.
Unser 6jähriger darf, wenn er sein Zimmer aufgeräumt hat eine halbe Stunde einmal die Woche am Ipad spielen. Häufig vergisst er es auch und ich werde ihm nicht hinterher rennen. Ich denke ein gesteuerter Umgang ist in Ordnung, aber sollte viel, viel weniger Zeit einnehmen als alles andere. Für größere Kids kann ich es noch nicht abschätzen. Ich finde die Gefahr, dass die Kids wirklich dem PC verfallen ist schon gegeben -aber sicher auch eine persönlichkeitsabhängige Sache. Ich war immer sehr immun gegen PCspiele. Keines konnte mich länger fesseln.
Als ich mit 20 den „Sims“(quasi Puppenhausspielen für Große mit Häuser bauen) über den Weg gelaufen bin, war ich oft über Stunden und Tage davor gesessen. Allerdings halt nur, wenn ich nichts zu tun hatte und nicht arbeiten musste, das habe ich immer strikt getrennt, Wochentags wenn ich gearbeitet habe auch nicht gespielt.
Manchmal wollte ich dann auch nicht irgendwohin weggehen und fand mich selber ein bisschen süchtig. Heute (wenn ich mal Zeit und Lust habe und das Spiel wieder starte) finde ich es nur noch nervig, denn es frisst meine Zeit, die ich nicht habe und ich habe festgestellt, dass mich die sich ständig wiederholenden Spielabläufe und das lange Spielen nerven und hibbelig machen. Am Ende bin unzufrieden, weil ich in der realen Welt nichts geschafft habe und einiges liegen geblieben ist – und seis nur die abendliche Bügelwäsche.
Ich glaube nicht, dass PCspiele Menschen verrohen, wenn sie ein gewisses Alter haben, aber ich glaube, dass reale Erfahrungen und Erinnerungen bleibender und schöner sind – trotzdem, bei dem Schund im TV kann ich gut verstehen, wenn jemand abends mal zockt – der Zeitfaktor ist für mich das alles entscheidende: Wie lange und wie intensiv spielt jemand?
Liebe Grüße LOLO
Liebe Uta,
oh ja sehr schwierig. Ich persönlich lebe da etwas hinterm Mond. Grad erst ein Smartphone, kein Facebook, kein Interesse daran. Meine Tochter allerdings – zwei Jahre und vier Monate- liebt schon lange unsere bzw Papas Handy. Sie schiebt ganz selbstverständlich den ‚entsperren-Balken‘ zur Seite und legt los. Fotos angucken, mal Musik hören. Mit Papa zusammen spielt sie gerne Rubbel-Los oder Hunderennen auf dem iPad. Mit ihrem eigenen (Spiel-)Handy schreibt sie gerne (oder tut halt so) Emails an Opa oder auch mal an ihre Puppe. Und solange sie leidenschaftlich gerne echte Stifte, Autos, Puppen, Bücher (seeeehr wichtig für mich) in die Hand nimmt oder turnt, tobt und tanzt – solange ist es ok für mich. Die Zukunft macht mir allerdings etwas Angst. Aber wer weiß, was bis dahin noch so passiert. Das Buch merke ich mir aber schon mal vor 😉
LG Dorthe (fast vergessen: meine kleine Pause während die Kleine Mittagsschlaf macht, nutze ich auch gern am IPad – obwohl ich genügend anderes zu hätte …)
ich möchte gerne ein kleines bisschen DU sein!
LG
Claudi