Für die eigenen Grenzen eintreten, ohne das Kind zu entwerten

Wenn ich etwas mit diesem Blog erreichen möchte, dann

  • dass eure und meine Kinder mit dem Gefühl aufwachsen, sie sind richtig, genau so wie sie sind
  • dass wir zusammen, ihr, meine lieben Leser, und ich, jeden Tag in dem Wissen leben, dass an unserer Person nichts hinzugefügt oder verändert werden muss, um bis in jede Pore liebenswert zu sein
  • dass wir erkennen, wo wir selber dieses „Du-bist-nicht-gut-genug“-Gift in unsere Kinder träufeln, weitergegeben von Generation zu Generation
Mal wieder der dänische Familientherapeut Jesper Juul zu dem Thema:

„Das Fundament des Selbstgefühls lässt sich vielleicht am besten beschreiben, wenn man an das Erlebnis frisch gebackener Eltern denkt, die zum ersten Mal ihr schlafendes Baby betrachten. Sie sind durchdrungen von dem Gefühl, dass dieser neue Mensch, allein durch seine Existenz, etwas Wunderbares und Wertvolles ist. Die meisten Eltern bewahren sich dieses Gefühl einige Wochen lang, bevor sie sich bemüßigt fühlen, in dieses Werk der Schöpfung ‚korrigierend‘ einzugreifen.“ (Jesper Juul: Dein kompetentes Kind. Hamburg 2010, S. 98)

Ja, sollen wir denn gar nicht eingreifen?
Kinder – so heißt es doch immer – brauchen Grenzen. Stimmt das denn nicht?
Ich behaupte: Menschen brauchen Regeln, weil ihre unterschiedlichen Bedürfnisse im Zusammenleben in Konflikt geraten. Das Ganze funktioniert besser, wenn große wie kleine Menschen lernen, sich an Regeln zu halten.
Dass aber Kinder im Besonderen Grenzen brauchen, ist eine Theorie aus dem Giftschrank.
Prinzessin (12) kam am Freitagabend vom Hip-Hop zurück, holte ein knappes Kilo Süßigkeiten aus dem Schrank (vom Taschengeld selbst gekauft), knallte sich damit auf das Sofa, um eine Aufzeichnung von „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ zu sehen. Als sie die Beine übereinander schlug, sah ich, dass sie Waden und Oberschenkel mit Sprüchen beschriftet hatte.
In meinem Inneren führte ich folgende Diskussion mit mir selber:

„Wie furchtbar, das ist ja das komplette Trash-Programm: geistloses Fernsehen, Süßkram und Kugelschreiber-Hautverunreinigung. Kann sie sich nicht mit Oma und Opa unterhalten, die gerade zu Besuch sind?“-

„Komm, Uta, reiße dich zusammen. Sie ist gerade erst nach Hause gekommen. Willst du zur Begrüßung gleich an ihr herummeckern?“ –

 „Ja, aber ich muss dem Kind doch Werte vermitteln, erklären, dass Kugelschreiber-Tatoos nicht gut sind für die Haut, dass man den Großeltern Respekt zollt, dass GZSZ was für Gehirnamputierte ist, dass … –

„Uta, entspanne dich. Sie weiß diese Dinge selber, möchte sich jetzt aber ein wenig ausruhen. Das ist nicht der Untergang des Abendlandes. Nur weil sie Trash futtert oder guckt, wird sie nicht selber zum Trash.“

Schließlich handelte ich mit ihr aus, dass sie nach 20 Minuten den Fernseher ausschaltete, weil ich es nicht mag, bei der Arbeit in der Küche die Zickendialoge aus dem Fernseher anhören zu müssen. Außerdem bat ich sie, keine weiteren Süßigkeiten zu essen, weil es mich ärgert, wenn ich mir Mühe gebe, ein gesundes Abendbrot zu machen, und sie schon satt ist von der Tüte Weingummi.
Hier haben wir also wieder unsere Frau Mustermann, die für ihre eigenen Grenzen eintritt, statt das Kind abzuwerten und ihm irgendwelche künstlichen Grenzen zu setzen (weil Fernsehen schädlich ist, Zucker die Zähne angreift …)
Das Kind zeigte sich kooperativ (vielleicht wegen dem fetten „PEACE“ auf dem Oberschenkel).
Oma und Opa zeigten sich auch kooperativ (sogar ohne Tatoos auf den Oberschenkeln) und spielten Rommé mit dem Kind.
Und mir ist klar geworden, was die wichtigste Forschungsfrage dieses Blogs ist:

Wie kommen so viele kleine Menschen, die am Anfang ihres Lebens keine Frage dazu hatten, ob sie ausreichend sind, im Laufe ihres Großwerdens dazu, immer mehr zu denken: 
„Ich bin nicht gut genug“ und wie können wir Eltern vermeiden, dass dieser Gedanke sich in ihrem Kopf festsetzt?

Immer schön fröhlich dich selbst und dein Kind „gut genug“ finden
Uta

  • Habe eine Theorie, die mir aber nur bitter schmeckt: Ich war/bin bemüht, diesen Zustand zu halten und verfahre auch mit den Freunden meiner Kinder so. Viele mag ich, einige liebe ich sehr, sehr wenige sagen mir so rein vom Gefühl her nicht so zu. Unabhängig, was sie anstellen, oder nicht können, ob ihr Benehmen dem entspricht, was bei uns üblich ist usw. Aber krankes, 16 jähriges Tochterkind hat es auf den Punkt gebracht: Die Gesellschaft (sie sagte, die anderen) erwartet Perfektion, Hochleistung, egal, wie der Mensch „drauf“ ist. Die „EierlegendeWollmilchsau“. Hier definieren sich tatsächlich viele Eltern über die Leistung ihrer Kinder und eine zweite Gruppe -noch schlimmer- schimpft ständig über die Jugendlichen und stellt sie als unfähig und dumm dar, um gleichzeitig selber als klug und ausgefuchst daher zu kommen. Da ist es wieder, das afrikanische Sprichwort, dass es zum Erziehen eines Kindes ein ganzes Dorf braucht.“

  • Wie wahr und wie schwer!
    Komischerweise fällt es mir beim Mädchen leichter es „anzunehmen“, als bei den Jungs (den Grossen, der Kleine hat ja noch Welpenschutz….)
    Deine Reaktion ist sehr cool, ich habe Probleme mit dem Lockerbleiben, vor allem was digitale Medien und ihren Amliebstendauergebrauch betrifft (…)
    Einiges ist aber auch horizonterweiternd.
    So kann ich dem Musikgeschmack meiner Kinder nicht viel abgewinnen (Dieses Charts-Radio….uuuah!) Habe ein paar mal blöde Sprüche gemacht, ich gebe es zu.
    Dennoch ist es inzwischen im Auto eingespeichert und ich ertappe mich dabei, wie ich es weiterlaufen lasse, wenn eigentlich kein Kind mehr im Auto ist, mitwippe und mich, psssssst !, voll cool und, örgs…, jung fühle.
    Ich kenne mich richtig gut aus inzwischen und wir können „fachsimpeln“.
    Ich mag diese Zeit, in der sie gross werden, die Kinder.
    Liebe Grüsse!
    Und Danke für deine angebotenen Scheiben, von denen ich mir immer wieder gerne eine abschneide!

  • Oh Uta,
    ich habe noch keine Theorie dazu gefunden – ich stecke ja so tief drinnen in diesem „du-bist-nicht-genug“-Sumpf. Und ich habe schreckliche Angst davor, dass meine Tochter auch hineingezogen wird – von mir. Denn, wie Du mir ja mal geschrieben hast, muss ich aufpassen, ihr nicht einen Stempel aufzudrücken.
    Versteht das jemand? Naja, Du weißt ja worum es mir hier grad geht. Deine drei Punkte oben sind genau das, warum ich Dein Blog so sehr schätze. Und Deine Frage am Ende des Postings ist so sehr meine. Und ich hoffe, dass ich die für mich und meine Familie passendste Antwort finde. Vielleicht ja hier?
    Liebe sehr gerührte Grüße von Dorthe

  • Ich bin hin und hergerissen,warum es falsch sein soll,für das Wohl des Kindes den Zuckerkonsum zu erwähnen,ist das tatsächlich Herumgemecker an der Person oder auch Fürsorge und Verantwortung.Macht man da soviel kaputt? Ich hoffe nicht…
    Ich versuche ebenso wie Du ,vieles in Ich-Botschaften zu formulieren,weil es ja meist keine Gesetze sind sondern meine Grenzen,Sorgen,ähnliches halt.Jedoch versuche ich auch immer häufiger meine Kinder zu fragen,wie kommen wir zueinander,so dass es für alle passt.Das klappt ganz gut.Nur bei meiner 3.Jährigen ist mir dann aufgefallen,dass ich sie echt überfordere und ganz ehrlich ,nach der dritten,fetten Erkältung hätte selbst Herr Juul gesagt,jetzt ziehst du die Jacke an,egal ob dir nach T-Shirt ist!
    Du schreibst sehr bildhaft,das gefällt mir und ich kann Einiges in meinen Alltag hier mitnehmen und ausprobieren.Dankeschön! Silke Schmidt

  • Vielen Dank für die regelmäßigen Denkanstöße, die so auf Augenhöhe kommen, dass ich sie mir echt gerne anhöre! Meine Jungs sind zwar erst drei und eins, aber vielleicht hilft das Lesen hier, ein paar Mal mehr locker zu bleiben.
    Danke! Esther

  • Das war wieder ein toller Post!
    Ich beneide Dich darum, die innere Diskussion zu Ende laufen zu lassen, bevor Du in den Dialog mit Deinen Kindern gehst. Diese Fähigkeit fehlt mir leider, stattdessen immer das Herz auf der Zunge und dabei manchmal auch „Porzellan zerschlagen“, d.h. Kinder o. Mann klein machen. Wie, wo, wann lernt man/ich diese Fähigkeit oder sind wir Menschen so verschieden?
    m. (ganz klein)

  • Hallo Uta,
    Mensch, so viel Geistesarbeit am frühen Morgen. Dabei wollte ich nur ganz entspannt bei meiner heiligen Tasse Kaffee mal durch die Blogs stöbern.
    Ich denke, es ist ein Ding der Unmöglichkeit, seine Kinder ganz ohne negative Gefühle über sich selbst aufwachsen zu lassen, denn wir alle haben ja auch eine Vergangenheit und die Natur sieht es nun mal vor, dass wir alles lebenswichtige durch Nachahmung (und nicht etwa in einer Schule oder in Fortbildungen oder durch Bücher von Jesper Juul)lernen. Unsere schwierige Aufgabe ist es nun zu reflektieren und umzulernen (und in diesen Prozess u.a. Jesper Juuls Gedanken mit einfließen zu lassen). Einige Verhaltensweisen sind sicher auch so tief verankert, dass wir sie nie wirklich ablegen können.
    Aber genauso wie wir von unseren Eltern gelernt haben, lernen unsere Kinder nun auch von uns. Und wenn ich am Abend ausflippe, weil diese Woche schon das 3. Glas mit Saft zu Boden gefallen ist und schon das 3. Abendbrot in dieser Woche durch Scherbensammeln und Wischen versaut wurde, kommt in den Kindern sicherlich ein Schamgefühl auf aber sie sehen auch, dass ihre Mutter Grenzen und Gefühle hat. Ich denke, das ist ebenso wichtig.
    Ich frage mich nur immer, ob es nach solchen Situationen tatsächlich richtig ist, sich tausendfach dafür bei den Kindern zu entschuldigen. Einerseits will man ihnen damit zwar die Schuld nehmen, andererseits kommt doch dabei auch unser Gefühl, keine gute Mutter zu sein, also sich selbst nicht als gut genug zu erleben, zum Ausdruck. Und das lernen ja die Kinder dann auch und übernehmen es für eigenes Leben. Ich finde, dass das eine große Schwierigkeit darstellt.
    Viele Grüße!
    Jenny

  • Liebe Uta,
    ich lese Dein Blog seit ungefähr sechs Monaten und freu mch über jeden Post! Ich liebe Dein Blog und werde ihn jetzt endlich mal bei mir verlinken!
    Bislang bist Du der einzige Erziehungsratgeber, den ich lese 😉 Wenn ich mich nun auch mal mit Jesper Juul beschäftigen möchte- welches Buch würdest Du mir als „meinen 1. Juul“ empfehlen?
    Meine Eltern haben mir übrigens nie das Gefühl gegeben, in irgendeiner Form nicht gut genug zu sein. Sie haben mir immer vertraut und ich hoffe, das schaffe ich bei meinen Söhnen auch. Leider müssen sie aber eines Tages in die Schule und spätestens da werden sie sich wohl kaum noch Leistungsdruck und Vergleichen Ähnlichem entziehen können. Ich hoffe einfach, dass ich sie bis dahin mit so viel Selbstbewußtsein vollgepumpt habe, dass es ihnen nichts anhaben wird!
    LG Mama Mia

    • Liebe Mia, ich würde einsteigen mit „Dein kompetentes Kind. Auf dem Weg zu einer neuen Wertgrundlage für die ganze Familie. 3. Auflg., Hamburg 2010. Als Einstieg ist auch „Aus Erziehung wird Beziehung“, Freiburg im Breisgau, 8. Auflg. 2010, gut.

      Danke für Deinen Kommentar und das dicke Lob!

      Herzlichst
      Uta

  • Oh… interessante Sache!! Bin gerade über die wert-volle Sonja dazu gestoßen…

    Kinder zu selbstbewussten und selbständigen Menschen zu erziehen, die in der Gesellschaft klar kommen und ihren Platz finden, empfinde ich als eine der schwierigsten Aufgaben überhaupt.

    Das mit den Grenzen und Regeln erkläre ich mir so: Da, wo eine Regel beginnt, ist möglicherweise ja für irgendwen irgendeine Grenze erreicht??

    Ich hab’s auch eher mit den Regeln als mit den Grenzen, denn die Grenzen müssen die Kinder ja dann schon mal selber herausfinden. Wie weit kann ich gehen? Was kann ich noch schaffen? Wo finde ich noch etwas Interessantes zum Ausprobieren? Wenn wir sie dabei be-grenzen, werden sie das nicht letztendlich für sich herausfinden. Wenn sie lernen, ihre persönlichen Grenzen innerhalb der gesetzten Regeln zu finden, ist das m.E. eine gute Sache. (das ist vielleicht ein bisschen waldorfmäßig jetzt…)
    So nach dem Motto: „Die eigene Freiheit endet da, wo die Freiheit des anderen beginnt.“ Das hast du mit deiner Hip-Hop-Prinzessin doch super hinbekommen in der beschriebenen Situation.

    Natürlich sollen wir unsere Kinder erziehen, und dazu gehört es m.E. ganz klar, ihnen Dinge aufzuzeigen, die nicht in Ordnung sind. Würden meine Mädels den ganzen Tag über vor dem Fernseher hocken und Süßkram in sich hineinstopfen, würde ich natürlich zusehen, dass ich das unterbinde, weil ich weiß, dass das schädlich ist und sie es einfach nur cool finden gerade. Die Frage ist nur: Wie? Sage ich ihnen: „Jetzt macht die blöde Kiste aus und futtert nicht so viel Süßes, ihr werdet sonst noch fetter und verblödet total!“ oder kann ich mein Anliegen so formulieren, dass sie sich nicht kleingemacht fühlen?

    Momentan haben wir einen 6jährigen Renitentling hier unter uns. Der reagiert super auf die Frage „Hm…. hältst du das jetzt echt für schlau, was du da gerade tust??“ Er will nämlich gerne schlau sein. Und dann denkt er kurz nach und ihm fällt selber auf, was jetzt gerade nicht so dolle war. Oder er kommt nicht drauf und antwortet „Ähm… eigentlich schon. Du nicht?“ Dann kann ich’s ihm kurz erklären. Idealfall, finde ich. Die beiden älteren Mädels hätten auf diese Frage locker grinsend mit „Ja klar!“ geantwortet, die waren da nicht so leicht zu packen. Und während die Mittlere noch mit Sätzen wie „Das finde ich jetzt nicht in Ordnung, weil….“ oder „Ich möchte, dass du….“ zur Umkehr zu bewegen war, war die Große schon immer ein ganz anderes Kaliber. Die musste wirklich ihre Grenzen austesten und darüber hinweggehen, bevor sie irgend einen Handlungsbedarf ihrerseits sah. Manchmal muss sie das mit ihren 19 Jahren noch immer. Diese Sorte finde ich persönlich am schwierigsten, weil ich nach langjährigen pädagogischen Fehlversuchen einsehen musste, dass sie wirklich ihren blöden Bockmist bauen muss, weil sie sonst nicht begreift, dass es ebensolcher ist. Und ich stehe daneben, weiß genau – das geht jetzt schief und kann nur zusehen. Und anschließend mit Kind wieder zusammenpuzzeln. *nerv* Mittlerweile wird es besser.
    Bei allen drei Varianten ist mir wichtig, Kritik so zu formulieren, dass sie wirklich die Sache bzw. das Verhalten trifft und nicht das Kind: „Was du da tust, finde ich total blöd“ – nicht „Du bist blöd“. „Es nervt mich tierisch, wenn du….“ anstatt „Du gehst mir auf die Nerven!“

    Und pädagogisch wertvoll kann ich auch nicht 24 Stunden am Tag sein. Genau so wenig, wie meine Kinder nicht 24 Stunden am Tag absolut goldig in der Spur laufen müssen.

    Die erste Kommentatorin schrieb, viel von dem „nicht gut genug“ sei dem allgemeinen Leistungswahn zuzuschreiben. Da ist ganz viel Wahres dran, denke ich. Böse Stolperfalle – besonders wenn man Schulkinder begleitet.
    Je nach Kindercharakter ist da echt ganz viel Ausgleichsliebe und Aufbauarbeit nötig, wenn’s halt nicht sooooo dolle läuft in der Bildungsanstalt.

    Hier senfte das
    LandEi

  • Hallo,

    vor Kurzem habe ich eine Veranstaltung von Jan Uwe Rogge übers Internet geschaut und weis du was am meisten hängen geblieben ist? Ich kann das nicht so wie er und ich weis auch nicht mehr genau wie er draufkam, aber so unterm Strich wars in Etwa so, dass manche Eltern so viel nachdenken würden und so pädagogisch wertvoll wären, dass es schon zum Fürchten wäre. Jep – ich bin auch so Eine. Manchmal finde ich mich pädagogisch wertvoll, merke, wie ich auf Augenhöhe gehe, etc. – manchmal sehe ich meinen Sohn (6,5) an und er guckt mich so komisch an, mit Fragezeichen in den Augen.*lach Wenn ich dann noch sage:“Jetzt wiederhole das bitte nochmal!“ muss ich mich fast schon für mich schämen.*g Nein, nicht, weil es nicht richtig ist, aber bin ich das – immer? Nein, bin ich nicht. Ich versuche mich lockerer zu machen, wenn ich das merke. Er hört mich auch sprechen, wenn ich ihn normal anspreche und wir kommen so klar.

    Aber das mit dem Mecker, runtermachen – ja, da muss ich auch dran arbeiten. Es gibt Tage, da gehts ja besser und Tage an denen läufts nicht so. Ich versuche strikt eins besser als meine Eltern zu machen, nämlich keine rigorosen Tabus. Meine Süßigkeiten wurden strikt reglementiert, mein Fernsehkonsum auch – und leben wir Erwachsenen so? Ich finde das lebensfremd. In meiner ersten Wohnung war keiner, der sowas für mich geregelt hat.*lach Aber mal ehrlich, das ist keine gute Vorbereitung für später und deshalb mag ich Eltern dieser Sorte nicht so gerne um mich herum (sind sie wie ansteckende Krankheiten, ich fühle mich dann auch so, als ob ich so werden müsste in ihrer Gegenwart – klar ist eigentlich meien Schuld, wenn ich mich da anpasse, aber es passiert mir eben).
    Ich finde auch, dass du das mit deiner Tochter super hinbekommen hast. Ich weis nicht, wie ich in der Pubertät auf meine Kinder zu sprechen sein werde und wies überhaupt laufen wird, aber ich hoffe sehr, dass wir auch so miteinander reden können und weiter daran arbeiten werden alles nicht immer überzubewerten.

    Ich habe mir bisher ab und an Mühe gegeben meinen Sohn besonders aufzubauen (ich kann jetzt nicht immer schreiben, das wäre gelogen) und weist du, was mir manchmal meine Mühen zerstört? Er und sein Freund. Mein Sohn selbst vergleicht sich viel mit anderen und als er gemerkt hat, dass er nicht so gut malen kann, hat ers sein lassen. Ab und an hat er mal ganz gerne gemalt, zur Zeit kommt aber immer wieder „er könne das nicht so gut wie x“ – ich rede, ich male mit ihm (ich finds gut, aber er weis, x ist besser). Noch schlimmer, X sagt sowas auch noch und die Bande um X hat X fest im Griff – Hackordnung unter Jungs pur und das ist glaube ich recht hart. Mir tut er leid, wenn er sich immer an X Fersen heftet, weil er sagt, der wäre der Anführer – er will dabei sein, hat aber nicht das Gefühl wirklich akzeptiert zu werden. Da habe ich das Gefühl an Grenzen zu stoßen. Ich hoffe ihm eines Tages vermittelt zu haben, dass es auch falsche Freunde gibt – aber das muss er wohl selber erfahren ums wirklich zu verstehen – reden kann ich, bringt aber nichts.

    Das Leben kann schön sein!

    Vielen Dank für deinen neuerlichen Denkanstoß! Liebe Grüße an Dich und deine Kinder LOLO

  • Liebe Uta,

    auch ich bin über die liebe Sonja an deinen Blog gekommen. Ich hoffe, es ist o.k., wenn ich dich bei mir verlinke, damit ich dich wiederfinde und bei dir weiterlesen kann.

    LG
    Evelyn

  • Liebe Uta,

    ein sehr gelungener und, wie immer, lesenswerter Post. Und ein heikles Thema.

    Meine Herzbuben (2 und 4) bekommen leider auch immer mal wieder unangemesene Reaktionen von mir. Mir fehlt momentan noch die Fähigkeit, das Bewusstsein in „schwierigen“ Momenten meinen inneren Dialog zuende zu führen. Mir die Zeit zu nehmen, um zu erkennen, was Herzbube gerade aus welchem Grund macht. Und dann entsprechend auf ihn einzugehen.
    Mein kleiner Herzbube stellt mich (noch) nicht vor solche mütterlichen Herausforderungen. Großer Herzbube hingegen hat eine sehr eigene Sicht auf Dinge, sehr kreative Ideen, eigene Strukturen und Ordnungen im Kopf, ist weit entfernt davon, sich mit Spielzeug oder den „üblichen“ Interessen zu beschäftigen. Er ist ganz speziell, er ist ganz besonders, aber das fordert mich ungemein. Manchmal habe ich wirklich das Gefühl, ich verstehe ihn nicht. Ich kann ihn schlecht lassen. Das tut mir so leid. Besonders, weil es mir der kleine Herzbube so einfach macht und er über den Tag auch ganz andere Reaktionen von mir bekommt als der Große.

    Ich habe aber das Gefühl, dass deine Posts mich leiten und mich auf den richtigen Weg bringen. Zu einem besseren Verständnis, zu einem bedachteren Umgang mit des Großen Handeln, zum Genießen der wertvollen Zeit. Und zum Stärken. Zum Lieben. Zum Annehmen.

    Meine Eltern haben uns immer vertraut, nicht kontrolliert, nicht gemaßregelt, nicht spioniert. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar, sie haben für mich Vieles so richtig gemacht. Ich hoffe, dass ich das bei meinen Kindern auch kann. Sie sein lassen. Gut sein lassen. So wie sie sind.

    Ach, was freue ich mich immer, wenn ein neuer Post erschienen ist!

    Frieda

  • … mich beschleicht ein wenig das Gefühl, dass wir Eltern viel zu oft meinen, wir müssten tatsächlich sowas wie „pädagogisch wertvoll“ sein. Und weil wir das natürlich nicht immer sein können, weil auch wir gute und schlechte und auch mal sauschlechte Tage haben (dürfen!), haben wir sofort wieder das Gefühl: Ups… ich bin da (noch) nicht gut genug.
    Richtig so! Denn welches Kind fühlt sich eigentlich gut mit „perfekten“ Eltern, die immer alles im Griff haben und andauernd pädagogisch wertvoll handeln?? Solche, die immer mit liebevollem Lächeln und warmer, weicher Stimme zu ihren Sprößlingen reden, selbstverständlich auch zu jeder Gelegenheit eine angemessene und pädagogisch sinnvolle Reaktion zeigen… puh, mir wird ja schon beim Schreiben ganz anders. DANN hätte ich als Kind in der Tat das Gefühl, nicht o.k. zu sein, denn irgendwas muss ja wohl dann mit mir nicht stimmen, wenn ich diese Robotereltern nie aus der Reserve locken kann….
    😉
    Vielleicht sollten wir uns dann und wann mal fragen, welche Erwartungen wir da eigentlich gerade bedienen. Und welche wir selber haben. Und welchen bitteschön unsere Kinder entsprechen sollen…
    Vielleicht geht das dann besser, wenn wir nicht zu viele Erwartungen an uns und unseren Nachwuchs haben?

    Echt, das Thema finde ich soooo spannend, da denke ich jetzt schon die ganze Zeit drüber nach.

    Ich hab übrigens noch nie einen „Erziehungsratgeber“ gelesen, nur mal so auf dem Buchrücken … und da hab ich mich schon schlecht gefühlt… Allerdings habe ich ganze drei Bücher (alle von einer Autorin) verschlungen zum Thema „warum Pflegekinder oft so schräg drauf sind“, die haben mir wirklich geholfen. Nicht, weil da so gute Tipps zum Erziehen dieser vom Leben belasteten kleinen Wesen dringestanden hätten, sondern weil sie so gut erklärt haben, warum diese Kinder so ticken wie sie ticken.
    Ein „normales“ Kind war ich selber, da kann ich mich eigentlich noch recht gut erinnern, wie das so geht. 😉 Diese anderen, schlimmen Erfahrungen sind mir zum Glück erspart geblieben, deshalb musste ich das nochmal gründlich nachlesen.

    Ja, und seit ich Kinder betreue, die eben diese schlimmen Erfahrungen machen mussten, sehe ich ganz vieles ganz anders. Seit dem muss ich nicht mehr dauernd pädagogisch super sein. Das hilft im Alltag mit schrägen Vögeln und normalen Kindern, ährlich!!

    Pädagogisch wertfreie Grüße vom
    LandEi

  • Toller Post. Ich empfinde diese Gratwanderung in der Erziehung auch immer wieder sehr schwierig. Auch deswegen, weil wahrscheinlich die meisten von uns – ich auch – mit diesem „tu das nicht“, „mach jenes“, „das tut man nicht“ aufgewachsen sind. Und wenn wir fast ein Viertel unseres Lebens so geprägt worden sind, ist es schwierig, es anders zu machen.

    Da hilft immer nur wieder Reflektieren, Reflektieren, Reflektieren und das Mantra „ich muss und kann keine perfekte Mutter sein“. Das finde ich, gibt einem die Gelassenheit in solchen Situationen, wie oben beschrieben.

    Und in puncto Grenzen hat mir auch mein erster Juul („Nein aus Liebe“) die Augen geöffnet: Ich setze meinem Kind keine Grenzen, sondern zeige dem Kind MEINE Grenzen.

    Lieben Gruß
    Birgit

  • Liebe Uta <3!

    Ich will in keine Diskussion einsteigen ;-), ich wollte nur sagen, dass ich den Satz:
    „dass Kugelschreiber-Tatoos nicht gut sind für die Haut…“ sooo lustig fand ;-)!

    LOL!!!
    Ich kenne kein Kind, welches sich nicht regelmäßig bemalt damit…. kicher…

    Ansonsten weißte eh bescheid… wenn die ganze Atmosphäre daheim entspannt und geladen mit Liebe ist, kann man alles sagen oder gar nichts.
    Kommt gar nicht so sehr darauf an – it’s all about energy ;-).

    <3 <3 <3

  • Ich bin eher die Lockermutter. Als mein Sohn klein war, hab ich auch versucht, ihn gesund zu ernähren, also nur Bio und kaum Zucker und so, und bereits im Kindergarten gab es ständig Kuchen (grrr….), da konnte man nichts gegen machen. Und so wurde ich nach und nach mit allem lockerer. Jetzt wird er Teenie und sitzt auch viel vor dem PC, aber wohin hat sich das entwickelt? Statt zu spielen erstellt er Grafiken uä., das finde ich gar nicht mal so schlecht. Und seitdem ich auch Süßkram lockerer sehe, isst er gar nicht mehr so viel davon. Als ich das rationiert habe, ist er zur Oma und hat sich damit vollgestopft.
    LG
    Anja

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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