Als Eltern muss man sich irgendwann für einen Weg entscheiden. Am besten den des Vertrauens.
Meine älteste Schwester hat mir einst ins Poesie-Album geschrieben:
„Sei, was du bist. Und was du bist, habe den Mut, ganz zu sein.“
Eine Sache durchziehen. Sich für eine Richtung entscheiden, Rückschläge aushalten, sich wieder berappeln und den Kurs halten, den man eingeschlagen hat.
Vieles, was da von Buntstift-Rosen umrankt in dem fleckigen Buch steht, hat keine Bedeutung mehr für mich, aber „der Mut, ganz zu sein“, der funkt mir von Zeit zu Zeit durch die Synapsen.
Man stelle sich eine Mutter vor (die Ähnlichkeit mit lebenden Bloggerinnen ist rein zufällig), die ihr Kind – nach außen hin locker und ungezwungen – ermuntert, mit ihr zusammen einen Lernplan für die bevorstehende Klassenarbeit zu erstellen. Gesagt, missmutig getan.
Tag 1: Freudlos werden ein paar Vokabeln ins Kurzzeitgedächtnis gestopft.
Tag 2: Keine Lern-Aktivität messbar.
Tag 3, letzter Tag vor der Arbeit: Am Abend wird ein Übungszettel bearbeitet. Ob später noch ein Lern-Endspurt stattfand, kann die Mutter nicht beurteilen, weil sie mit einer Freundin verabredet war.
Hätte ich mehr Druck machen sollen? Werden hier Chancen verspielt? Man hört doch immer wieder, dass Heranwachsende Struktur brauchen.
Ein Freund des Kronprinzen war ein Jahr auf einem Internat im angelsächsischen Ausland. Dort gab es nach Schule und Sport eine sogenannte „Preparation-Time“. Alle Schüler saßen in einem Raum und mussten sich unter Aufsicht für den nächsten Tag vorbereiten. Kein Computer, kein Handy, keine Ablenkungen.
„Oh, das will ich auch haben!“, seufzte Prinzessin (14), als hätte man ihr von einem Reitausflug am Strand erzählt und nicht von schulischem Drill.
„Das kann ich dir auch bieten.“
„Ach, Mama, das ist doch nicht das Gleiche.“
Ich bin nicht die angelsächsische Internatslehrerin mit Zimmerchen auf dem Campus, festem Gehalt und einem jahrhundertealtem Schul-Reglement im Rücken.
Ich bin eine Mutter aus einer Elterngeneration, „die als erste überhaupt versucht, ihre Elternrolle von innen heraus zu entwickeln, …, weil es keinen kulturellen und sachlich begründeten Konsens mehr gibt, auf den sie zurückgreifen kann.“ (Jesper Juul: Nein aus Liebe. München 2006, Seite 14)
Mein Konsens mit mir selber ist:
- Nähe statt Kontrolle
- Begeisterung für Bildung statt Druck für bessere Noten
- Fleiß und Hingabe vorleben, nicht einfordern
- Unterstützung anbieten, statt Hilfe aufzudrängen
- viel schöne Zeit mit den Kindern verbringen, statt ein verlängerter Arm der Schule zu sein
- im Jetzt leben, statt immer ängstlich in ihre Zukunft zu schauen … (Wahrscheinlich ist eine solch gute Zeit als Kind ein viel größeres Kapital für die Zukunft als alles andere.)
Ich war schon mehrfach in Situationen, in denen ich dachte, jetzt muss ich doch mehr eingreifen, kontrollieren, ein Machtwort sprechen … und wenn ich noch ein bisschen länger aushielt, passierte meistens etwas, das es überflüssig machte.
Vertrauen kann man nur ganz oder gar nicht.
Immer fröhlich den Mut dazu haben.
Eure Uta
Den Kindern vertrauen muss man sicherlich ganz, weil es ansonsten kein Vertrauen ist, aber das muss man auch erst mal können. Der Weg es zu lernen ist hart, wenn man es selbst nie erfahren und geschenkt bekam und eigenes Vertrauen herb enttäuscht wurde. Ich glaube, es braucht verdammt viel Resilienz und vor allem erlebtes und bestätigtes Vertrauen in der eigenen Kindheit, dem eigenen bereits zurückgelegten Lebensweg, damit man es schafft, auch den eigenen Kindern vollumfänglich vertrauen, dass sie das schon machen werden.
Harter Lernprozess. Ich mag den Begriff „nicht der verlängerte Arm der Schule sein“.
Im übrigen ist das Vorleben zuhause leider nicht alleine die Saat, die aufgeht – wo Freunde und Mitschüler sich damit brüsten, wie sie ihre Eltern austricksen und hintergehen, da scheint das zum Schulsport zu werden, der ansteckend wirkt…
Herzlich, Katja
Das mit der Schule… naja. Ich glaube, es kommt nicht nur auf Vertrauen an, dass sich schon alles an die richtige Stelle zappelt und schaukelt. Es kommt auch auf das Kind an. Es gibt Kinder, die interessieren sich nicht für Matheaufgaben, die finden es lästig, Lernwörter und Vokabeln zu pauken und auch nur einen Strich mehr zu tun, als unbedingt erforderlich. Da können die Eltern noch so viel „Ehrgeiz“ und Freude am Wissen vorleben. Da schickt das Kind der Lehrerin aus dem Urlaub eine unbeschriebne Karte, denn „in den Ferien schreib ich nichts“. Diese Kinder können durchaus mit viel Grips und Auffassungsgabe, teilweise auch erstaunlicher Ausdauer gesegnet sein – nur eben nicht für schulische Dinge. Da schaut die Mutter doch besser regelmäßig ins Hausaufgabenheft und besteht darauf, gemeinsam für den nächsten Test zu lernen. Denn freiwillig macht es dieses Kind gewiss nicht.
Und da wird im Laufe der Grundschulzeit des Kindes seine diplomierte Akademikermutter immer demütiger und schreibt nach und nach G8 und G9 ab, sieht sich Gesamtschulen und schließlich auch die Realschulen an. Was sich aber gar nicht so schlecht anfühlt…(wenn da nicht im Hinterkopf immer der Gedanke nagen würde: Wenn es sich nur mal hinsetzen würde, dann könnte es richtig gut sein…).
Seufzend grüßt die Steffi Fee
Ich bin in der glücklichen Lage, meinen Töchtern in Punkto Schule vollstes Vertrauen entgegenbringen zu können, da sich meine Mutter auf den „Kriegsschauplatz Schule“ nie eingelassen hat. Es war immer meine Verantwortung für meine Zukunft und so ging ich (auch durch einige Täler) auf einer Gesamtschule mit wachsendem Interesse u. Leistungen zum Abitur.
Meine Töchter gingen auf Montessori-Grund- u. Gesamtschulen und haben sich dort dort die Lust am Lernen immer bewahren können, was ich sowohl der Pädagogik als auch der Grundhaltung der LehrerInnen zu gute halte. Natürlich finden auch sie Vokabellernen nicht toll und verdaddeln Zeit an elektronischen Medien, aber sie gehen „ihren“ Weg und übernehmen Verantwortung fürs eigene Leben. Die Ältere ist mittlerweile für die Oberstufe von der Gesamtschule auf ein Gymnasium gewechselt, was sicher nicht der bequeme Weg ist, aber der spannendere.
Ich bin der festen Überzeugung, dass Kinder u. Jugendliche lernen wollen. Wenn dieser Wissensdurst verebbt liegt das m.E. an den Frustrationen u. der Langeweile, die sie in der Schule erleben müssen. Die Problematik wird durch unsere Antworten auf Pisa und der zunehmenden Vereinheitlichung von Bildung nicht besser. Die LehrerInnen, die für etwas brennen, nehmen zahlenmäßig im gleichen Maßen ab, wie Lernpläne vereinheitlicht werden.
Meine Lehrer konnten sich damals diese Begeisterung für best. Themen bewahren und uns Schüler „mitentzünden“ (ich denke an meinen Erdkundelehrer, der begeisterter Islandreisender war oder meinen Deutsch-LK-Lehrer, der mir die Liebe zu Thomas Mann u. Goethe übermittelt hat).
Michaela
Ich denke, der Trick ist: früh mit Vertrauen anfangen. Sie läuft, wenn sie bereit dazu ist. Sie wird sagen, wenn sie keine Windel mehr tragen will oder wie bei uns jetzt. Sie wird es uns wissen lassen, wenn sie in der Kita keinen Mittagsschlaf mehr machen mag. Wenn man sich früh im Vertrauen übt, dann können Kinder das lernen – und Eltern vielleicht auch…