Meine Lehren aus zwei gescheiterten Friedens-Verhandlungen
In den vergangenen Monaten hatte ich zwei Konflikte mit Menschen, die mir nahe stehen. Nicht ganz nahe, aber in zweiter und dritter Reihe.
In beiden Fällen habe ich das Gespräch gesucht, um den Konflikt zu lösen. Und in beiden Fällen ist es komplett nach hinten los gegangen, was mich ziemlich verstört hat.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Sprechen hilft, dass man nichts unter den Teppich kehren sollte, dass es eine gute Idee ist, ehrlich zu sagen, warum man sich geärgert hat, und dass es wichtig ist, gut zuzuhören, was genau den anderen verletzt hat.
Aus meiner Sicht habe ich gehandelt, wie geschildert. Die beiden Menschen aber, um die es geht, sehen es ganz anders. Denn meine Friedensverhandlungen sind komplett nach hinten losgegangen….
Schluss mit den Selbstgeißelungen
Ich habe - ganz Coach - die Ereignisse untersucht. Gilt nicht der Satz aus meiner Ausbildung „Das Ergebnis zeigt die Absicht“? War es vielleicht auf einer tieferen, unbewussten Ebene mein Ziel, gegenüber der einen Person mehr Profil zu gewinnen? Wollte ich mir selbst über die andere Person beweisen, was ich an Vorurteilen pflege? Was ist mein Anteil an diesen beiden Konflikten?
Irgendwann rief ich innerlich „Stopp! Schluss mit den Selbstgeißelungen!“ Ich schob den Satz weg von den Ergebnissen, die die Absicht offenbaren würden. Er mag auf berufliche Ziele zutreffen. Menschliche Beziehungen aber sind zu komplex, um damit weiter zu kommen. Geholfen hat mir viel mehr ein Absatz aus dem Buch über die Harvard-Studie.
Robert Waldinger und Marc Schulz
-Direktoren der Harvard-Glücksstudie-
„Wenn wir die 84 Jahre der Harvard-Studie durchgehen, können wir erkennen, dass die glücklichsten und gesündesten Teilnehmer diejenigen waren, die die besten sozialen Beziehungen in ihrem Leben pflegten. Aber wenn wir die Tiefpunkte im Leben unserer Teilnehmer untersuchten, hatte auch ein großer Teil dieser Momenten mit diesen Beziehungen zu tun … Manchmal sind gar keine Fehler gemacht worden. Jeder reist auf seinem ganz einzigartigen Weg durchs Leben. Dabei können wir einander verletzen, ohne es zu wollen.“ ("The good life", Seite 141, Übersetzung von mir)
Mir sind beide Konflikte sehr nahe gegangen. Aber ich habe auch einiges daraus gelernt:
- Sensible Themen nur im persönlichen Gespräch behandeln, nie über Social Media.
- Sich nur entschuldigen, wenn man schon so weit ist und es aus ganzem Herzen tun kann.
- Sich zu entschuldigen, in der Hoffnung, die Gegenseite würde es auch tun, funktioniert nicht.
- Wer mutig ist, holt sich eben auch mal eine blutige Nase.
- Wie tröstlich es ist, wenn andere Menschen zu einem stehen, besonders mein Mann, meine Kinder und meine älteste Freundin, die am Telefon sagte: „Wer dich kennt, weiß, wie viel Mut es dich gekostet hat, das Gespräch überhaupt zu führen. Dabei böse Absichten zu unterstellen, ist völlig absurd.“ Ich kann kaum in Worte fassen, wie wohltuend diese Worte für mich waren.
- Dass Konflikte das Selbstvertrauen langfristig stärken, auch wenn es anfangs erst einmal in den Keller geht. Aber wenn man sich klar macht, dass die Vorwürfe nicht stimmen, wird man innerlich stärker. Und mit diesem Selbstvertrauen konnte ich aus dem Schützengraben hüpfen und aufhören, mich weiter zu verteidigen. Der Groll ließ nach. In beiden Fällen ist der Kontakt zwar noch etwas oberflächlich, aber wieder möglich.
- Dass es mir wichtig ist, weiter in Menschen zu vertrauen. Man solle den Menschen in seinem Leben und sich selbst großzügig begegnen, schreiben Waldinger und Schulz, die Direktoren der Harvard-Studie. Menschen, denen es gelingt, über die vermeintlichen Macken anderer hinweg zu sehen und immer wieder neugierig und offen auf andere zuzugehen, würden bis ins hohe Alter ein glücklicheres Leben führen als die, die sich immer mehr zurückziehen.
Wenn es das nicht wert ist!
Habt ihr in jüngster Zeit klärende Gespräche geführt? Was war eure Erfahrung damit? Ich würde mich freuen, wenn ihr mir das schreibt.
Immer fröhlich bereit sein, wieder aus dem Schützengraben zu hüpfen,
Eure Uta
Titelbild von Alexander Grey von Pexels. Vielen Dank!
Ich drücke mich noch vor einem klärenden Gespräch mit einer Freundin. Unser gemeinsamer Kurz Urlaub mit ihrer kleinen Tochter war nicht so durchweg harmonisch und es gibt ein paar Sachen aufzuarbeiten. Aber bisher war ich dazu noch nicht bereit. Ein bisschen habe ich auch Angst vor einer Verschlimmerung, weiß aber auch, dass ich für mich ein paar Sachen noch aussprechen möchte.
Der Mut zu dem Gespräch wächst. Ich hoffe, die andere Seite ist dann auch bereit zum Reden.
Danke, dass du das hier berichtest. Meiner Erfahrung nach ist es eine gute Idee, etwas zu warten, bis der größte Ärger verflogen ist. VG Uta
Ich hatte vor einer Weile tatsächlich ein klärendes Gespräch, mit meiner besten Freundin. Es war kein konkreter Konflikt, eher ein schon lange schwelendes Unbehagen und gelegentlicher Ärger über zunehmende Oberflächlichkeiten und das Gefühl, dass sie wichtige Dinge nicht mehr mit mir teilt und ich mich immer öfter nicht verstanden fühlte. Unser Kontakt war zudem recht sporadisch geworden. Ich hatte das lange vor mir her geschoben, genau aus der Angst, dass es nur noch schwieriger wird, zwischen uns. Dann habe ich – angeregt durch dich – den Podcast IchGold gehört, den du hier mal empfohlen hattest- immer mehr erkannt, was meine Anteile an der Situation sind. Wo ich mich nur noch aus Pflichtgefühl und nicht aus ehrlichem Interesse melde. Wo ich nicht teile, wie es mir wirklich geht. Ich habe mich dann mit ihr verabredet, allen Mut zusammengenommen, nur über mich gesprochen und ihr gesagt, dass ich das gerne besser können würde. Das hat eine Tür geöffnet, Raum geschaffen für viele Tränen und eine neue Nähe. Sie ist noch fragil und alte Muster sind noch da, aber wir sind auf einem guten Weg 🙂
Liebe Anita, danke, dass du von deinem klärenden Gespräch geschrieben hast. Besonders beeindruckt haben mich diese beiden Sätze: „immer mehr erkannt, was meine Anteile an der Situation sind“ und „ihr gesagt, dass ich das gerne besser können würde“. Besonders die letzte Formulierung muss ich mir merken. Herzliche Grüße, Uta
Liebe Uta, vielen Dank fürs Teilen deiner Gedanken. Ich fühle mich zur Zeit von mehreren Menschen missverstanden und versuche mir gerade darüber klar zu werden, woran es liegt und wo mein Anteil daran ist und wie ich mit der Situation umgehen möchte. Mein erster Impuls war es tatsächlich mich zurück zu ziehen, aber nach deinen Worten werde ich vielleicht doch eher zur Tat schreiten, auch wenn ich mir eine blutige Nase hole. Liebe Grüße
Liebe Domi, ich hoffe, dass die Nase nicht allzu blutig wird. Meistens entsteht ja wieder mehr Nähe und Verständnis, wenn man sich getraut hat, ehrlich zu sein. Ich wünsche dir viel Erfolg für deine Gespräche. Liebe Grüße, Uta
Liebe Uta,
so viele Möglichkeiten hatte ich im vergangenen Jahr, schwierige Gespräche zu führen. Die wichtigste Übung für mich, Spannung aushalten, abwarten bis ich bereit bin, friedlich auf den anderen zuzugehen (ohne Vorwürfe) und mich zu zeigen (ohne Schuld/Scham). Ja, manche Menschen sind auch nicht bereit für ein Gespräch. Was ich wichtig finde in einem Konfliktgespräch, ist die Haltung „FÜR“ eine bestimmte Sache zu sprechen und sich nicht auf Rechthaberei einzulassen.
Schön, dass du dich getraut hast. Beziehungen dürfen sich verändern. Veränderung darf unangenehm sein. Wichtig ist, dass du weißt, woFÜR.
Viele Grüße
Marie
Liebe Marie, schön, von dir zu lesen! „Sich nicht auf Rechthaberei einzulassen“ – das ist wirklich der zentrale Punkt. Herzliche Grüße, Uta
Hallo,
viele Jahre trafen ich mich mit einer Gruppe Mamas. Anfangs mit unseren Babies, später Kindern und irgendwann nur noch die Mamas. Wir nahmen Anteil am turbulenten Alltag und Leben. Wir hatten einen geschützten Raum für unsere Sorgen, Freuden und Dramen des Lebens.
Reihum wechselten wir uns als Gastgeberinnen ab. Irgendwann wurde ich im Rahmen eines Treffens von einer Mama massiv kritisiert. Ich sei ja immer so positiv, es liefe aber nicht immer bei allen so rund, warf sie mir vor. Sie schimpfte und zeterte, dabei wussten alle, auch bei mir gab es beachtliche – vor allem gesundheitliche – Höhen und Tiefen. Ich war ihre Projektionsfläche. Das bestätigten mir auch die Anderen später in der Runde. Die Mama entschied sich fortan nicht mehr zu kommen. Diese offene Kritik uns Ablehnung schmerzte mich sehr und ich fragte mich, warum hatte sie mich ausgewählt?
Es war üblich, dass ich immer allen half, zuhörte und mit Rat und Tat zur Verfügung stand. Als ich dann wirklich einmal in Not war und unbedingt Hilfe brauchte, hatte niemand Zeit. Das schmerzte mich sehr. Ich war zutiefst enttäuscht, nahm die Absagen aber klaglos hin.
Das letzte Treffen fand bei mir statt. Zum Glück war meine später dazugekommene Freundin auch mit dabei. Wir verbrachten alle einen wunderschönen Abend. Tage darauf teilten mir die Mamas mit, sie kämen nicht mehr zu den Treffen…. Die Gruppe sei Geschichte.
Es fühlte sich für mich an, als hätte ich an diesem Abend etwas schreckliches getan, so dass man mich nicht mehr als Freundin ertragen konnte.
Objektiv und von meiner Freundin bestätigt, gab es an diesem Abend keinen Hinweis auf diese bevorstehende kollektive Ablehnung.
Anfangs versuchte ich durch Gespräche herauszufinden, was ich den möglicherweise falsch gemacht hätte – aber mir begegnete bei den anderen Mamas nur Schweigen oder ablenkende Plaudereien.
Damals hat es mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Inzwischen bin ich froh, dass die Damen ihren Kontakt zu mir abgebrochen haben, denn offensichtlich waren ja alle Herzlichkeit und Zugewandtheit nicht ehrlich gewesen.
Damals hätte ich diesen Blogeintrag gerne gelesen… manchmal passieren eben Dinge und nicht für alles im Leben trägt man Verantwortung.
Vielleicht ertrugen die Damen nicht, dass ich ins kollektive Lästern über Männer nicht mit eingestimmt habe. Wer weiß.
Inzwischen denke ich, dass ich mich häufig überverantwortlich fühle. Deswegen habe ich mich vielleicht auch herzlicher mit Ihnen verbunden gefühlt, als es tatsächlich war.
Ich schreibe hier soviel, weil es mir geholfen hätte zu lesen, dass man nicht als einzige plötzlich gegen eine “Glasscheibe” läuft. Denn ich denke, das passiert gar nicht so wenigen Menschen, die mit offenen Herzen durch die Welt gehen.
Um mich besser zu schützen, bearbeite ich meine Überverantwortlichkeit. Damals war mir klar, die anderen Mamas tragen alle Schuld und Verantwortung für diese Entwicklung – heute, Jahre später, denke ich, dass ich gar keine Chance hatte für ein ehrliches Gespräch. Dabei wäre ich für jede noch so kritische Rückmeldung offen gewesen Doch dann hätten die Damen sich selbst und ihr Benehmen in Frage stellen müssen und, wie bewiesen, wollten sie dieses offensichtlich nicht tun.
Trotzdem versuche ich Freundschaften wieder zu vertrauen, behalte nun aber auch immer mich selbst und mein Wohlbefinden im Blick. 😉
Liebe Grüße
Liebe Ylvie, was du erlebt hast, ist wirklich krass. Und danke, dass du es hier mit uns teilst. Herzliche Grüße und danke, dass du dich nicht gekränkt zurückziehst und weiter in Menschen vertraust. LG Uta