Wie sich das Verhältnis zu meinem Sohn schlagartig verbesserte
In den vergangenen Wochen habe ich am Kronprinzen (18) herumgenörgelt, weil ich der Meinung war, er könnte sich mehr Mühe geben, einen Job zu finden. Im Kopf jagten einander folgende Gedanken: „Wir Eltern haben jede Menge Ausgaben und er soll mal sehen, wie hart das alles erarbeitet ist und ich habe ja damals nach dem Abi Vasen geschrubbt in einem Blumenladen und es hat niemanden interessiert, dass die ganze Haut sich schälte (jammer, schnief) und das Geld fällt ja nicht vom Himmel und von wegen „high life in allen Gassen“ … „
Wenn man so eine Meinung hat, ist das, als hätte man eine Brille mit farbigen Gläsern auf der Nase. Man sieht alles durch diesen Filter (leider meist in den Farben, schwarz, grau, braun).
Er vergisst das Katzenklo sauber zu machen? – Typisch! Keine Disziplin. Er wird schon sehen, im Job funktioniert das nicht.
Er möchte etwas kaufen, was ich nicht für nötig halte? – Da haben wir es mal wieder. Denkt wohl, das Geld liegt auf der Straße.
Er überschlägt sich nicht vor Freude, als ich ihm von dem Mini-Job-Aushang bei Aldi erzähle! – Das habe ich mir gleich gedacht. Ist sich wohl zu schade für den Discounter.
Er findet Kleingeld im Portemonnaie lästig. – Wer den Cent nicht ehrt, ….
So war ich also unterwegs, Tag und Nacht die Filter auf den Augen. Und dann wunderte ich mich, wenn er bei dem kleinsten harmlosen Satz von mir gereizt reagierte.
Das kenne ich auch von anderen Eltern. Häufig klagen sie: „Ich habe nur ganz neutral gesagt, er/sie könnte doch mal wieder zum Frisör gehen, dies oder jenes tun … und schon hängt er/sie an der Decke. Typisch Pubertier!“
Der Grund ist: sie reagieren auf unseren Filter, nicht auf das, was wir sagen. Und ihr könnt euch darauf verlassen, dass gerade die Heranwachsenden in ihrer fieberhaften Suche nach sich selbst, den Filter als erstes bemerken. „Ich habe doch bloß ganz sachlich festgestellt, dass manche Menschen 100 Bewerbungen abschicken, bis sie einen Job bekommen …“ Nein, Uta, hast du nicht! Du misstraust ihm. Das ist der Punkt.
Mir ist aufgegangen, dass das eigentlich mein Thema ist, dass ich es schwer finde, Geld zu verdienen oder ein angemessenes Honorar für meine Arbeit zu verlangen. Und deshalb traktiere ich meinen Sohn mit der Botschaft: du sollst jetzt auch mal erfahren, wie schwer das ist. Soll er? Nein! Es darf leicht für ihn sein. Wie komme ich dazu, ihm mein Thema überzustülpen?
Ich habe mit ihm gesprochen und mich entschuldigt. Ich habe ihm gesagt, dass die atmosphärischen Störungen an mir lagen und dass es mir leid tue. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihm vertraue und sicher bin, dass er einen Job finden und im Leben seinen Weg gehen wird.
Es folgte eine innige Umarmung und ein tolles Gespräch über alles mögliche. Jetzt ist der Filter weg. Was das ausmacht! Wir haben es jetzt wieder so schön miteinander.
Immer fröhlich sich den Filter klar machen!
Eure Uta
PS1: Seit dem Wochenende hat der Kronprinz einen Job.
PS2: Das mit dem Filter wirkt auch sehr stark in der Partnerschaft, ach, eigentlich in allen Beziehungen.
Spitze!!!:)???
Hut ab, liebe Uta!
Ich finde einen derartigen Perpektivwechsel und die Selbstreflexion enorm, neben der Erkenntnis auch die Entschuldigung. Die meisten Menschen beharren auf ihrer Sichtweise und holen sich zur Manifestierung dieser gerne noch die Bestätigung von Freunden, die sowieso nicht in die Opposition gehen würden und schaffen es nicht, umzuschwenken.
Herzliche Grüße,
Frieda
Danke, liebe Frieda! Bald mehr! Herzlichst, Uta
Erwischt…
Werde mir meine traurigen Filter genauer ansehen und hoffe, dass ich eine genauso gute Reaktion auf allen Seiten erhalte ?
Wieder mal sehr klug, hilfreich und lebensnah dein Text. Wir alle haben unsere Filter und stülpen anderen die Themen auf, die uns vor allem selbst betreffen. Ich sehe es genau wie Frieda: Deine Selbstreflexion ist großartig. Danke, dass du uns daran teilhaben lässt. Viele Grüße, Christina