Einkauf mit Kleinkind 

 19/11/2019

Bedürfnis nach Nähe und Forscherdrang ausbalancieren

Im Supermarkt war eine Mama mit ihrem Sohn hinter mir an der Kasse. Der Kleine war ungefähr 14 Monate alt und im Erkundungsmodus. Von einem Ständer waren - ohne seine Mitwirkung - Tüten für den Transport von Gefriergut heruntergefallen. Er ging in die Hocke, um eine Tüte genauer zu betrachten und den Griff zu untersuchen, der sich mit kleinen Nupsis schließen ließ. Wie interessant! Dann kam seine Mama und sagte durchaus liebevoll: „Das brauchen wir nicht!“, nahm ihrem Kind die Tüte weg und hängte sie zurück an den Ständer. Der Kleine kam auf ihren Arm.

Die Szene ist so alltäglich, dass sie kaum des Schreibens wert ist. Sie zeigt aber eine kleine verpasste Chance, das Selbstwertgefühl des Kindes zu stärken und es sich obendrein als Mama leichter zu machen. 

Natürlich hatte der kleine Junge keinerlei Kaufabsicht, er war im Dienste der Forschung unterwegs. Und im Bereich vor den Kassen drohte keinerlei Gefahr. Weder hätte er aus dem Laden laufen können, noch war sonst irgendetwas bedrohlich. Statt schließlich mit dem Kind auf den Hüften einhändig die Waren auf das Band zu legen, wäre es eine Möglichkeit gewesen, den Kleinen einfach noch ein bisschen forschen zu lassen und gleichzeitig den Nachfolgewillen zu trainieren. Sicher wäre er schnell gekommen, sobald Mama aus seinem Blickfeld verschwunden wäre. So hätte er im Spiel mit dem Griff der Tasche noch etwas für seine Motorik getan („Das Gehirn braucht die Botschaften der Hände!“), er wäre nicht so schnell aus seiner Konzentration gerissen worden und er hätte die Erfahrung gemacht, dass er selbst den Anschluss an die Sippe halten muss. 

Das alles wäre eine kleine Verhaltensänderung bei der Mama, aber ein großer Schritt für den kleinen Mann gewesen. 

Gut, dass der Bär sich nicht einmischt.

Die Sehnsucht nach Nähe zur Bindungsperson und der Forscherdrang - das sind die beiden Grundbedürfnisse von Kleinkindern. Diese beiden Bedürfnisse verhalten sich wie die zwei Seiten einer Wippe, mal ist das eine oben (=aktiviert), mal das andere. Aber nie gleichzeitig.
Das bedeutet: Kinder in dem Alter brauchen es nicht, ständig den Atem der Mama in ihrem Nacken zu spüren, sie brauchen es nicht, das jemand die Untertitel zu ihren Erlebnissen liefert („Das ist eine Gefriertüte, die kann der Julian nicht haben. Das ist ein …“) und sie brauchen ihre Eltern nicht als Abfangjäger jedes schlechten Gefühl, jeder Enttäuschung, die Leben nunmal bereit hält.
Was sie brauchen, ist die Präsenz ihrer Mama oder ihres Papas, jemand, zu dem sie laufen und mit ihm kuscheln können, wenn alles zu aufregend wird, jemand, der schlechte Gefühle mit ihnen aushält, ohne selbst davon übermannt zu werden, jemand, der im Augenwinkel auf sie acht gibt und ihre Freiheit für genauso wichtig hält wie ihren Schutz.

Eine Leserin hat mir ein Erziehungsbuch geschickt, das mehr als hundert Jahre alt ist. Darin habe ich folgendes Zitat gefunden:

 Heinrich Lhotzky


„Erziehen will nur die Natur selbst. Wir können nur werden lassen, was von dieser Weisheit hineingelegt ist und ein schützender Zaun sein, dass werden kann, was werden soll.“ 


Aus: Die Seele deine Kindes. Königstein im Taunus/Leipzig 1907, Seite 19


Am Wochenende bin ich Zug gefahren. Inzwischen habe ich Bahn-Comfort-Status, so dass ihr euch vorstellen könnt, wie viel ich unterwegs bin. In einem "Interregio" erlebte ich eine Mama mit einem Jungen etwa so alt wie der kleine Tütenforscher aus dem Supermarkt. Die junge Frau war unglaublich liebevoll und geduldig. Was sie aber nicht aushielt, war auch nur die kleinste Pause, den kleinsten Moment der Stille, des Nichtstuns, des Nichts-Anbietens, des Nicht-Belehrens, des Keinen-Impuls-Gebens. Will Leopold trinken? Will er ein Stück Brezel? Will er raus aus dem Buggy? Will er hinein? Will er das Buch anschauen? Nochmal trinken? Will er auf den Schoß? Will er im Gang laufen? Nein, doch wieder Schoß? Will er die Trauben oder lieber Apfel?

Ich wurde fast wahnsinnig. Ja, Kleinkinder sind von sich aus sehr agil. Aber manche Eltern befeue rn das geradezu. Einfach präsent zu sein ohne Entertainment, ist für uns alle heute wohl schwer auszuhalten. 

Kurz & knackig

  • Kleine Kinder brauchen einen besonderen Schutz, besondere Fürsorge und viel Nähe. Keine Frage! Tretet aber mal einen Schritt zurück und guckt, ob ihr vielleicht zu viel Behütung und Entertainment bietet.
  • Stört sie nach Möglichkeit nicht, wenn sie im Spiel und im Erkunden versunken sind.
  • Und hier kommt er wieder: der Fels in der Brandung. Seid der Fels für eure Kinder und nicht der Helikopter von der Küstenwache.
  • Präsens ist wichtiger, als mit dem Kind zu spielen. Euer Kind will euch weniger als Spielpartner als als Bindungsperson. Das ist auch für euch entlastend. Darum das Kind von klein auf ruhig daran gewöhnen, dass ihr nicht mit ihm Autos in seine Parkgarage schiebt, sondern auf dem Sofa liegt, wenn es zu euren Füßen die kleine Parkgarage betreibt.
  • Wie ein Perlen-Taucher könnt ihr nach den Situationen suchen, in denen ihr gefahrlos mit dem Kind üben könnt, dass es mehr und mehr die Verantwortung dafür übernimmt, euch nachzufolgen. Nutzt solche Chancen so früh wie möglich.
  • Dabei kommt es auf dein „Mindset“ an. Ich meine kein strafendes und ignorierendes Abwenden („Ich verlasse jetzt den Spielplatz und du kannst sehen, wo du bleibst!“), sondern einen fröhlichen Aufbruch mit dem Vertrauen in das Kind, dass es sich jetzt auch auf den Weg macht. Ich weiß der Grat ist schmal, aber es lohnt sich, ihn zu betreten.

Heute habe ich noch eine Verlosung für euch: den beliebten Adventskalender „Der andere Advent“ für Kinder. Er ist geeignet für Mädchen und Jungen im Grundschulalter und vielleicht auch noch ein oder zwei Jahre darüber hinaus. An jedem Tag vom 30. November bis zum Dreikönigsfest kann eine Seite aufgetrennt werden. Darin finden sich Geschichten, Spiele, Basteltipps oder Rätsel. Auch ein Bogen, aus dem eine kleine Krippe gebastelt werden kann, ist dabei. 

An der Verlosung kannst du teilnehmen, indem du mir bis Sonntag, 24. November, 24 Uhr in einem Kommentar schreibst, worauf du dich in der Adventszeit mit deinen Kindern besonders freust. 

Vielen Dank an den Verein "Andere Zeiten" für das Verlosungsexemplar!

Immer fröhlich das Kinder-Entertainment durch Präsens ersetzen,


Eure Uta 

Zum Weiterlesen:

* In "4 Tipps aus der Bindungsforschung" habe ich neulich schon mal über die "Wippe" geschrieben, die ein Bild dafür ist, dass bei Kleinkindern sich  das Bedürfnis nach Nähe und der Forscher-Drang immer abwechseln.

* Väter sind eher als Spielpartner für das Kind gefordert als die Mama, weil sie mit dem Kind die Grenzen austesten. Dazu mehr in "Eine gesunde Portion Männlichkeit fürs Kind".

* Ganz tief in mein Archiv bin ich für diesen Beitrag getaucht: Hier geht es darum, wie ich als junge Mama den Nachfolgewillen entdeckte. 

  • Adventszeit: Ich freue mich darauf, mit meiner Tochter jeden Tag die Adventskerze anzuzünden, kunterbunt verzierte Kekse zu backen, das Haus zu dekorieren – und besonders darauf, die Magie von Weihnachten wirken zu lassen. Wie schön, dass meine 5-jährige noch an Wichtel, Elfen, den Weihnachtsmann und andere zauberhafte Wesen glaubt!

  • Hallo liebe Uta,
    ich freue mich schon sehr auf die kommenden Wochen. Wir haben kaum Termine geplant und genießen die Feiern und Geburtstage, die ohnehin in der Weihnachtszeit sind. Dazwischen viel Spielen, Lesen, Basteln und Backen. Der Garten ruht, wir können guten Gewissens mehr im Haus sein.
    Am Gewinnspiel nehme ich nicht teil, dieser und der Kalender für Erwachsene liegen schon im Schrank bereit, auch eine Tradition 🙂
    Herzlichen Grüße
    Lisa

    • Oh wie schön! Der Kalender wäre perfekt für mein Mädchen!
      Ich freue mich darauf ihr zu zeigen wie man Transparentsterne bastelt, auf den Duft von Pfefferkuchen, aufs Liedersingen und das erste Mal mit dem Sohn gemeinsam Plätzchen zu backen.
      Ich bin in letzter Zeit nicht zum Kommentieren deiner wertvollen Artikel gekommen, möchte die hier nun eben schnell Danke sagen! Deine Inspiration hat mich schon sehr voran gebracht auf meinem Weg.
      LG JuSt

  • Liebe Uta,
    Sehr schöner Artikel! Ich nehme auch gerne am Gewinnspiel teil.
    Unser sechsjähriger kam mir nun mit seinen Detektivfragen nach Wichteln und Christkind auf die Schliche und so freue ich mich darauf, eine neue Form von Adventszauber gemeinsam mit ihm zu finden und natürlich auf unser erstes Weihnachten zu viert ❤

  • Liebe Uta, Ich freue mich auf gemütliche Stunden mit meinen Lieben, bei Kerzenschein, guten Gesprächen, Brettspielen und leckeren Tee….Liebe Grüße Luci

  • Ich freue mich schon darauf, mit meinem kleinen Schatz unsere ersten Plätzchen zu backen und sie dann zusammen aufzuessen. Leuchtende Kinderaugen sind einfach das allerbeste☺️

  • Liebe Uta, ich freue mich sehr auf unser erstes Weihnachten zu viert. Sohn zwei Monate und Tochter 5 Jahre. Wir backen gerne Lebkuchen und dekorieren das Haus. Dieses Jahr lassen wir alles etwas ruhiger angehen. Liebe Grüße Christine

  • Oh wie schön! Hier versuche ich gerne mein Glück!
    Wir freuen uns auf Ruhe, bewusstes Geniessen, Erleben von Ritualen und Traditionen, die dieser besonderen Zeit vorbehalten sind.
    VG Anni

  • Liebe Uta, ein sehr schönes Gewinnspiel und auch deine Überlegungen sind für mich stimmig. Ich versuche das auch für mich so umzusetzen. Am Meisten freue ich mich in der Adventszeit auf den Samichlaustag, den wir zusammen mit der Schwägerin und ihrer Familie verbringen werden. Mit den beiden Buben bin ich schon am Värsli- Lernen. Auch auf den Adventskalender freue ich mich, grad weil er so simpel ist (jeden Tag einen Teil einer Geschichte für den Kleinen zum Vorlesen, für den Grossen ein Rätsel plus für beide etwas kleines zum Knabbern). Liebe Grüsse!

  • Hallo!
    Das Zitat aus dem alten Buch ist ja eine echte Perle!
    Ich freue mich in der Adventszeit mit meiner Rasselbande am meisten auf das Plätzchenbacken und anschließende Verspeisen beim gemütlichen Vorlesen auf dem Sofa.

  • Liebe Uta, erstmal herzlichen Dank für deinen Blog! Ich lese schon geraume Weile mit und habe schon diverse gute Inputs in meinen Alltag mit meinen 4 Söhnen übernehmen können.
    Wir freuen uns alle bereits sehr auf die Adventszeit. Dieses Jahr wird uns erstmalig ein „Elf on the Shelf“ besuchen und allerlei Schabernack treiben :-). Beste Grüsse, Lena

  • Liebe Uta,
    Vielen Dank, wieder einmal ein schöner Text!
    Ich freue mich darauf, mit unserer seit kurzem 6-jährigen erstmals unser Haus weihnachtlich zu schmücken! Wir sind im Frühjahr aus einer sehr kleinen Wohnung in eine DHH gezogen. In den vorigen Jahren gab es daher nur sehr wenig Platz / Möglichkeiten. Dieses Jahr werden wir es wohl deutlich übertreiben, aber egal!! JETZT können wir endlich! Und der Baum wird… Riesig!! 😉
    Herzliche Grüße aus dem Lostopf
    Verena

  • Hallo liebe Uta,
    DEIN Artikel geht mir doch wieder mal runter wie Öl :)…. Mitspielen macht mir gar nicht so viel Spaß (so, jetzt hab ich’s gesagt… Welche Mamas trauen sich noch?) und im hinteren Winkel meines Mama-Gewissens fragte ich mich manchmal, ob es wohl in Ordnung ist, wenn ich nebenbei Buch lese und meinen Latte Machiato trinke… Dabei zu beobachten, wie die Kinder aus Nichtbespaßung heraus eigene Spiele erfinden und sich beschäftigen…. Das ist doch schön! Aber auch der Weg zum „in Ruhe Kaffeetrinken“ ist ein Erziehungsweg, den man erst einmal gehen muss. Den Kindern zu verstehen geben, dass Mama-Leitwolf jetzt Pause braucht, benötigt eine gewisse Zeit. Guter Tipp hier ist, einen Timer zu stellen und dann wissen die Kinder anhand des Klingelns, wann man wieder verfügbar ist. Oft spielen sie dann so selbstvergessen, dass der Timer heimlich ausgeschaltet wird ;). Während Papa stundenlang Lego spielen und toben würde, lasse ich die Kinder gerne beim Kochen, Backen, Gartenarbeit etc. mitmachen.
    So und jetzt zur Adventszeit… Ich freue mich auf das Schmücken mit den Kindern und die Freude über einen Zettel von Willi Wichtel im Adventskalender jeden Tag und die damit verbundenen leuchtenden Kinderaugen. Auch auf das wieder Aufbauen von unserem historischen Kaufmannsladen von der Uroma von 1938. Das wird wieder ein Spaß!!! Ich wünsche allen Blogleserinnen und Dir eine tolle Adventszeit ❤️❤️❤️

  • Liebe Uta,ich freue mich auf die kommende geheimnisvolle Zeit!
    Wir basteln viel,backen und machen es uns bei Kerzenschein gemütlich.
    Meine Tochter würde sich sehr über den Adventskalender freuen.
    Denn ich haben den Anderen Advent für Erwachsene .
    Viele liebe Grüße
    Birthe

  • Liebe Ute,
    du fragst worauf ich mich in der Adventszeit mit meinem Mann und meinen drei Kindern freue? Auf ein buntes Potpourri von Momenten und Ereignissen:
    In der Woche vor dem ersten Advent die Wohnung zu schmücken.
    Auf das Adventskalender Türchen am Morgen und die Advents-/Weihnachtslesestunde am Abend (ich lese unheimlich gerne vor).
    Auf die Advents Gottesdienste und Adventsmusik in unserer Ludgerikirche.
    Auf die Nikolausverknobelung am Abend des 5.12. in der Westgastermühle.
    Auf die gemeinsame Weihnachtsbäckerei mit meinen Kindern.
    Auf den Kerzenschein (dieses Jahr darf der Jüngste seinen „Kerzenführerschein“ machen – er freut sich schon so sehr!)
    Auf das weihnachtliche Klavierkonzert meiner beiden Großen und auf den Besuch des Weihnachtsmarktes.
    Auf die Eisbahn, die immer in der Adventszeit auf dem Marktplatz unseres Städtchens aufgebaut wird.
    Auf das Kekse essen, Weihnachtsmusik hören, selber singen, gemeinsam musizieren am Adventskranz.

    Hach, je mehr ich schreibe umso mehr steigert sich meine Vorfreude – ich liebe diese Zeit!
    Liebe Grüße
    Maren

  • Liebe Uta, ich freue mich schon sehr darauf, ab dem 1. Advent das Haus weihnachtlich zu schmücken, alle unsere Weihnachtsbücher aus dem Schrank zu holen und im Wohnzimmer in einem eigenen Korb für alle hinzustellen, Plätzchen zu backen & zu naschen und Weihnachtsliedern zu lauschen. Vorher ist das alles bei uns nämlich „verboten“, um den Zauber um diese besondere Zeit zu erhalten.

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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