Die Rebellin 

 12/11/2021

Begegnung mit einer Corona-Leugnerin

Gestern war ich mit dem Fahrrad unterwegs, als ich auf dem Fußgängerweg Frau G., meine ehemalige Fußpflegerin, erkannte. Ich rief: „Hallo!“ und hielt freudig an. Im Nachhinein war ich über mich selbst überrascht. Denn ich hatte vor Jahren ihr Engagement an meinen Füßen beendet, als sie begann, Verschwörungstheorien über Barack Obama in meinem Wohnzimmer zu verbreiten. 

Ich freute mich, sie wieder zu sehen. Außerdem war mein Bremsmanöver so spontan, dass die Eingebung dazu von weiter oben gekommen sein musste. Frau G. erkundigte sich kurz nach Befinden und Impfstatus und wir landeten binnen kürzester Zeit im Corona-Thema. Sie käme gerade von dem Seniorenheim um die Ecke. Und da hätte man doch tatsächlich verlangt, sie solle eine Maske tragen, wenn sie zur Fußpflege zu einer Bewohnerin aufs Zimmer wolle. Jetzt müsse sie zurück zu ihrem Auto und eine Maske holen. „Aber das mache ich nicht“, schnaubte sie, „ich lasse mir nichts vorschreiben. Ich bin eine Rebellin.“

Apokalyptischer Eifer

Und wie es sich für eine echte Rebellin gehört, ist sie zudem ungeimpft, ein Zustand, in dem man meinetwegen Plakate durch Straßen tragen darf, aber nichts in einem Seniorenheim verloren hat. „Erinnern Sie sich? Schon vor Jahren habe ich vorhergesagt, dass dunkle Zeiten auf uns zukommen werden.“ Wie eine Prophetin, hinabgestiegen in unser harmloses Wohngebiet, stand sie auf dem Gehweg. Ich war froh, dass der Strauch hinter ihr nicht zu brennen anfing. „Jetzt ist eingetreten, was ich immer vorher gesagt habe. Die Gesellschaft spaltet sich.“ 

Ganz benommen von so viel apokalyptischem Eifer radelte ich nach Hause. Die einzige, die spaltet, musste ich denken, war doch die rebellische Podologin. Ich hatte mich nach ihrem Sohn und dem Enkel erkundigt und wollte ein nettes Gespräch auf der Straße führen, fühlte mich aber bald, als wäre ich in einer „Hart-aber-fair“-Debatte gelandet. 

Man hätte Frau G. ja sogar umgeimpft in das Seniorenheim gelassen (was ich unverantwortlich finde). Aber selbst die geringste Bedingung, nämlich eine Maske zu tragen, war sie nicht bereit zu erfüllen. Dabei gehört die medizinische Maske seit Jahrzehnten zu ihrem Arbeitsalltag. Immer wenn sie ihre kleine Feilmaschine nutzt, trägt sie eine Maske, um sich vor dem feinen Staub zu schützen.

Aber es geht ums Rechthaben, darum, die Bedingungen anderer Menschen prinzipiell nicht erfüllen zu wollen, selbst wenn diese Menschen das Gast- und Hausrecht verteidigen, wie die Dame am Empfang des Seniorenheimes. Und ich würde weiter gehen: Sie verteidigt sogar Menschenleben.

So wartete gestern eine alte Dame im Seniorenheim vergeblich auf den Besuch der Fußpflegerin. Da stellt sich doch die Frage, wer hier für Trennung und Spaltung sorgt?

Die alte Verbindung

Auf der anderen Seite verabschiedete sich Frau G. so herzlich von mir, dass ich die alte Verbindung wieder spürte. 

Wie bekomme ich das bloß übereinander? 

Auch ich glaube, dass Wissenschaft und Schulmedizin ihre Grenzen haben, dass es weit mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als wir bisher herausgefunden haben. Auch ich vertraue meiner (geimpften) Heilpraktikerin mehr als einigen Ärzten, die ich erlebt habe. Aber wie kann man die Wissenschaft und Statistik so komplett ausblenden, als hätte es die Aufklärung nie gegeben? Und wie erreichen wir Menschen wie Frau G. für einen gemeinsamen Weg aus der Pandemie?

Immer fröhlich bleiben und sich auch in dieses Thema nicht zu sehr verbeißen,

Eure Uta 

Das Titelbild ist von cottonbro von Pexels. Vielen. Dank!

  • Uh… spannendes Thema. Ich bin auch „ungeimpft“.
    Ich würde mich allerdings weder als C- Leugner noch als Alu-Hutträgerin bezeichenen, viele andere tun dies allerdings, ohne ein Gespräch mit mir zu wagen. Ich nehme die Krankheit ernst und habe ja die Möglichkeit, mit Tests und Maske mich und andere zu schützen.
    Ich habe oft das gleiche Bedürfnis, mich zu rechtfertigen, und zugleich bei Gesprächen zu dem Thema eine Angst, ins soziale Abseits zu geraten. Der Grund, den ich erkenne, ich fühle mich ohnmächtig gegenüber dem gesellschaftlichen Druck, der ausgeübt wird.

    Die Diskussion ums Impfen „ja – nein“ ist anstrengend, die Verurteilung der Entscheidung ist kaum aushaltbar.
    Und da gibt es auf allen Seiten des Impfbuches gleiche Reaktionen, nur der Inahlt unterscheidet sich.
    Letztlich schweige ich das Thema tot, sobald jemand darüber sprechen möchte, bleibe ich freundlich und unbestimmt.

    • Liebe Anja, danke, dass du geschrieben hast! Ja, häufig weiche ich dem Thema auch aus. Du klingst allerdings so, dass ich gerne mit dir sprechen würde. Herzliche Grüße, Uta

  • Liebe Uta,
    ich wollte gerade eigentlich in deinem Blog lesen, um dem C-Thema zu entkommen, das mich oft auch noch nachts vom Schlaf abhält. Und nun finde ich es sogar hier… aber vermutlich ist es einfach so. Nicht nur das Virus, sondern auch all die Maßnahmen dagegen, durchdringen inzwischen so massiv unser Leben, dass eine – auch innere – Auseinandersetzung damit einfach nötig ist.
    Dies vorab zu deinem Beitrag, aus dem ich eine gewisse Verwirrung – oder gar Ratlosigkeit? – zu lesen meine.

    Wie kann es sein, dass sich diese Frau (vermeintlich?) unsozial verhält und doch selbst daran so sehr zu verzweifeln scheint? Denn sie scheint sich damit, dass ihr der Eintritt zu der alten Dame, die sich vielleicht auch auf ihren Besuch gefreut hat, ohne Maske verwehrt wird, ja auch nicht wohl zu fühlen.
    Bei ihr äußert sich das in „heiligem Zorn“, aber liegt Zorn nicht oft Verletzung und Enttäuschung zugrunde?

    Ich selbst bin auch nicht geimpft und bin deswegen keineswegs ichbezogen und unsozial. Ich benenne dies inzwischen auch so deutlich, um eben entsprechenden Annahmen entgegenzutreten. Diese nehme ich nämlich innerhalb sozialer Medien und öffentlicher Berichterstattung sehr stark wahr – zum Glück nicht in meinem nahen Umfeld, geimpft oder ungeimpft, das mich persönlich kennt. Und – ja, das tut weh.

    Und ja, es würde mir auch sehr weh tun, wenn ich ohne Impfung auf einmal meine Mutter nicht mehr im Pflegeheim besuchen dürfte (Stichwort „2G“), sollte es hierzu einmal kommen. Zum Glück kann sie mich bis heute, da sie in ihrer eigenen Wohnung lebt, ungehindert treffen.

    Du beschreibst ihren Wunsch, recht zu haben, aber hat der dich – ich frage das sehr behutsam und mit allem Respekt – nicht auch erfüllt? Und verhindert letztlich von beiden Seiten einen echten Dialog?

    Und – nein, ich leugne das Virus nicht, ich trage Masken, würde mich vor einem Pflegeheimbesuch testen lassen – und sehne mich zugleich wie wahnsinnig nach einer Welt, in der wir nicht mehr dauerhaft angsterfüllt auf ein Virus starren – und umgekehrt meinen, uns mit nur genug Impfung, Abstand und Hygiene von dieser Angst befreien zu können. Nach einer Welt, in der wir ein gutes Leben wieder als etwas verstehen, zu dem weit mehr gehört, als frei von Krankheit zu sein.

    Ich will nicht mehr urteilen (geimpft/ungeimpft, vernünftig/unvernünftig, wer geht den „richtigen“ Weg?) Ich will endlich wieder echten Kontakt und dazu gehört doch immer als erster Schritt, dem anderen die ganz eigene Wahrnehmung zuzugestehen. Oder wie siehst du das?

    Herzlichen Gruß und herzlichen Dank für deinen tollen Blog, den ich gerade wegen seiner klaren und zugleich offenen Haltung schätze!
    Sarah

    • Liebe Sarah, danke für deine intensive Auseinandersetzung mit meinem Beitrag! Durch das Gespräch mit Frau G. ist mir klar geworden, dass wir von grundsätzlich verschiedenen Annahmen ausgehen und uns deshalb mit unseren Gründen gar nicht erreichen. (In diesem Fall muss ich allerdings sagen, dass Frau G. meine Gründe gar nicht hören wollte.)
      Würden meine Eltern oder Schwiegereltern in einem Seniorenheim leben, würde ich alles daran setzen, dass niemand ohne aktuellen Test und Maske zu ihnen vordringen könnte. Auch du würdest in einem solchen Fall ja Maske und aktuellen Test mitbringen, während Frau G. zu keiner Schutzmaßnahme bereit war und über die Zumutung, eine Maske zu tragen, in (un-)heiligen Zorn ausbrach.
      Beim Thema ‚Rechthaberei‘ bewegen wir uns auf einem schmalen Grat. Ich möchte nicht anderen meine Sicht der Dinge aufdrängen. Dennoch ist es mir wichtig, meinen Standpunkt ehrlich zu vertreten. In meiner Coaching-Ausbildung wurde unterschieden zwischen ‚positioniert sein‘ und ‚Position beziehen‘. Um Letzteres bemühe ich mich.

      Ich freue mich sehr über deine Rückmeldung zu meinem Blog und grüße dich herzlich! Uta

  • Danke, liebe Uta, dass Du den Mut hast, hier Position zu beziehen! Egal, wie man zu der ganzen Sache steht, es muss doch möglich sein, auf einer respektvollen Basis miteinander zu kommunizieren. Das wird hier gemacht. Respektvoll finde ich dagegen das Verhalten dieser Dame in Deinem Text nicht.
    Und das darf auch gesagt werden.
    Liebe Grüße von Anke

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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