Wie die 4-Fragen-Methode mir in einer Situation mit Prinzessin half und eine neue Gewinnerin.
Wenn ich auf das Jahr zurückblicke, habe ich 2018 zwei Quellen entdeckt, die mein Leben und mein Coaching sehr bereichert haben: Die 4-Fragen-Methode von Byron Katie und die Bücher von Adele Faber und Elaine Mazlish. Beide Quellen möchte ich jeweils in einem Beitrag würdigen, ehe ich Geschenke einpacken und Fondue-Fleisch besorgen muss.
Heute fange ich mit Byron Katie an. Ihr erinnert euch, das ist die Frau, die mit 43 Jahren einen völligen Zusammenbruch erlebte und in einer Klinik mit der Erkenntnis erwachte, dass sie nicht unter dem litt, was ihr im Leben widerfuhr, sondern an den Geschichten, die sie sich selbst darüber erzählte. Sie entwickelte vier Fragen und eine Umkehrung. Diese wirken wie ein Filter, mit dem ich alles klären kann, was sich zwischen den Ohren zusammenbraut. Ist es wirklich wahr, was ich da denke? Kann ich hundertprozentig sicher sein, dass es wahr ist? Wie bin ich, wie verhalte ich mich, wenn ich diesen Gedanken glaube? Wie würde es sich anfühlen ohne den Gedanken? Und schließlich die Umkehrung: Könnte genau das Gegenteil der Fall sein?
Dieser Tage bat Prinzessin (17) mich, ihr bei der Bewerbung um einen Job zu helfen, mit dem sie sich ein bisschen Geld verdienen könnte. Sie formulierte ein Schreiben. Ich las es und war schnell fertig, denn es bestand nur aus drei Sätzen. Sie könnte doch etwas ausführlicher darstellen, warum sie gerade diesen Job wolle und welche Fähigkeiten sie dafür mitbringe, meinte ich. Ich unterdrückte weitere Kommentare. Aber innerlich brodelte es. In meinem Kopf war die Hölle an. „Warum gibt sie sich nicht mehr Mühe?“ – „Warum zeigt sie nicht mehr Engagement?“ Bis hin zu: „So wird das nie was im Leben!“ – „Wo soll das hinführen?“
Berufsbedingt halte ich mich mit Entwertungen meiner Kinder sehr zurück. Manchmal sitze ich aber da, habe das alles in mir drin und es ist kein Vergnügen, mit mir zusammen zu sein, weil schlechte Energie aus all meinen Poren strömt. Prinzessin nahm Überarbeitungen an ihrem Text vor. Ich dachte: „Na, geht doch! Warum nicht gleich so?!“ und blieb irgendwie sauer und besorgt.
Ich musste zur Post, um ein paar Pakete auf den Weg zu bringen. Mit dem diffusem Ärger in mir aber wollte ich nicht an den Schalter treten. Ich kochte mir einen Becher Kaffee und hatte die Eingebung, ich sollte ein wenig in „Lieben was ist“ von Byron Katie lesen. Hach, war das schön! Draußen begann, was man die „blaue Stunde“ nennt. In der Dämmerung war die schwarze Gestalt des Apfelbaumes noch zu erkennen, eine Kette mit kleinen Glühbirnchen um seine längsten Zweige tragend wie eine Stola aus Licht.
„Prinzessin sollte sich mehr Mühe geben. Ist das wahr?“ Ehe ich eine Antwort fand, las ich mich in einem Kapitel fest. Und wieder musste ich denken, dass mich in meinen Lieblingsbüchern weniger die beschriebene Methode beeindruckt als die Seele des Buches. Katies Bücher wirken wie ein Drama-Katalysator. Man liest Seite um Seite und es wird einem immer leichter ums Herz. All dieses „Prinzessin sollte…“, „mein Mann müsste …“, „meine Schwester sollte dies, aber jenes nicht …“ alles, was man sich irgendwie anders wünscht, wogegen man ankämpft, im Widerstand ist, womit man hadert, die Arbeit, das Leben, das Stollen-Rezept … In all das, wogegen wir uns stemmen, piksen die Katie-Sätze hinein und lösen sie in Luft auf.
So schreibt sie zum Beispiel: „Wenn einer meiner Söhne mir sagen würde: ‚Du bist keine gute Mutter.‘, dann könnte ich ehrlich antworten: ‚Ich weiß, mein Schatz, ich sehe das genauso.“ Ich musste herzhaft lachen über diese Antwort. Das „Gute-Mutter-sein“-Thema wird immer melodramatisch so aufgeladen. Und dann kommt Katie und sagt: „Ich weiß, mein Schatz, ich sehe das genauso.“ Und weiter: „Ich reise durch die ganze Welt und habe kaum Zeit, mit dir und meinen Enkeln zusammen zu sein. Danke, dass du mich darauf aufmerksam machst. Was schlägst du vor?“ („Lieben was ist“, Seite 78) Ist es nicht großartig, wenn man so miteinander sein kann? So direkt, so ehrlich und so pragmatisch?
Katies Art, nicht in Widerstand zu treten gegen die Realität, machte mich Seite um Seite lockerer und ich wandte mich wieder meiner Ausgangsfrage zu: „Prinzessin sollte sich mehr Mühe geben.“ Ist das wahr? Vielleicht ist eine knackige Bewerbung besonders willkommen? Ich kann es nicht wissen. Oder sie hat damit keinen Erfolg und entwickelt selbst eine neue Strategie. Das wäre doch auch in Ordnung. Warum rege ich mich auf? Und schließlich komme ich drauf: weil ich immer denke, ohne Mühe ist ein Projekt nichts wert, werde ich sauer, wenn jemand anderes etwas mit Leichtigkeit macht und damit womöglich „durchkommt“. Mühe und Disziplin ist mein Thema, nicht ihres. Am Ende kam ich auf die Umkehrung: „Uta sollte sich weniger Mühe geben“, im Sinne von „es darf auch mal ohne Mühe und Anstrengung gehen“. Und wenn ich mir auch mal ein bisschen Disziplinlosigkeit erlaube, muss ich nicht auf Prinzessin losgehen, wenn sie etwas auf die leichte Schulter nimmt.
Gestärkt fuhr ich zur Post, warf mich noch in den Weihnachtstrubel des Einkaufszentrums und war so voller Liebe für das alles, dass man auf einem Scan meines Gehirns wahrscheinlich Wellen gesehen hätte wie bei einem buddhistischem Mönch.
Immer fröhlich die 4-Fragen-Methode ausprobieren,
eure Uta
PS 1: Da sich eine Gewinnerin nicht gemeldet hat, ist Marie nachgerückt und hat die „Fibel der Gelassenheit“ gewonnen. Bitte maile mir deine Anschrift, Marie, dann fahre ich wieder entspannt zur Post ;-).
PS 2: Folgende Bücher kann ich zur 4-Fragen-Methode empfehlen und damit fällt dieser Beitrag in die Kategorie „Werbung“:
Byron Katie: Lieben was ist. Wie vier Fragen Ihr Leben verändern können. München 2002
Byron Katie: Ich brauche deine Liebe – ist das wahr? Liebe finden, ohne danach zu suchen. München 2012
und dann noch Ina Rudolph: Ich will ja loslassen, doch woran halte ich mich dann fest?, München 2016
Ina Rudolph kennen viele noch aus ihrer Zeit als Schauspielerin („Inga Lindström“, „Großstadtrevier“, „In aller Freundschaft“ …). Sie hat eine Ausbildung bei Byron Katie gemacht und arbeitet heute auch als Coach. Ich hatte das Glück, sie im vergangenen Sommer zu einem sehr inspirierenden Interview in Berlin zu treffen.
Gut beschrieben … und tolle Erkenntnis! Liebe Grüße, Isa
Das ist mal wieder ein schööööner Artikel liebe Uta! Ganz schön weihnachtlich, ohne „eigentlich weihnachtlich“ zu sein…:-)
Habt ein schönes Fest!
Herzliche Grüße
Katrin
Toll wie ehrlich du mit dir umgehst und wie es dir gelingt die negativen Gedanken deiner Tochter gegenüber nicht auszusprechen. Das hätte ich wohl nicht geschafft. Danke für den Buchtip, hört sich sehr interessant aber auch nicht unkompliziert an. Wobei mein Mann eine ähnliche Denkweise ganz automatisch hat..
Euch ein tolles und friedliches Fest.
LG
Tanja