Gut zuzuhören führt zu mehr Nähe in der Familie. Wie der Vorsatz ' dem Kind besser zuhören' gelingt und es auch dem Partner zugute kommt.
Mein Mann dringt seit langem darauf, dass ich über gutes Zuhören schreibe. Da ich aber aus unserem Alltag kein Beispiel dafür habe, liegt das Thema auf Eis.
Ich lauere jetzt immer auf eine Situation, in der ich lausig zugehört habe, damit ich schildern kann, welche fatalen Folgen das für die Kinder hat.
Aber es ist wie mit dem blauen Elefanten, an den man nicht denken soll („Nein, ich denke nicht an den blauen Elefanten. Blauer Elefant. Nein, ich denke nicht, an ….“).
Und wenn man auf eine „Schlecht-zugehört-Situation“ wartet, kann man plötzlich gar nicht mehr anders als „gut zuhören“.
Seither haben wir zu Hause eine Harmonie, die schlecht für das Schreiben ist.
Ihr wisst, dass aus seelischem Leid die größte Literatur wird.
Hermann Hesse zum Beispiel: Ohne seine furchtbare Kindheit in einer Besserungsanstalt wäre aus ihm nie ein großartiger Schreiber geworden.
Sorgt Zuhören dafür, dass Familie besser funktioniert?
Auf jeden Fall.
Ein gutes Beispiel für wirkliches Zuhören ist der Shooting-Star unter den Pädagogen, ist der Familienberater Jesper Juul. Ich habe ihn vor zwei Jahren bei einem Vortrag an der Uni Hamburg gehört. Wenn ihm jemand eine Frage stellte, verging so viel Zeit der Stille und des Nachdenkens, dass ich in der Zeit mit dem Fuß meine Tasche angeln, ein Eukalyptus-Bonbon herausholen und es in aller Ruhe aus dem Papier drehen konnte. Erst dann kam die Antwort des gemütlichen Dänen. Dass sich jemand in aller Öffentlichkeit so viel Zeit zum Nachklingen der Worte eines anderen nahm, war das Beeindruckendste an der ganzen Veranstaltung.
Mein Freundin sagte neulich, dass die Fähigkeit zum Zuhören für sie einer der wichtigsten Gründe für eine Freundschaft ist. „Man hat es doch oft mit Menschen zu tun, die das, was du sagst, nur als Stichwort für ihren eigenen Monolog verwenden.“ Mit so jemanden, sagte sie, könne sie keine engere Verbindung aufbauen.
Ich habe recherchiert, ob es Methoden gibt, mit denen Zuhören besser gelingt. Dabei bin ich auf das Zwiegespräch nach Michael Lukas Moeller gestoßen. Das ist eine Methode aus der Paartherapie (hier sehr schön erklärt) und geht so:
- Die Partner vereinbaren einen festen Termin pro Woche.
- und gleich einen Ersatztermin (Rausmogeln gilt nicht).
- Sorgen für Ungestörtheit: keine Kinder, kein Telefon, keine Smartphone-Signale für eingehende Nachrichten, kein TV, keine Ablenkungen …
- Sie legen eine Uhr bereit.
- Jeder bekommt 15 Minuten Zeit.
- In dieser Zeit redet die Person nur über sich selbst (heißt: nicht vorwurfsvoll über den anderen)
- Der andere unterbricht nicht, hört nur zu, darf nicht einmal Verständnisfragen stellen.
- Wenn jeder der beiden Partner jeweils 15 Minuten geredet hat, gibt es noch einmal 15 Minuten für den gegenseitigen Austausch.
- Dann ist Schluss, kein Nachgespräch!
Ich weiß nicht, ob mein Mann sich diesen Post so vorgestellt hat. Ich merkte aber beim Schreiben, dass er immer mehr zusteuerte auf das Thema „Dem Partner zuhören“ statt „Dem Kind zuhören“.
Wenn wir Frauen allzu sehr aufgehen in dem fröhlichen Kindertrubel, laufen wir Gefahr, unseren Partner in der Wichtigkeit hinter dem Meerschweinchen einzusortieren.
Immer schön fröhlich Zwiegespräche führen
Uta
Etwas Ähnliches hat eine Freundin auch schon mal zu mir gesagt (dass sie sich schwer tut mit Leuten, die alles, was man sagt, mit ihrem Eigenen „übertrumpfen“)…
Ach und das Bild hättest Du übrigens überhaupt nicht zu erklären brauchen – es ist sofort klar, was gemeint ist!
Gruß,
Papagena
Liebe Uta,
großartiger Beitrag. Die Tage haben wir im Freundeskreis das „angemessene“ Zuhören diskutiert. Erschreckend war für uns die Erkenntnis, dass wir schnell auf der Suche sind, Lösungen für sämtliche Situationen zu finden. Jemand erzählt uns etwas und wir überlegen schon direkt was wir raten und tun können. Dabei gerät womöglich unser Gegenüber in Vergessenheit. Wir hören nicht mehr aktiv (Blickontakt, Nicken, etc.) zu, sondern sind lösungsfixiert. Vergessen werden dabei wohl auch die Gefühle, die Intentionen und/oder der Leidensdruck desjenigen. So stellt sich wohl die Frage: Wer sind wir, dass wir für alles eine Lösung haben? Darf nicht auch etwas einfach mal blöd sein?
Der Psychologe und Psychotherapeut Rogers formulierte für die Gesprächsführung drei wesentliche Aspekte; die Empathie, die Echtheit (Kongruenz) und die Wertschätzung – wie Recht er doch hat, auch wenn nicht jedes Gespräch gleich Therapie oder problembelastet sein muss.
Großartig zu diesem Thema auch das Vier-Ohren-Modell:
http://de.wikipedia.org/wiki/Vier-Seiten-Modell
Liebe Grüße
Theresa G.
Liebe Uta,
ich stelle ab und zu mit Erschrecken fest, dass ich gegenüber diesem ständigen Mama-hier-Mama-da-Mama-wo-ist-mein-xy-Mama-kannst-du-mal taub bin. Dieses Mama-rufen ist wie ein Rauschen im Hintergrund, das ich erstmal ignoriere … Meine große Tochter hat das schon raus, und wenn sie will, dass ich zuhöre, und ich nach dem ersten „Mama“ nicht reagiere, redet sie mich mit meinem Vornamen an…. und zack … bin ich wieder da! Werde mir Deinen Post zu Herzen nehmen!
Love,
Isa
Das Problem ist ja häufig nicht das zuhören, sondern das Antworten. Mehr als „mh“ zu sagen gilt bei vielen Männern wohl als redselig. Aber so steht es ja schon in der Bibel: Eure Rede sei ja, ja, nein, nein, der Rest ist Schweigen 😉
Interessanter Blog!
VG Mia
Wenn du gesehen hättest, wie ich zusammengezuckt bin, bei : „hinter dem Meerschweinchen!“ (…!) du schreibst ernste Dinge sooo lustig!
Liebe Grüsse!
Das mit dem Blutbild finde ich ja hochinteressant…eröffnet ganz neue Therapieoptionen…Über den vorletzten Satz musste ich sehr schmunzeln…ja, ja…wenn der Alltag zuschlägt…LG Lotta.
Wie immer ein toller Beitrag mit Gedankenanstoß. Ich gelobe selber Besserung.
Herzlich, Katja
Mein Ex-Mann & ich haben sowas mal auf Empfehlung einer Paartherapeutin gemacht.
Aufgrund unser beider voller Terminkalender blieb für dieses Gespräch nur der Mittwoch Abend.
45 Minuten – das ist 1 ganze Folge „Desperate Housewives“ ohne Werbepausen.
Habe dann schnell festgestellt, dass es mir der Verzicht auf die Housewives nicht wert war.
Er war übrigens der gleichen Meinung.
Werde es nun Elvis vorschlagen. Bin gespannt, wie er reagiert.
Beim Thema *Zuhören* fällt mir immer Michael Endes *Momo ein, zu der die Menschen der Umgebung deshalb ratsuchend gekommen sind, weil niemand so gut zuhören konnte wie sie.
Sich selbst mal genau beim Reden und Formulieren zuzuhören, kann übrigens auch sehr erkenntnisreich sein.
Ich bin Melanies Link gefolgt – liest sich sehr rutschig bei dir…
Toller Blog!!! Freu mich ihn gefunden zu haben 😉
Liebe Grüße
Heike
„Man hat es doch oft mit Menschen zu tun, die das, was du sagst, nur als Stichwort für ihren eigenen Monolog verwenden.“
oh ja, da kenne ich auch einige……argh