Wir müssen das Kind nicht bei Laune halten 

 14/04/2021

Gespräch mit Rita Messmer über die Zeit mit ihrer kleinen Enkelin

In dieser Woche habe ich nach Monaten mal wieder mit Rita Messmer telefoniert. Ihr wisst, die Schweizer Therapeutin und Buchautorin, die die Windelfrei-Bewegung begründet hat und die mich so fasziniert mit ihrem biologischen Ansatz der Kindererziehung (Stichwort „Nachfolgewillen“). 

Rita ist im vergangenen Jahr Oma geworden. Weil ihre Tochter unter einer Wochenbett-Depression litt, hat sie sie für mehrere Wochen bei sich aufgenommen und bei der Betreuung des Babys unterstützt. Rita hatte mir schon geschrieben, dass der erneute Umgang mit einem Säugling eine spannende Erfahrung für sie war. 

Nein, das ist nicht Ritas Tochter mit Lynn, sondern ein Mama, die von Rodnae-Productions für Pexels fotografiert wurde.

Wie ist es, die über die Jahre gesammelten und verbreiteten Erkenntnisse hautnah anzuwenden? Kann ein Neugeborenes verlässlich Signal geben, wenn es abgehalten werden muss? Handelt es sich um eine romantische Verklärung naturnahen Lebens, wenn man annimmt, Eltern im Jahre 2021 könnten ohne Wegwerfwindeln auskommen? Und geraten vielleicht alle Theorien unter die Räder, wenn man sich um Tochter, Enkelin, den Haushalt und die Überarbeitung seiner Bücher kümmern muss?

Als ich Ritas Stimme zum ersten Mal nach Monaten wieder höre, ist klar: die Erfahrung mit der kleinen Lynn hat ihr neuen Schwung gegeben. Ihr Engagement für einen biologischen Erziehungsansatz, bekam durch die Wochen mit dem Baby neuen Aufwind. 

„Es ist noch viel klarer, als ich es gedacht habe“, sagt Rita.

So hat es mit der kleinen Lynn sofort geklappt, sie ihr Geschäft über einem Waschbecken oder der Toilette verrichten zu lassen. Dazu hält Rita den nackten Baby-Po über das Becken und gibt dem Kind mit einem langanhaltenden S-Laut das Signal, sich zu erleichtern. 

Aber was passierte, wenn sie Lynn über längere Zeit im Tuch auf dem Rücken trug, um im Haushalt etwas zu arbeiten? Wie soll sie dann merken, wann das Baby mal muss? 

Rita erklärt, dass das kleine Mädchen sich dann mit ihren Händchen und Füßchen vom Rücken wegdrückte. „Sie stoßen sich mit allen Vieren ab“, sagt Rita, „weil sie dich nicht vollmachen wollen.“ 

„Die heute allgemein verbreitete Lehrmeinung lautet, dass Kinder unter 18 Monaten ihre Ausscheidungen nicht kontrollieren können. Das ist absoluter Quatsch. Sie können es von Anfang an. Das Schlimme ist, dass manche es durch das langjährige Tragen von Wegwerfwindeln sogar verlernen.“ 

- Rita Messmer

Dass Wegwerfwindeln eingespart werden, ist nur ein positiver Aspekt dieses Ansatzes. In der Schweiz gibt es seit neuestem eine Gemeinde, die im Zuge eines CO2-Einspar-Programms Ritas Windel-Frei-Konzept fördert. Eltern, die daran teilnehmen, bekommen eine kostenlose Schulung, ein Abhaltetöpfchen, das Buch „Ihr Baby kann’s“ und einen Gutschein für Stoffwindeln von der Raiffeisenbank. 

Mehr als der Umwelt-Aspekt und das Windel-Thema interessiert mich jedoch Rita Messmers Sicht auf das Wechselspiel zwischen Kind und Erwachsenen. So berichtet sie, dass die kleine Lynn in den ersten vier Wochen vorne am Körper getragen wurde. Danach jedoch auf dem Rücken. Zum einen sei das sehr viel praktischer, weil wir mit dem Kind auf dem Rücken viel besser etwas arbeiten können, als wenn es uns vor der Brust hängt. Zum anderen sei es eine biologische Prägung, lieber auf dem Rücken getragen zu werden. Bei Affen-Müttern kann man das beobachten. Sie tragen ihr Junges immer auf dem Rücken. Und Rita machte auch mit ihrer Enkelin die Erfahrung, dass sie sofort zu quengeln aufhörte, wenn sie sich auf den Rücken band. Auf diese Weise agierte Rita mit dem Staubsauger im ganzen Haus, putzte und kochte. Und Klein-Lynn war immer mit dabei, schaute zu oder machte ein Schläfchen. 

Die Rücken-Trage-Position ist ein Sinnbild für Rita Messmers Philosophie. Das Kind soll schon sehr bald nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. „Das macht sie unruhig, wenn sie vorne getragen werden. Überhaupt überfordert es ein Kind, wenn es ins Zentrum einer Familie gerückt wird“, erklärt die Therapeutin. Spätestens ab dem vierten Monat sei es wichtig, dass es nicht mehr im Mittelpunkt steht. 

Dabei tragen wir alle - ich als junge Mama eingeschlossen - die tief sitzende Überzeugung mit uns herum: Je mehr Aufmerksamkeit für das Kind, desto besser. Ein fatales Motto. Gerade gut meinende Eltern geraten damit in Stress und wundern sich, warum ihr Kind, bei dem sie jedes Bedürfnis vorauseilend stillen, sich so aggressiv verhält. 

Bitte nicht missverstehen: Natürlich brauchen Kinder unsere Aufmerksamkeit, natürlich wollen sie „gesehen“ werden. Aber nicht permanent. Und es geht um essentielle Bedürfnisse wie körperliche Nähe, Essen, Schlaf … und nicht um ein ständiges Bei-Laune-Halten. 

Ein junger Vater kam mit seiner Frau und seiner 22 Monate alten Tochter, die zu unerklärlichen Wutanfällen neigte, in Ritas Praxis. Kaum hatte das Vorgespräch begonnen, spielte er mit dem Kind und ließ es zwischen seinen Beinen hin und her schwingen. „Spielen Sie jetzt mit ihr, weil sie es selbst möchten oder weil sie sie bei Laune halten müssen?“ fragte Rita. Der Papa gab zu, dass Letzteres der Fall sei. Und schon waren sie mitten im Problem. 

Gerade in Zeiten einer Pandemie, in der Eltern ständig mit ihren Kindern zusammen sind, gerade in Zeiten, in denen Kinder eher als bedürftig, denn als stark angesehen werden, gerade in Zeiten, in denen Eltern psychologisches Vorwissen haben und glauben, Aufmerksamkeit  habe etwas mit Urvertrauen zu tun, gerade in diesen Zeiten halte ich Rita Messmers Stimme für sehr wichtig. 

Hier noch einmal die wichtigsten Punkte:

  • Sich als Schwangere mit dem Windelfrei-Ansatz befassen. Es stärkt die Bindung und die Feinfühligkeit zwischen Eltern und Baby und das Gefühl des Kindes für seinen eigenen Körper. Vielleicht ist das etwas für euch.
  • Habt ihr schon einmal ausprobiert, euer Baby auf dem Rücken zu tragen? Es könnte es zufriedener machen und euren Alltag erleichtern.
  • Guckt mal, ob ihr euer Baby oder Kleinkind vielleicht zu sehr in den Mittelpunkt stellt und es dem Stress permanenter Aufmerksamkeit aussetzt. Es wird ihm wohl tun, wenn es ein gleichwertiger Teil der Familie sein darf und nicht mehr das Zentrum.
  • Untersucht mal, welche Art von Aufmerksamkeit ihr euren Kindern gebt! Ist es eher ein permanentes Bei-Laune-Halten (inklusive eigenem Genervt-Sein) oder wendet ihr euch ihnen gezielt mit Freude zu? Hier geht es um Qualität statt Quantität. 

Die Stoffwindel-Akademie bietet neuerdings einen Online-Kurs an, in dem ihr den Ansatz von Rita Messmer erlernen könnt. Gedacht ist der Kurs für Hebammen, Kinderkrankenschwestern, Stoffwindel- und Stillberaterinnen und alle interessierten Eltern. Ich stelle es mir großartig vor, dieses Wissen von Anfang an zur Verfügung zu haben und es sich vielleicht schon in der Schwangerschaft anzueignen. 

Wie seht ihr das? Ich freue mich über Kommentare.

Immer fröhlich etwas über die evolutionäre Grundausstattung des kleinen Menschen lernen. Damit geht es so viel leichter.

Eure Uta 

PS 1: Ich wollte euch noch kurz von meinem Kinderbetreuungs-Einsatz in einer Hamburger Familie berichten. Ich war einmal da zum Kennenlernen und Bücher-Vorlesen. Da die beiden Mädchen zwischenzeitlich wieder zur Schule und in die Kita gehen, war es der Mama zu riskant, dass ich mich anstecke (wie fürsorglich, oder?) und wir haben meine Hilfe umgemünzt in ein regelmäßiges Telefon-Coaching. Deshalb gibt es darüber gerade nichts Aufregendes zu berichten. Sobald sich das ändert, schreibe ich vielleicht mal eine kleine Einsatz-Reportage. 

PS 2: Wegen der Buch- und Online-Kurs-Verlinkung gilt dieser Beitrag als Werbung. Er ist aber unbezahlt und ohne Auftrag entstanden.

Titelbild von Ksenia Chernaya für Pexels. Vielen Dank!

  • Liebe Uta,
    mein erster online-Kommentar, da dieser Artikel mitten in den Kern meines Gedankenkarussells eingeschlagen ist. Dass ein Kind stark in den Mittelpunkt gestellt wird und (zu) viel Aufmerksamkeit bekommt, ist bei uns in der Familie definitiv auch geschehen, besonders im ersten Jahr, und hat einigen Stress verursacht.
    Nun grübele ich seit fast vier Jahren, wie wir es damals hätten besser machen können. Und es fällt und fällt mir wenig dazu ein – denn: Im ersten Lebensjahr meiner Tochter gab es schlicht und ergreifend kein „Familienleben“, an dem sie hätte teilhaben können. Sie ist unser einziges Kind. Keine Haustiere. Keine Verwandten in fahrbarer Nähe, denen man bei irgendwas hätte helfen können. Ich war vorher Vollzeit berufstätig und wusste, dass ich vor ihrem ersten Geburtstag wieder einsteigen wollte. Dementsprechend war und ist unser Leben so organisiert, dass es z.B. keinen nennenswerten Haushalt zu führen gibt, es bleibt nur noch Orga übrig à la Stromanbieter wechseln oder Einkaufslisten-App füllen. Ansonsten hatte ich viel freie Zeit und war damit beschäftigt zu lesen, online irgendwas zu tun, spazieren zu gehen, Kurse zu besuchen, mit anderen Müttern Kaffee zu trinken. Ja, das war so langweilig und schön wie es klingt; auf jeden Fall waren das keine Tätigkeiten, die es gegenüber meinen Mama-Hormonen gerechtfertigt hätten, das Kind länger als 2 Minuten aus den Augen oder gar moppern zu lassen.
    Mir ging es mit diesem Leben im Pausezustand auch nicht gut. Ich achtete seit Beginn des Mutterschutzes brav darauf, mich zu schonen, wegen der Geburtsblessuren, der Milchstaus, dem Schlafmangel usw. Dennoch war ich gestresst (rückblickend würde ich sagen WEGEN der Unterforderung), und habe mich in der Folge immer stärker geschont. Ein kleiner Teufelskreis.
    Mit ein bisschen Abstand betrachtet aber scheint mir diese Leere teilweise ein gesamtgesellschaftliches Problem zu sein, verursacht durch unsere Lebensweise in Kleinfamilien mit Doppelverdienern. Und daher würde es mich wirklich brennend interessieren, wie andere, normalerweise berufstätige, Erstmütter ganz konkret mit dieser Leerstelle umgehen und ihr Kind in dieser Zeit nicht in den Mittelpunkt stellen (und selber nicht verrückt werden). Mir ist bis heute nur folgendes eingefallen:
    • ich hätte wirklich regelmäßiger einkaufen gehen können und mir das nicht von meinem Mann abnehmen lassen sollen (weniger schonen)
    • Gemeinsam mit den anderen Müttern kleine Projekte angehen. Einmal haben wir tatsächlich zusammen Blumenzwiebeln gesetzt, während eine auf die Kinder aufpasste. Das war sehr schön und alle haben sich gefreut mal was zu erledigen. In der Art hätten wir auch reihum kochen, nähen oder putzen können.
    • Vielleicht ist dieses Dilemma auch tatsächlich ein Argument für die teilweise so beliebten „Elternzeit-Reisen“. Dann ist man wenigstens nicht alleine und hat was zu tun.
    Soweit meine kümmerlichen drei Ideen für die Leere während der Elternzeit, alle noch nicht mal Corona-konform.
    Bei uns löste sich die Situation auf, als unsere Tochter mit 12 Monaten zur Tagesmutter kam und dort ihre Rolle in ihrer Ersatzfamilie einnahm. Aber an jedem Wochenende geht hier zu Hause wieder der Kampf um die Aufmerksamkeit los und wir befolgen mittlerweile minutiöse Wochenend-Erledigungspläne, um etwas zu haben, wobei unsere Tochter „mitlaufen“ kann. Hoffentlich kaufen wir uns nicht irgendwann aus Verzweiflung einen Hund!!
    Vielen Dank für Deine tollen Bücher und den schönen Blog, nette Grüße aus Düsseldorf!

    • Liebe Anke,
      mein Ältester ist inzwischen15 Jahre, aber auch damals war es im Prinzip das Gleiche. Nur kam die unglaublich nervige Suche nach einem der sehr raren Krippenplätze dazu, es gab ja noch keinen Rechtsanspruch. Und auch kein Elterngeld, so dfass ich nach 5 Monate wieder auf 400€-Basis von zu Hause aus gearbeitet habe (was etwa 4,5 Stunden in der Woche waren) – das war Gold – und gleichzeitig super anstrengend!
      Aber ja, gelangweilt habe ich mich auch viel. Und habe meinen Mann beneidet, der im Grunde sein Leben weitergeführt hat, am Wochenende in den Baumarkt fuhr etc.

      Also habe ich das Übliche gemacht: mich mit Müttern aus dem Geburtsvorbeitungskurs getroffen, sobald es warm genug war, sind wir Latte macchiato trinken gegangen und haben unsere Kinder bewundert (und verglichen). Es war eine nette Truppe, aber auch eine Notgemeinschaft. Diese Mutter-Kind-Kurse hab ich alle gemacht und: fand ich ätzend. Ich habe sie hauptsächlich nur gemacht, um unter Menschen zu kommen (aber wirklich kennegelernt habe ich darüber niemanden, alle waren ja nur mit den Kleinen beschäftigt). Meinem Sohn hat NICHTS davon gefallen, weder Babyschwimmen, noch Pekip oder Musikzwerge oder Eltern-Kind-Turnen (ich könnte hier ungefähr 50 Anekdoten aus den Kursen schreiben, wo ich mich zum Affen mache und das Kind heult, wegkrabbelt, ander haut, …). Ich war sehr happy, als er mit 3,5 Jahren eine Schwester bekam… – sonst wär es vielleicht auch ein Hund geworden ;-))
      Deine Ideen sind aber gar nicht so übel. Das Reihum-Babysitten, während man mal zum Friseur oder zur Massage oder so geht, das hätte mir gefallen.
      LG SteffiFee

    • Liebe Anke, danke, dass du deine Erfahrung hier schilderst. Und das so echt und ungeschönt! Es geht sicher vielen so. Dein Satz „Mit ein bisschen Abstand betrachtet aber scheint mir diese Leere teilweise ein gesamtgesellschaftliches Problem zu sein, verursacht durch unsere Lebensweise in Kleinfamilien mit Doppelverdienern.“ beschreibt es treffend und zeigt, wie wichtig es ist, neue Formen des Zusammenlebens zu finden. Vielen Dank für deine Rückmeldung zum Blog und zu den Büchern. Das freut mich sehr. Herzliche Grüße, Uta

  • Hallo Uta,

    das klingt interessant. Jahrtausendelang gab es keine Einmalwindeln. In vielen indigenen Völker benutzt man keine und es klappt ja auch irgendwie. Aber für mich und meinen Mann wäre das definitiv nichts gewesen.
    Übrigens: Bei uns im Zoo tragen einige der Menschenaffenmamas ihre Babys durchaus Bauch an Bauch mit sich herum. Wenn ich mich richtig erinnere, sogar eher als auf dem Rücken.
    Ich habe die Kinder viel getragen, meine Tochter praktisch durchgängig wochen- und monatelang während des Hausumbaus, weil ich sie nirgendwo ablegen konnte und sie nicht im Wagen bleiben wollte. Aber erst, als es mir vorne zu schwer wurde, sind sie auf den Rücken gewandert. Sie haben hinten immer gemeckert (und sich im Tuch oder der Babytrage weit nach hinten gelehnt, da hatte ich Angst).

    So gibt es eben auch in der Erziehung „Moden“ und nie ein richtig oder falsch (behauptest du ja auch nicht, ich weiß). Ich finde, man soll es so machen, wie es für einen (und den Partner!!) am besten passt.

    Die Kinder nicht zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen, ist aber alleine aus Gründen der Selbstfürsorge wichtig. 😉

    Beste Grüße
    Steffi Fee

    • Liebe SteffiFee, das geht mir auch so, dass ich dachte: Klingt nett, aber wäre definitiv nichts für mich, das Abhalten und Windeln-Vermeiden und das Auf-dem-Rücken-Tragen. Im nächsten Leben würde ich vor der Geburt solche Kurse besuchen und es ausprobieren, denn ich kann mir gut vorstellen, dass ich damit biologisch eine gute Grundlage für die Bindung und das Körpergefühl des Kindes legen könnte. Vielleicht darf ich es – wie Rita – eines Tages bei den Enkeln ausprobieren. Zumindest das Auf-dem-Rücken-Tragen. Aber, lieber Kronprinz, liebe Prinzessin, natürlich nur mit euren Einverständnis und ich gelobe Zurückhaltung mit meinen Ideen.
      Herzliche Grüße, liebe SteffiFee

  • Liebe Uta.
    Ich hatte grad mit Rita Messmer per Mail Kontakt, die mich hierher geschickt hat, um deinen Beitrag zu lesen. 🙂
    Die Reaktionen auf meinen Online-Kongress (https://family-basics.net falls es jemanden interessiert) waren fast durchweg positiv. Auf das Kongress-Interview mit Rita Messmer haben mich aber tatsächlich kritische Stimmen erreicht. Ich glaube, dass man es sich als sehr bedürfnisorientierte Mama schwer vorstellen kann, wie wichtig es für das Baby/Kind tatsächlich ist, nicht immer Aufmerksamkeit zu bekommen! Meine Erfahrung mit meinen 4 Kindern und den vielen Tageskindern, die ich um meine Kinder herum immer hatte und sicher auch mein Aufwachsen in einer 10-köpfigen Familie, haben mir gezeigt, dass es für die Kinder gut ist, nicht unter den dauerhaft wachsamen Augen der Mutter/des Vaters zu sein, gleichzeitig aber auch, wie wichtig meine eigene Klarheit und Führung als Mutter ist! Das Problem heutzutage in den bedürfnisorientierten Kreisen (aber nicht nur dort) ist doch oft, dass die Mütter ihre Bedürfnisse ganz weit hinten anstellen und dem Kind auch kein Nein zumuten möchten, aus Angst, ihm dadurch ein wichtiges Bedürfnis zu verwehren und dadurch dann eine schlechte Mutter zu sein!
    Ich finde Rita Messmers Haltung, die unseren biologischen Bauplan zugrunde liegen hat, genial und kann jedem nur empfehlen, ihr Buch „Der kleine Homo Sapiens kann`s!“ zu lesen.
    Wie schön, dass du mit ihr so verbunden bist, Uta! Ich werde mit Rita einen Termin für ein weiteres Interview ausmachen, um mit ihr noch tiefer ins Thema einzusteigen. 🙂
    Alles Liebe für dich.
    Dorothea

    • Liebe Dorothea, wie schön, dass du hier schreibst! Ich freue mich sehr über deinen Kommentar. Ja, Ritas Thesen lösen bei vielen Widerstand aus. Das hätten sie bei mir als junge Mama auch. Durch meine Erfahrung mit unseren Kindern und aus den Coachings halte ich sie für sehr wertvoll.
      Warum sind Kinder heute, die überwiegend gut versorgt sind und jede Menge Aufmerksamkeit bekommen, häufig so wütend und aggressiv, ja richtig unglücklich?
      Du schreibst: „Meine Erfahrung mit meinen 4 Kindern und den vielen Tageskindern, die ich um meine Kinder herum immer hatte und sicher auch mein Aufwachsen in einer 10-köpfigen Familie, haben mir gezeigt, dass es für die Kinder gut ist, nicht unter den dauerhaft wachsamen Augen der Mutter/des Vaters zu sein, gleichzeitig aber auch, wie wichtig meine eigene Klarheit und Führung als Mutter ist!“ Dem kann ich nur zustimmen. Und bei deiner Erfahrung hat ein solcher Satz wirkliches Gewicht.
      Ich freue mich, dass du ein weiteres Interview mit Rita vereinbart hast.
      Herzliche Grüße aus Hamburg,

      Uta

  • Liebe Uta!
    Danke für diesen Artikel! Die gehören für mich immer zu den spannendsten.
    Liebe Anke!
    Ich verstehe so gut, was du beschreibst. Mir ging es ähnlich, beim ersten Kind noch relativ naiv und ohne so richtig zu verstehen was da los ist. Beim zweiten Kind zwar dann bewusst, aber tatsächlich (vielleicht auf Grund des großen Altersabstands) nicht immer vermeidbar/auflösbar. Ich habe immer dafür gesorgt etwas zum Handarbeiten zu haben (Sachen für die Kinder stricken, Püppchen machen, Postkarten malen…). Kochen ist leider nicht so meins… Backen ging noch. Besonders schlimm fand ich es auf dem Spielplatz, besonders angenehm auf unserer Parzelle.
    Mir ist auch bis heute keine Lösung eingefallen.
    Die Kinder sind jetzt aus dem Babyalter raus, aber mir fehlt immer noch manchmal so eine Art „Gemeinschaft“ in der die Kinder tätige Erwachsene erleben können (ich finde es gibt wenig Vorbilder, Erwachsene bei der Arbeit zu erleben) und Kinder verschiedenen Alters zum Spielen haben.
    Lieben Gruß Juli

  • Hallo,
    als meine Kinder vor vielen Jahren noch kleiner waren, habe ich in einer dieser Müttergruppen zwei Mütter kennen gelernt, die windelfrei mit ihren Kindern praktizierten.
    So, wie das lief, fand ich es nur abschreckend, ohne genau festmachen zu können, warum. Das ist mir erst jetzt bei deinem Artikel klargeworden.
    Es war nämlich das genaue Gegenteil von „nicht zu sehr in den Mittelpunkt stellen“.
    Damit bloß kein Signal der Kinder übersehen wurde, wurden diese permanent beobachtet und buchstäblich auf jeden Pups reagiert.

    Während sich mein Leben nach dem Still- und Schlafbedürfnis meiner Kinder richtete, kamen da auch noch die nicht seltenen Ausscheidungen dazu.

    Im Winter bin ich z.B. lieber kurz nach dem Stillen rausgegangen, weil es mir einfach zu kalt war, im Freien zu stillen, obwohl es mir sonst nichts ausgemacht hat, immer und überall zu stillen. Das war oft blöd, wenn das Baby die wenigen Sonnenstrahlen des Wintertages verschlafen hat.
    Wenn ich mir vorstelle, ich hätte auch noch immer die Ausscheidungen abwarten müssen, damit ich nicht bei Minustemperaturen den Babyhintern entblößen muss…

    Und das wunderbare Gefühl, meine Babys in Köpchenkusshöhe vor dem Bauch zu tragen und ihren Duft zu schnuppern, hätte ich mir um nichts in der Welt nehmen lassen.

    Ich finde aber nicht, dass die dadurch im Mittelpunkt standen. Sie hingen halt an mir und waren überall dabei.

    Wenn sie größer waren, kamen sie auch auf den Rücken, eher weil das mit dem größeren Gewicht auf Dauer angenehmer war und weil sie dort mehr sehen konnten, wenn sie schon wacher in die Welt blickten.

    Wenn ich meine Enkelkinder irgendwann mal tragen dürfte, kämen die vor den Bauch.

    Und bei so weitreichenden Entscheidungen wie windelfrei hoffe ich, mich raushalten zu können.

    Das einzige, was ich daran wirklich gut finde, ist der ökologische Aspekt.

    Liebe Grüße
    Sabine

    • Liebe Sabine, danke, dass du geschrieben hast! Den Aspekt, dass das Baby gerade durch „windelfrei“ so richtig in unseren Fokus gerät, finde ich nachvollziehbar. Genauso die Kusshöhe, wenn man es vor dem Bauch trägt. Das habe ich auch so sehr genossen. Da hilft wohl nur, es selbst auszuprobieren. Herzliche Grüße, Uta

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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