Online-Coaching mit einer Familie aus Hamburg, die das Selbstvertrauen ihrer Tochter stärken und das Familien-Klima verbessern möchte.
Einige von euch haben sich gewünscht, mal wieder ein Online-Coaching zu lesen. Gerade habe ich eins laufen mit Eltern aus Hamburg, die eine achtjährige Tochter haben.
Danke Laura, Mark und Pippa (8), dass ich unseren Austausch veröffentlichen darf!
Los geht’s! Laura schreibt:
Liebe Uta,
wenn ich all unsere Anliegen, Sorgen und Problemchen in eine Frage packen soll, dann wäre es wohl so ungefähr: „Wie schaffen wir es, mehr Leichtigkeit, Freude und Liebe in unsere kleine Familie zu bekommen?“
Schon länger haben mein Mann und ich das Gefühl, dass die Grundstimmung zu Hause überhaupt nicht (mehr) liebevoll ist. Unsere achtjährige Tochter motzt und meckert, schreit uns an, wird respektlos („du kapierst es einfach nicht!“) und hat dabei immer einen ziemlich fiesen Tonfall. Ich sage immer, dass wir hier nicht auf dem Schulhof sind. Und ob ihre Freunde so mit ihr reden …
Allerdings motzen wir auch sehr viel. Doch manchmal geht es nicht anders. Bei bestimmt zehn verschiedenen Ideen und Wünschen am Tag, die unbedingt umgesetzt werden müssen, obwohl wirklich nicht realistisch, lautet meine Antwort meist „nein“. Dann beginnt das Diskutieren. Bis einer meckert. Den ganzen Tag lang. Immer wieder. Manchmal geht es aber auch um Dinge, von denen ich denke: das geht jetzt nicht, das macht man nicht, das sieht lächerlich aus …
Ich achte eh immer darauf, bloß keine Fehler anderen gegenüber zu machen. Und leider gestatte ich es meiner Tochter dann auch nicht. Sie musste schon immer ziemlich viel Rücksicht auf andere nehmen. Was ja grundsätzlich nicht schlecht ist (für ihr sehr gutes Sozialverhalten wird sie öfter von anderen gelobt), aber manchmal ist es wohl zu viel. Schon länger will sie selbst keinesfalls Fehler machen. Lügen, selbst Notlügen, gehen überhaupt nicht. Sie wollte zum Beispiel lieber auf einen lange gewünschten Ausflug verzichten, anstatt mich bei ihrem Alter ein bisschen schummeln zu lassen (damit sie teilnehmen darf). Es könnte ja jemand herausbekommen und mit ihr schimpfen. Generell hat sie große Angst, dass jemand schimpfen könnte. Auch in der Schule. Sie möchte am liebsten immer gelobt werden. Anderen Kindern zeigen, was sie kann. Die Beste sein. Und wenn dann doch – wider Erwarten – das andere Kind sich nicht dafür interessiert oder sogar einfach besser ist, ist sie sehr, sehr enttäuscht. Wir glauben, sie kämpft stark darum, zu zeigen: „Guck mal, was ich kann!“ Anstatt sich selbst einfach genug zu sein. Zu wissen, sie muss nicht als Einzige die Wände hochklettern können, um toll zu sein. Sie ist toll. Einfach so.
Doch stattdessen wird sie bei Kindern, bei denen sie weiß, dass sie besser ist, richtig angeberisch oder andersherum nimmt sie dann die Opferrolle an „alle sind besser, größer, schlauer …“ Wir steigen dann aber nicht ein in ihr Opfer–Gedanken–Karussell. Obwohl wir tatsächlich auch oft so denken. ( … )
Seltsamerweise gibt es auch Situationen, bei denen sie sich sicher ist, dass sie das kann. Und wir ihr dann eher klarmachen müssen, dass das nicht klappen wird (zum Beispiel mit dem Rad Treppen herunterspringen). Oder sie denkt, dass sie etwas beim ersten Mal kann, stellt dann das Gegenteil fest und schmeißt alles hin („ich kann das einfach nicht!“), anstatt es zu üben.
So, jetzt schweife ich total vom Anfang ab … aber vielleicht gehört das alles, diese ganze Unzufriedenheit, ja zusammen? Oder sind es doch völlig unterschiedliche Baustellen? Diese ganzen „Eigenschaften“ unserer Tochter fühlen sich jedenfalls nur noch anstrengend an und es ist überhaupt nicht mehr liebevoll. Manchmal kann ich mein eigenes Kind nicht mehr aushalten. Und mich dafür dann noch weniger…
Wir freuen uns sehr auf deine Hilfe!
Ich bin gespannt und sende ganz liebe Grüße
Laura
Meine Antwort:
Danke, liebe Laura, für deine Frage und dafür, dass du euer Problem mit uns teilst!
Für mich stecken drei Themen in deiner Mail:
- Viel Gemotze, schlechte Grundstimmung zu Hause wegen vieler Wünsche, die nicht erfüllt werden können oder unrealistisch sind (innerhalb der Familie)
- Guten Eindruck bei anderen Menschen machen wollen, Sozialverhalten, keine Fehler machen, Angst vor Schimpfe (außerhalb der Familie)
- Selbstvertrauen, Leistung, Kompetenz, „Bin ich gut genug?“, sich vergleichen mit anderen, sich beweisen müssen (außerhalb der Familie)
Ich möchte mit dem dritten Thema (Selbstvertrauen) beginnen, weil sich mir beim Lesen sofort eine Frage aufgedrängt hat. Du schreibst: „Seltsamerweise gibt es auch Situationen, bei denen sie sich sicher ist, dass sie das kann. Und wir ihr dann klarmachen müssen, dass das nicht klappen wird (zum Beispiel mit dem Rad Treppen herunterspringen).“
1. Frage:
Warum musst du ihr klarmachen, dass das nicht klappen wird?
2. Frage:
Was würde passieren, wenn du gar nichts sagen und sie selbst die Erfahrung machen lassen würdest?
3. Frage:
Was ist Pippa für ein Typ? Kamikaze oder eher vorsichtig? Würde sich Pippa tatsächlich mit dem Fahrrad die Treppe herunterstürzen?
4. Frage:
Hast du mal ausprobiert, in solch einer Situation nichts zu sagen und nicht einzugreifen?
1. Aufgabe:
Achte in den nächsten Tagen auf Situationen, in denen sich Pippa etwas zutraut, du aber Zweifel hast, ob sie das kann. Sage nichts! Greife nicht ein! Und schreibe bitte am Ende des Tages auf, wie sie reagiert hat und wie das für euch war.
2. Aufgabe: Eine Worte-Diät! Bitte verkneife dir am Wochenende jeden zweiten Satz, den du eigentlich zu Pippa sagen wolltest. Wenn sie eine Frage stellt, kannst du natürlich antworten. Aber alle Bewertungen, Kommentare, Zurechtweisungen… einfach mal weglassen. Deinen Senf nicht dazu geben. Und auch hier aufschreiben, welche Erfahrungen ihr damit macht.
Die Aufgabe ist nur für dich. Sie betrifft nicht deinen Mann. Wenn er Pippas Verhalten kommentiert, lass ihn einfach. Erst einmal geht es darum, wie es ist, wenn du eine Worte-Diät machst. Getreu dem Motto: Wenn sich nur ein Teil im Mobile (oder ein Mensch in einer Familie) bewegt, bewegt sich alles (die ganze Familie) … Es wäre gut, wenn du Mark über deine neue Zurückhaltung informierst. Aber er braucht nicht mitzumachen.
Wundere dich nicht, wenn es dir anfangs schwer fällt, keinen Kommentar abzugeben. Wir neigen alle dazu, unsere Kinder zuzutexten. Wenn du also „rückfällig“ wirst – kein Problem, dann einfach in der nächsten Situation wieder den Mund halten.
Soweit für heute.
Ich freue mich auf deine Antwort!
Herzliche Grüße
Uta
PS: Vielen Dank an alle, die an meiner Umfrage teilgenommen haben. Ich freue mich über die große Resonanz und auch das anerkennende Feedback zu meinem Blog.
Noch ist es möglich, an der Befragung teilzunehmen. Mich interessiert, in welcher Familien-Situation ihr lebt und welche Themen euch besonders interessieren würden, wenn ich einen Online-Kurs oder einen Abo-Bereich mit Experten-Interviews und Downloads einrichten würde. Die Umfrage ist anonym und vertraulich. Ihr braucht nur auf den Link zu klicken und euch etwa drei Minuten Zeit zu nehmen. Danke!
https://forms.gle/EEW6Rj8Be9iGpq9Y8
Beitragsbild von Pavel Danilyuk von Pexels. Vielen Dank!
Liebe Uta,
solche echten Beispiele sind immer toll!! Ich bin gespannt, was du zu den anderen Punkten für Aufgaben findest.
Zur 1. Aufgabe würde ich gerne aus meinem Erfahrungsschatz noch etwas hinzufügen. Wenn meine Jungs etwas tun wollten, wobei ich Bauchschmerzen hatte, habe ich überlegt, unter welchen Umständen es für mich in Ordnung ist. Zum Beispiel, dass ich in der Nähe bin, oder Schutzkleidung Pflicht ist. So hatte ich ein besseres Gefühl dabei und sie konnten sich trotzdem ausprobieren. Mit nem schlechten Gefühl zuschauen, wie sich mein Kind in Lebensgefahr begibt (ist übertrieben, fühlt sich manchmal aber so an), kommt nicht in Frage. Ansonsten sollte ich als Mama die Klappe halten, wenn es nicht wirklich (lebens)gefährlich ist.
Und Aufgabe 2 ist sooo gut! Für die meisten von uns 😉 Einfach mal nur das Nötigste sagen und schauen was passiert. Ich habe die Erfahrung gemacht, je öfter ich mich wiederhole, desto mehr gerate ich in Rage und desto weniger hören die Kinder zu. Ist ja klar, ich würde einem wütenden Menschen auch lieber aus dem Weg gehen, als ihm zuzuhören. Also tief durchatmen, nichts mehr sagen und mir und den Kindern Zeit geben.
In einem ruhigen Moment evtl nochmal in darauf zurückkommen: „ich hatte dich gebeten, die Schuhe wegzuräumen und sie liegen immer noch da. Räum sie jetzt weg. Danke“ und abwenden.
Es dauert eine Zeit, aber die Kinder merken schnell, wenn sich Mama entspannt und erledigen es dann eher. Für euch getestet :-))
Viele Grüße,
Marie
Liebe Marie, danke für deinen Beitrag! Mir hat besonders gefallen: „In einem ruhigen Moment evtl nochmal in darauf zurückkommen: ‚ich hatte dich gebeten, die Schuhe wegzuräumen und sie liegen immer noch da. Räum sie jetzt weg. Danke‘ und abwenden.“
Wenn man daneben stehen bleibt und darauf besteht, dass das in diesem Moment passiert, fühlt sich der andere so kontrolliert und die Gefahr besteht, dass man sich ineinander verkämpft.
Danke für dein Beispiel! LG Uta
Vielen Dank fürs Teilhaben am Coaching und für die Ergänzung von Marie.
Wir hatten heute Elternbegleitgespräch bei der Psychologin von Sohnemann. Da kam ein ähnliches Thema auf. Ich nehme mir die 2. Aufgabe mal und probiere aus, ob das in der Beziehung zur 12jährigen etwas Ruhe rein bringt. Mit ihr enden derzeit sehr viele Gespräche in Ärger auf beiden Seiten.
LG von TAC