Über eine Nacht des Wartens und warum „Schuld“ ein blödes Konzept ist.
Ich hatte eine furchtbare Nacht. Prinzessin (17) war am Wochenende auf einem Festival in Berlin und sollte erst weit nach Mitternacht zurückkommen. Meine Bedingungen waren: 1. dass sie jederzeit für mich erreichbar sein sollte; 2. dass sie am Morgen pünktlich in der Schule erscheinen sollte, auch wenn sie nicht nur die Schultasche, sondern auch den Kopf unter dem Arm trägt.
Nun graute der Abend, es ward Nacht und ich konnte sie nicht erreichen. Immerzu starrte ich auf diesen grauen WhatsApp-Haken, ein blöder einzelner Haken, der einfach keine Gesellschaft bekam und auch nicht blau werden wollte.
Ich saß auf dem Sofa, blickte stumpf in den schwarzen Garten, der unsere Katzen verschluckt hatte. Immer fröhlich bleiben! Pah! Nicht mal der Kater, der in letzter Zeit eher häuslich geworden war, leistete mir Gesellschaft, sondern trieb sich wahrscheinlich mit seiner Schwester auf einem Katzen- und Nachteulen-Festival herum.
„Komm“, dachte ich mir, „untersuche deine düsteren Gedanken mit der 4-Fragen-Methode!“
Der belastende Gedanke war:
„Wie konnte ich diese späte Heimkehr nur erlauben? Was hatte ich mir dabei gedacht? Wenn ihr etwas zustoßen sollte, würde ich mir zeitlebens Vorwürfe machen.“
Als ich meine Gedanken untersuchte, merkte ich, dass ich mich mehr fürchtete, als Mutter schuldig zu werden, als dass ich mich wirklich um Prinzessin sorgte. Sie war in ihrer Clique unterwegs, lauter Mädels und Jungs, die in der Regel keinen Blödsinn machen.
Dass ich mich mehr sorgte, versagt zu haben und Schuld auf mich geladen zu haben, als um meine Tochter selbst, fand ich schräg.
Mir etwas zu Schulden kommen zu lassen, ist meine größte Angst im Leben. Das wurde mir klar.
Kommt das aus der Zeit des Erstkommunion-Unterrichts, als wir als Acht- oder Neunjährige zu beichten lernten? Ich erinnere mich, zur Beichte gegangen zu sein, ohne recht zu wissen, was man mir hätte vorwerfen können. Aber irgendetwas musste es ja geben, was schlecht an mir war. Also suchte ich und wurde fündig.
Schuld – ein wirklich blödes Konzept!
Ich weiß, dass ich mich als Kind sehr schlecht gefühlt habe, weil der arme Jesus wegen unserer ganzen Sünden sterben musste. Dass er sie mit seinem Tod für alle Zeit von uns genommen hätte, erschloss sich mir nicht. Wenn er damals schon alles für uns mit Gott geregelt hätte, dann wäre es doch fast zweitausend Jahre später gar nicht mehr nötig, zur Beichte in diesen Holzkasten zu gehen.
Ich wandte mich wieder der Fragen-Methode zu.
„Wenn Prinzessin etwas zustoßen sollte in dieser Nacht, wäre das dann wirklich meine Schuld? Kann ich hundertprozentig sicher sein, dass es mit mir zu tun hätte?“
Meine Antwort war „nein“. Aber es war kein überzeugtes „Nein“ und ich war zu niedergeschlagen und müde, um weiter und tiefer nach Byron Katies Methode in mir zu forschen. Und als ich mich gerade ins Bett legen und mein Smartphone auf dem Nachttisch ausrichten wollte, ertönte der schönste Klingelton aller Zeiten. Es gab wieder Nachrichten von Prinzessin. Sie war auf dem Weg. Alle Freunde würden zusammen nach dem Flixbus die S-Bahn nehmen.
Irgendwann war sie dann wieder da. Zusammen mit einer Freundin. Ich schloss sie selig in die Arme und legte mich wieder ins Bett. Die beiden duschten, machten sich etwas zu essen und gingen zur Schule.
Als ich heute morgen ihre benutzten Teetassen in die Spülmaschine räumte, musste ich an mein erstes Coaching-Seminar denken. Damals saßen wir Teilnehmer in einem Raum und machten eine Zeitreise zurück in unsere Kindheit. In dem Seminar-Raum hing ein Kruzifix an der Wand. Als ich da so lag unter einer warmen Decke und in die Vergangenheit reiste, zwinkerte mir Jesus plötzlich von seinem Kreuz zu und mir war, als wollte er mir sagen: „Nimm das alles nicht so schwer, schon gar nicht wegen mir!“
Und mir wurde klar: Wir geben unser Bestes und wir machen Fehler und übernehmen die Verantwortung dafür, aber unrettbar schuldig können wir nicht werden. Schon gar nicht in seinen Augen. Für ihn war Leben kostbar und jeder von uns ein Geschenk an diese Welt. Und wir sollten nicht nach unseren Fehlern suchen, sondern uns feiern, so wie wir sind.
Sich immer fröhlich von der Angst frei machen, schuldig zu werden,
eure übermüdete, aber wieder fröhliche Uta
Das Titelbild habe ich bei Pexels gefunden. Das ist nicht Prinzessin!
Wie lustig, das ist mir letztens auch aufgefallen, dass ich mir mehr Sorgen darüber mache, mich als Mutter schuldig zu machen, als um meine Kinder selbst. Bin aber im Gegensatz zu dir, noch nicht auf die Ursache gekommen.
Ich bleibe dran.
Trotzdem immer wieder schön, die Kinder dann im Arm zu haben, wenn sie nach einem Abenteuer ohne Eltern wieder da sind 🙂
„aber unrettbar schuldig können wir nicht werden. Schon gar nicht in seinen Augen“
Danke für diesen Satz, liebe Uta!
Ich bin, seit unsere Kinder auf der Welt sind, eine schreckliche Glucke, so wollte ich nie sein und so schätzte ich mich auch nicht ein. Die Angst, einem unserer Kinder könnte etwas zustoßen, ist riesengroß in mir. Vor allem der Gedanke, nicht bei ihnen sein zu können im schlimmsten Moment, macht mich manchmal halb wahnsinnig. Ich bin dabei, das anzugehen aber ich weiß noch nicht so richtig, wo bei mir der Ursprung ist. Ich habe tatsächlich am meisten Angst davor, sie alleinegelassen zu haben, wenn sie mich vielleicht am meisten gebraucht hätten. Und obwohl Gott mich nicht verurteilt, tue ich es doch. Mein einziger Trost ist, dass unsere Kinder nie wirklich alleine sind, dass Jesus auch in abgrundtief schrecklichen Momenten ganz nah bei ihnen ist.
Liebe Grüße
Dana
liebe uta,
ja jesus ist ganz anders als wir ihn denken oder uns beigebracht wurde. er ist einfach liebe und er verurteilt uns gar nicht.
ich dnake dir für diesen post
herzlichst
annette
Danke für die schönen Zeilen, ich erkenne mich absolut wieder
Ich liebe diese beiden Sätze von dir: „Für ihn war Leben kostbar und jeder von uns ein Geschenk an diese Welt. Und wir sollten nicht nach unseren Fehlern suchen, sondern uns feiern, so wie wir sind.“
Einfach schön und wahr und die perfekten Zeilen zum Start ins Wochenende.
Alles Liebe,
Christina
Aus irgendeinem Grund (zwinkert da irgendwo ein Jesus am Holzkreuz?!?!) habe ich erst jetzt die Zeit und Muße gehabt, deinen neuen Artikel zu lesen.
Und er kam genau jetzt genau richtig: an einem
Sonntagabend vor einer Woche, in der so viele Dinge auf der Arbeit dringend erledigt werden wollen, dass ich sie gar nicht alle im Kopf aufzählen kann, ohne etwas zu vergessen. Kein schönes Gefühl, kein schöner Gedanke.
Und da lese ich: nimm dich und deine Versagensängste nicht so ernst, so „unrettbar schuldig“ kannst du gar nicht werden!
Danke! Das tat gut.
Kristin
P.S.: Ich denke, die Angst, schuldig zu werden, kommt daher, dass wir davon ausgehen, dass wir dann von unseren Lieben und der Gesellschaft ausgeschlossen / gestraft / verurteilt werden. Diese Vorstellung ist verständlicherweise angsteinflößend.