Auf du mit Bernd und dem Kabelsalat
Ich wollte heute Morgen bloggen und kam nicht ins Internet. Das Telefon war auch tot.
Ich muss sagen, ich habe kein Vertrauen in Hotlines von Internet-Providern.
Im Auto haben wir neulich „Die Kinder des Dschinn“ von P.B. Kerr gehört. In der Geschichte betreibt eine verbrecherische Sekte ein Call-Center, das Anrufer bei Computerproblemen systematisch in die Verzweiflung treibt. So wollen sie die Weltherrschaft an sich reißen. Seither fühle ich mich in der Telefonschleife unseres Providers wie im Vorhof der Hölle.
Ein Bernd S. meldete sich. Ich nannte meine Kundennummer. Kaum hatte ich die nächste Luft geholt, hatte Bernd mein Problem auf dem Schirm.
„Das sieht doll aus, ist alles tot“, sagte Bernd. „Genau, ich habe keine Verbindung zum Server.“ – „Ja, wirklich keine“, rief Bernd begeistert, „so was habe ich auch noch nicht gesehen. Davon mache ich mir eine Kopie.“
„Wie viele Telefonsteckdosen haben Sie?“
Ich krabbelte mit Bernd im Hörer unter den Schreibtisch. „Drei.“
„Haben Sie einen DSL-Splitter?“ – „D – S – L – S-p-l-i-t-t-e-r.“ Vor Schreck stieß ich mir den Kopf an der Schreibtischplatte. Ich raschelte mit Zetteln im Papierkorb und rieb die Sohle meines Hausschuhs am Tischbein. Bernd sollte denken, dass ich nur noch meine zusätzlichen Profi-Festplatten und die ganzen USB-Sticks beiseite schieben muss, um den Splitter zu finden.
„Bernd,“ sagte ich, „Bernd, ehrlich, ich weiß nicht, was ein DSL-Splitter ist.“ Wir waren jetzt bei der Wahrheit. Jetzt ging nur noch das „Du“.
„Macht nichts. Da muss ein graues Kabel zwischen Fritzbox und einem Kästchen sein.“ Bernd kannte sich aus bei uns. Ich guckte vorsichtshalber über die Schulter, ob er nicht doch hinter mir stand. Aber da schlich nur die Katze herein und legte sich auf die Vertragsunterlagen.
„Das graue Kabel einmal rausziehen und auch von der Fritzbox den Netzstecker ziehen.“
Wenn Bernd wüsste, dass es bei uns unterm Schreibtisch aussieht wie in den Rätseln in der „Apotheken-Umschau“, wo drei Kinder ein Fadenende in der Hand halten und man muss herausfinden, welches Wollknäuel in dem Gewirr zu dem richtigen Kind gehört.
Ich zog den Netzstecker und die Schreibtischlampe ging aus. Ich zog einen anderen Netzstecker: finales Rauschen im Anrufbeantworter. Endlich gingen auch an der Fritzbox die Lämpchen aus.
„Alles Roger, Bernd!“
„Gut, jetzt müssen wir 30 Sekunden warten.“
„Sollen ich uns einen Kaffee kochen?“
Stille.
„He, das sollte ein Witz sein.“
Bevor ich die Kabel wieder einsteckte, legte ich Bernd lieber neben den Hausschuh. Ich musste mich konzentrieren. Bernd hätte sicher kein Verständnis für die erste Fritzbox-gesteuerte Stehlampe gehabt.
„Das ‚Power/DSL‘-Licht blinkt.“ – „Das ist gut, das könnte klappen.“ – „Power/DSL“ konstant, FON inaktiv, WLAN blinkt.“ Ich war sachlich und kompetent wie ein Co-Pilot kurz vor der Landung. Bernd war stolz auf mich, das hörte ich an seiner Stimme.
„Jetzt guck mal, ob du wieder ins Internet kommst.“ Ich tauchte unterm Schreibtisch auf.
„Jaaaaa!“ Mein Blog leuchtete mir entgegen.
Lieber Bernd S. irgendwo da draußen in einem Callcenter. Heute hast du mir mein Blog und mein technisches Selbstbewusstsein zurückgegeben, heute warst du mein „Glücklichmacher“. Hast du das auch auf deinem Schirm?
Immer fröhlich bleiben
Uta
Titelbild von Sincerly Media von Unsplash. Vielen Dank!
Ich habe beim Lesen laut gelacht! Du hast es herrlich beschrieben. … und es hätte auch bei mir sein können! Schönen Tag noch! Isa
Super Beitrag! Habe sehr gelacht. Bernd sei Dank, nun weiß ich, ich mit meinen fragmentarischen Computerwissen, steh nicht allein! Habe schon diverse Bernds kennengelernt. Muss den Beitrag unbedingt meiner letzten Rettung in Sachen Computer und Co , unseren Profi im Büro zeigen. Rite