In einem Buch des dänischen Familientherapeuten Jesper Juul gibt es ein Kapitel über das Loben, das essentielle Dinge darüber sagt, wie Kinder stark werden.
Die anderthalbjährige Katharina – so Juuls Beispiel – spielt in Begleitung ihrer Mutter auf einem Spielplatz. Einmal steht sie oben auf der Rutsche und ruft: „Mama, guck mal.“
Es gibt mehrere Möglichkeiten, darauf zu reagieren:
A  „Toll machst du das, Katharina!“
B   Hingucken, winken. „Hallo, Katharina, ich sehe dich.“
C   „Ja, schön, aber halte dich gut fest, dass du nicht herunter fällst!“
D   Sich weiter unterhalten mit der anderen Mutter.
Wie würdest du reagieren?
Ich bin die A-Typ-Mama, begeistert über jedes Produkt ihrer Kinder, jedes Krikelkrakel ein Gemälde, jede Lebensäußerung zum Niederknien …
bis ich Juul las.
Er sagt, dass in der Situation mit Klein-Katharina auf der Rutsche ein fundamentales Missverständnis liege. Kinder in dem Alter wollen nicht bewertet werden. Sie kommen gar nicht auf die Idee, dass das Heraufklettern auf die Rutsche eine Leistung sei. Wenn sie rufen „Guck mal!“ wollen sie nur in ihrer Existenz bestätigt werden. Mit unserer Bewertung bringen wir Katharina erst auf die Idee, sie könnte beim Bezwingen der Rutsche etwas falsch oder schlecht machen.

Immer dieser Daumen!

Loben ist eine wichtige Form der Anerkennung, aber es ist immer eine Bewertung. Auch unsere großen Kinder wollen nicht ständig bewertet werden, sie wollen keinen Dauer-Kommentar zu ihrem Tun, sondern als eigene Person gesehen werden.
Ich stand noch frisch unter dem Eindruck des Juul-Kapitels, als Kronprinz (14) kam und mir davon erzählte, wie er die Bewerbung für sein Sozialpraktikum verfasst hat. Sonst hätte ich ihn viel schneller unterbrochen, hätte seine Ideen sofort kommentiert, in Lichtgeschwindigkeit eine fertige Meinung dazu gehabt, eigene Ideen eingeworfen. Diesmal war ich einfach präsent und siehe da: alles, was ich vorgeschlagen hätte, kam von ihm selber und besser. Ein schöner Moment für uns beide.
Ich folgere für mich daraus

  • darauf achten, nicht in dieses pädagogische Loben zu verfallen, das man gerne anwendet um ein gewünschtes Verhalten zu erreichen (=Manipulation)
  • meine Kinder schon loben, aber spontan, mit echter Begeisterung, weil es ohne Absicht aus mir heraus strömt
  • das Kind sehen (= zuhören, erzählen lassen, Werke zeigen lassen)
  • das Sein der Kinder genießen
  • vor allem will ich vorleben, dass auch ich nichts über mich beweisen muss
Das Kapitel, auf das ich mich hier beziehe, ist aus dem Buch Jesper Juul: Dein kompetentes Kind. Hamburg 2009, Seite 97 – 137. Darin geht es auch um den Unterschied zwischen Selbstgefühl und Selbstwertgefühl, eine Erkenntnis, die mich sehr tief innen glücklich macht. Davon bald mehr.

Immer schön fröhlich bleiben
Uta
PS: Zur Auflösung meines kleinen Erziehungs-Quiz von oben:
Antwort A („toll!“) So reagieren die meisten Eltern, überhaupt nicht schlimm, aber Juul empfiehlt
Antwort B („Ja, ich sehe dich!“)
Antwort C („…aber halt dich gut fest …“) macht Kinder eher ängstlich und ungeschickt.
Antwort D (sich mit anderer Mutter unterhalten) ist auch mal völlig okay. Der Anspruch der Dauerpräsenz führt garantiert zum Eltern-Burn-Out.

  • Danke für die Erinnerung! Ein tolles Beispiel. Die Bücher von Jesper Juul sind eh sehr lesenswert. Muss mir unbedingt wieder eins ausleihen. Liebe Grüße, Isa

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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