Die 5 wichtigsten Ideen für weniger Streit ums Tischdecken oder Abwaschen
In dem Buch „Die kompetente Familie“ des verstorbenen Familientherapeuten Jesper Juul gibt es einen Satz, den ich überlesen haben muss, als unsere Kinder klein waren. „Erlegen Sie Ihren Kindern bis zum Alter von etwa 14 Jahren niemals Pflichten auf.“ (Seite 141)
Niemals Pflichten?
Da rackert sich unsereiner ab, um die Thronfolger zu wertvollen Elementen dieser Gesellschaft zu formen, und dann kommt dieser gemütliche Däne und behauptet, die Kinder würden viel hilfsbereiter, wenn wir sie einfach spielen ließen.
Was ist damit gemeint? Und welche Erfahrung habe ich mit der Haushaltsunterstützung von Sohn und Tochter gemacht?
Erzieherische Mission vermeiden
Der Unterschied ist, ob ich wirklich Hilfe brauche oder ob ich in pädagogischer Mission unterwegs bin. Als unser Sohn etwa 16 oder 17 Jahre alt war, roch er hundert Meter gegen den Wind, ob Mutter ihm eine Lektion erteilen wollte oder ob unser kleines Gemeinwesen tatsächlich Unterstützung brauchte.
Beispiel 1:
Ich lasse den Abwasch stehen und sage: „Wenn du stundenlang vor dem Computer sitzen kannst, kannst du gefälligst auch mal das Geschirr abspülen. Offenbar hast du Zeit in Hülle und Fülle.“ (Merke „gefälligst“ und „offenbar“ sind Signalwörter für pädagogische Lektionen; das „offenbar“ leitet einen ironischen Satz ein, der eine massive Abwertung enthält. Übersetzt heißt er: „du fauler Hund!“)
Erfolgsquote: abhängig vom Druck, den man aufbaut
Stimmung: garantiert schlecht
Beispiel 2:
Ich habe einen Termin und nicht daran gedacht, noch die Wäsche aufzuhängen. Tatsächlich sehr gestresst ruft Mutter die Treppe hoch: „Kannst du bitte die Wäsche aufhängen? Ich habe es total vergessen und muss jetzt dringend los.“
Erfolgsquote: 80 Prozent.
Stimmung: gut, Mutter ist aufrichtig dankbar für die Unterstützung, Sohn fühlt sich wichtig, weil er einen echten Beitrag leisten kann.
Halten wir fest, dass es hilft, wenn wir echten Arbeitsbedarf haben und es vermeiden, unserem Kind mit einem Auftrag im Haushalt eine Lektion erteilen zu wollen. Das merken Eltern vor allem, wenn sie mal krank sind. Liegt man fiebrig auf dem Sofa, kümmern sich die Kinder in der Regel rührend, bringen ihren Lieblingsteddy, pusten einem die Hitze von der Stirn und verkleben einen Meter Pflaster auf dem Arm. Daran merkt man, wie gerne Kinder uns unterstützen. Wie in Beispiel 2 fühlen sie sich dann wertvoll. Werden sie aber genötigt zu helfen, hat dies meist eine Entwertung im Schlepptau: „Sieh es ein, du bist faul, ein Drückeberger, unsozial…!“ Das spüren sie sofort, auch wenn wir es nicht aussprechen.
Wie motiviert wären wir, wenn wir so zur Mithilfe aufgefordert würden?
Ansteckung durch Freude
Echter Arbeitsbedarf und Vertrauen ins Kind sind eine gute Grundlage für Hilfsbereitschaft, die von Herzen kommt. Mein Lieblings-Tool aber, um Kinder zum Helfen anzuregen, ist die ansteckende Freude. Im Tagebuch habe ich verzeichnet, dass ich unbedingt einen Rhabarberkuchen backen wollte, Prinzessin (damals 14) vorbeikam, die gute Stimmung aufschnappte und meinte: „Ich kann ja schon mal den Rhabarber schälen.“ Unvergessen ist auch der Moment, als ich von der Idee beseelt war, einen Gartenteich anzulegen. Kronprinz (damals sieben) buddelte, als wollte er das Grundwasser anzapfen, und schufftete bis zum Einbruch der Dunkelheit, weil er am Rand des neuen Mini-Gewässers auch noch einen Sitzplatz pflastern wollte. Meine Begeisterung war offenbar ansteckend.
Besonders schön finde ich, wie Jesper Juul die eigene Freude an Arbeit (hier in der Küche) ins Spiel bringt.
Jesper Juul
„Je mehr Sie Ihre Tätigkeit genießen, desto eher wird die Küche zum Magneten werden, von dem sich alle angezogen fühlen. Sie können der Hilfe gewiss sein, wenn es Ihnen gelingt, eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen.“ (Die kompetente Familie. Neue Wege in der Erziehung. München 2009, Seite 67)
Gut … beim Toiletteputzen, Bügeln oder Töpfe-Sauber-Kratzen wird die Begeisterung wenig ansteckend sein. Hier holt man sich die Freude über Musik- oder Podcast-Hören oder stellt eine Uhr und macht aus der Arbeit ein Wettrennen gegen die Zeit.
Wirklich keine Pflichten unter 14?
Wenn Jesper Juul schrieb, man solle Kindern unter 14 keine Pflichten auferlegen, dann verstehe ich ihn so:
- man läuft sonst Gefahr, die natürliche Hilfsbereit der Kinder und ihre Freude an Arbeit (für sie = Spiel) zu zerstören
- man läuft Gefahr, dass Machtkämpfe daraus werden und man sich zu sehr in das Thema verbeißt
- man kommt leicht auf die Schiene, das Kind im Alltag zu entwerten (denn wir suggerieren: nur wenn du den Müll jetzt runterbringst oder die Spülmaschine ausräumst, bist du ein fleißiges Kind mit gutem Sozialverhalten)
- man reibt sich als Eltern auf und hat zusätzlich zu der ganzen Arbeit den Ärger, sie allein oder mit einem missmutigen Kind machen zu müssen
Nun kenne ich aus meinen Coachings Eltern, die - weil beide voll berufstätig - von ihren Kindern von klein auf erwartet haben, dass sie morgens den Tisch decken und sich ihre Schulbrote selbst machen. Ich staune dann immer, wie selbstverständlich das klappt. Das war bei uns nicht so. Durch die volle Berufstätigkeit der Eltern hat sich ein echter Arbeitsbedarf entwickelt. Und gegen diesen natürlich entstandenen Einsatz der Kinder hätte Juul sicher keine Einwände gehabt. Wogegen er sich wendete, war, Haushaltspflichten einzusetzen, um Kindern Lektionen zu erteilen und sie zur Hilfe zu nötigen. Bei Jugendlichen über 14 war er allerdings der Ansicht, dass man sich als Familie zusammen setzen und die Aufgaben im Haushalt untereinander aufteilen sollte. Denn dann sei nicht mehr einzusehen, dass sie sich bedienen lassen. (Die kompetente Familie, Seite 138)
Kurz & knackig
Die besten Chancen, dass ihre Kinder freiwillig im Haushalt Aufgaben übernehmen, haben Eltern,
Immer fröhlich zusammen den Haushalt schmeißen und mir schreiben, welche Erfahrungen ihr zu dem Thema macht.
Eure Uta
Dieser Beitrag gilt wegen der Buch-Verlinkung als Werbung, ist aber unbezahlt.
Liebe Uta, der Beitrag kommt wie gerufen. Wir möchten, dass unsere Jungs (6 und 4) nach den Mahlzeiten ihre Sachen vom Tisch abräumen, und es gibt so oft Theater deswegen. Der Große bemerkte letztens ganz richtig an, dass auf dem Tablett noch Platz sei, und ich merkte sofort, wie er sich veralbert vorkam und ihm bewusst wurde, diese Anordnung von uns ist eher eine Not, eine Aufgabe für sie zu finden als ein wirkliches Hilfsbedürfnis. Schon verrückt, wenn ich nämlich wirklich Hilfe brauche, machen sie es immer. Sie wirklich einzubinden, hat noch Zeit und bis dahin freue ich mich, wenn meine Freude an Tätigkeiten sie ansteckt. Viele Grüße von Lisa
Liebe Lisa, danke für dieses anschauliche Beispiel mit dem Tablett. Viele liebe Grüße und viel ansteckende Freude, Uta
Liebe Uta,
hmmm, ich verstehe schon, was Juul da meint und gerade dein Beispiel mit dem kranken Erwachsenen kommt bei uns ganz klar vor: wenn ich krank bin, werde ich dermaßen umsorgt, dass ich schon manchmal um etwas weniger bitten musste, um auch schlafen zu können. 🙂
Aber z.B. gibt es bei uns seit einigen Monaten einmal die Woche gemeinsamen Hausputz, bei dem jeder einen Teil übernehmen muss. Allermeistens dürfen die Kinder sich zuerst aussuchen, was sie tun wollen (Saugen, Wischen, Bad, Küche – die 4 „Abteile“ gibt es) und mein Mann und ich übernehmen die anderen beiden Dinge. Natürlich hat dazu keiner Lust (wir Erwachsenen reißen uns ja auch nicht gerade darum) aber trotzdem fand ich irgendwann, dass es nicht nur an uns hängen bleiben kann. Wir verdrecken alle 4 das Haus also will ich auch, dass alle 4 mit anpacken. Und somit ist es eine Pflicht, die wir unseren Kindern auferlegen (9 und 12) und ich finde es für uns richtig.
Liebe Grüße
Dana
Liebe Dana, das ist doch das Entscheidende, dass es sich für euch richtig anfühlt, auch wenn nicht gerade Party-Stimmung aufkommt. Ich würde das dann eher der Abteilung „notwendige Mitarbeit“ als „künstlich auferlegte Pflicht“ zurechnen.
Das ist ja rührend, dass deine beiden dich im Krankheitsfall so umsorgen, dass du kaum zu schlafen kommst. Danke fürs Schreiben und herzliche Grüße, Uta
Liebe Uta,
Ich meine, von Juul gelesen zu haben (Vermutlich in „Dein kompetentes Kind“), dass den Kindern regelmäßige Aufgaben zuzuteilen, das Pflichtbewusstsein stärkt, die Kinder bei Bedarf um Hilfe zu bitten, die Hilfsbereitschaft. Keins der beiden Erziehungsziele ist pauschal besser und man solle sich überlegen, was einem persönlich wichtiger ist und was besser ins eigene Familienleben passt. Das fand ich irgendwie einen schlüssigen, schönen Gedanken.
Liebe Grüße
Hella
Liebe Hella, das ist ein schöner Gedanke! Vor allem zu gucken, was ins eigene Familienleben passt. Für mich war es ein wichtiges Lernfeld, um dabei nicht moralisch zu werden. Herzliche Grüße und danke fürs Schreiben! Uta
Liebe Uta! Und wieder frage ich mich: Warum lese ich deinen Blog und nicht mein Mann? ?
Liebe Grüße Steffifee